URI: 
       # taz.de -- Terror der Hamas: Der Tag danach
       
       > Frieden zwischen Israelis und Palästinensern scheint weiter entfernt denn
       > je. Unser Autor will an der Idee der Aussöhnung festhalten. Eine Utopie.
       
   IMG Bild: Blick über Gaza im Oktober 2023 nach dem Angriff auf Israel
       
       Am Tag danach.
       
       Am Tag danach werden wir – jede und jeder einzelne von uns – wieder und
       wieder erzählen müssen, was uns am 7. Oktober widerfahren ist, unzählige
       Male. Wir werden den Palästinensern erzählen, was die Hamas uns angetan
       hat, unseren Familien, unseren Verwandten und unseren Freunden. Wir werden
       erzählen von den Verletzungen, den Verwundungen, den Misshandlungen an
       Körper und Seele, von den Entführungen und den Morden. Wir werden von
       unserer Lage an jenem für uns sehr lang gewordenen Tag erzählen, davon, wie
       wir uns bedroht gefühlt haben wie noch nie zuvor seit der Gründung des
       Staates Israel, werden erzählen von der Ohnmacht, der Angst und Wut, von
       dem Grauen, das uns erfasste. Von der Würde, die wir verloren haben, und
       der Schmach, die sich offenbarte.
       
       Wir werden von Opfern und als Opfer der Situation erzählen und davon, wie
       die Ordnung unseres Lebens erschüttert wurde, wie wir gezwungen waren, aus
       unseren Ortschaften zu fliehen und uns aus Todesangst zu verstecken. Davon,
       wie wir nicht wussten, in welche Richtung wir fliehen sollten, wie wir
       verloren in unseren Verstecken standen, kauerten und lagen, wie wir um
       unser Leben bangten und beteten. Davon, wie Raketen über uns hinwegflogen
       und wie wir am Radio oder an den Fernsehbildschirmen hingen und das Grauen
       live miterlebten. Davon, wie wir in den sozialen Netzwerken dem
       mörderischen Massaker ausgesetzt waren, das wir nicht verstehen konnten,
       dessen Bedeutung wir nicht begreifen konnten, von dem wir nicht wussten,
       wie es überhaupt hatte geschehen können.
       
       Wir werden von unserem Heldentum erzählen, wie es uns gelang, uns zu retten
       und uns zu befreien, zu kämpfen und zu überwinden, und davon, wie wir auch
       in den schweren Stunden bei Verstand blieben, wie wir unsere Kinder mit
       Leib und Seele beschützten und fortfuhren, sie für einen normalen neuen
       Schultag fertig zu machen, obwohl wir seither nicht mehr dieselben sind.
       Und wir werden davon erzählen, wie wir uns – bereits an jenem Tag –
       freiwillig meldeten um zu helfen, und wie wir entdeckten, dass es um uns
       herum eine Gemeinschaft gibt, Kollektive und Menschen, die bereit sind, von
       Herzen zu geben für andere, die sie bis gerade nicht gekannt haben, aus
       einem Gefühl der Einheit und der Berufung, ja einfach der Menschlichkeit.
       
       Und wir werden von dem Leben vor dem 7. Oktober erzählen, von den Traumata,
       die wir zuvor erfahren hatten, und von dem schrecklichen Krieg, der uns
       aufgezwungen wurde, von unseren Kindern, die gingen, um in Gaza zu kämpfen,
       und von jenen, die gefallen sind, und von ihren Ehemännern, Ehefrauen und
       Freunden, von der Empathie, die einige Völker der Welt uns
       entgegenbrachten, die schon bald von einem Gefühl der Isolation abgelöst
       wurde, und dies trotz der Angriffe der Huthis, der Hisbollah, des Iran und
       anderer mehr.
       
       Und wir werden erzählen von dem wachsenden Antisemitismus auf der ganzen
       Welt, der auch Israelis trifft, die sich entschieden haben, nicht länger in
       Israel zu leben, und Juden, die noch niemals dort gelebt haben, und von dem
       Gefühl, dass wir um unser Zuhause kämpfen und sonst [1][keinen anderen Ort
       haben, keinen einzigen], an den wir wirklich gehen könnten. Und von unserer
       Angst werden wir erzählen vor jedem, der in unserer Umgebung Arabisch
       spricht, oder sogar vor jedem, der ein wenig nicht zugehörig wirkt, denn
       unser Gefühl persönlicher Sicherheit wurde so stark verletzt, dass wir uns
       selbstständig organisierten, um uns zu schützen, die Türen verschlossen
       hielten und kein Auge zumachten, bis wir wussten, dass sich unsere
       Angehörigen an einem sicheren Ort befanden. Und von den Albträumen werden
       wir erzählen, die uns nachts überkommen und aus denen wir erwachen und die
       in einen nicht enden wollenden Wachalbtraum münden.
       
       Am Tag danach, wenn wir den Palästinensern unsere Geschichte erzählen,
       werden sie beschämt sein und den Blick senken, werden versuchen zu
       protestieren, abzustreiten und zu leugnen, werden es aber schaffen, mit uns
       ins Gespräch zu kommen, weil unsere Geschichten für sie authentisch wirken.
       Sie werden mit uns über die Politik diskutieren, aber auch mit uns weinen
       und bitten, uns umarmen zu dürfen, sie werden sich in ihrem Namen
       entschuldigen und im Namen des gesamten palästinensischen Volkes, werden
       versichern, dass, wenn es von ihnen abhinge, so etwas nie wieder geschehen
       würde, genauso, wie es nie hätte passieren dürfen.
       
       Und sie werden uns um Erlaubnis bitten, Fotos von uns zu machen und uns zu
       interviewen, um unsere Geschichten in ihren sozialen Netzwerken zu
       verbreiten, damit alle ihre Freunde und ihre Familien auch die Wahrheit
       erfahren. Und sie werden uns in ihre Schulen einladen, damit wir dort
       unsere Geschichte erzählen, und wir werden uns fühlen, als wären wir
       Holocaustüberlebende, die kommen, um Zeugnis abzulegen.
       
       Am Tag danach.
       
       Am Tag danach werden wir – jede und jeder einzelne von uns – immer und
       immer wieder zuhören müssen, [2][was die Palästinenser uns erzählen
       werden]. Davon, wie sie sich gefreut hätten, als sie hörten, der Grenzzaun
       sei durchbrochen, aber die Tragweite des Ganzen nicht verstanden; davon,
       wie die Euphorie schnell in Angst vor Rache umgeschlagen sei, und von der
       wenigen Zeit, die verstrich, bis diese dann einsetzte. Sie werden uns
       erzählen, wie verängstigt sie gewesen seien, als die israelische Armee
       ihnen Mal um Mal mitteilte, sie müssten ihr Zuhause und ihre jeweilige
       Bleibe verlassen, weil es dort nicht sicher sei, und in Richtung Süden
       gehen, danach in Richtung Westen und dann nochmal nach Norden, und wie die
       Gerüchte sie getrieben hätten, sich jedes Mal woanders zu verstecken, und
       wie sie dabei auch auf die Hamas gestoßen seien, die sie gestoppt und
       drangsaliert habe. Wie sie ihre Kinder geschützt hätten, weil diese unser
       aller Zukunft seien, wie es ihnen unterwegs aber nicht gelungen sei, allen
       Menschen zu helfen, die nicht weiter konnten, und das waren viele, darunter
       Alte und schwangere Frauen, die nicht einfach alles verlassen und gehen
       konnten.
       
       Und sie werden erzählen, wie Raketen und Bomben neben ihnen eingeschlagen
       seien, die Erde zum Erbeben gebracht hätten und wie sie durch die Luft
       geflogen seien. Wie sie auf Leichen gestoßen seien, zum ersten Mal in
       diesem Krieg, aber nicht zum ersten Mal in ihrem Leben, wegen all der
       vorherigen Kriege. Leichen, die Augenblicke zuvor noch lebende Menschen
       gewesen waren. Und wie immer mehr ihrer Freunde und Verwandten lebendig bei
       den Bombardements begraben worden seien; ganze Familien, Alte, Frauen und
       Kinder seien einer nach dem anderen durch eine Bombe ausgelöscht worden.
       Und dass es fast niemanden in Gaza gebe, dessen Familie nicht einen hohen
       Preis an Menschenleben entrichtet habe. Dass sehr viele ihre Töchter und
       Söhne verloren hätten.
       
       Und sie werden erzählen, wie sie versucht hätten, den Verletzten zu helfen,
       obwohl es kaum noch medizinisches Versorgungsmaterial gegeben habe. Wie
       sie, wenn sie es zu einem Krankenhaus geschafft hätten, erkannt hätten,
       dass es nicht mehr als solches diente, und sie gezwungen worden seien, auch
       von dort zu fliehen. Sie werden erzählen, wie sie vom Tod eines Angehörigen
       ersten oder zweiten Grades erfahren hätten, und natürlich auch von Freunden
       und Bekannten, die getötet worden seien, und wie sie nach Vermissten
       gesucht hätten und immer noch suchen würden. Und wie sie sich bald nur noch
       versteckt hätten, um die israelischen Angriffe zu überleben, aber vor
       lauter Angst und infernalischem Lärm keinen Schlaf gefunden hätten, und wie
       sie sich schutzlos auch an Orten gefühlt hätten, die als geschützt
       ausgegeben worden waren.
       
       Und wie ihre Kinder gehungert hätten, sie ihnen nicht hätten helfen können;
       und wie sie als Flüchtlinge in improvisierten Zeltlagern hätten hausen
       müssen, ohne elektrischen Strom und einfachste sanitäre Einrichtungen, da
       die meisten ihrer Häuser zerstört worden seien und es nichts gebe, wohin in
       Gaza sie zurück können. Die zweite, dritte oder vierte Generation der
       Flüchtlinge von 1948, die nun selbst zu Flüchtlingen geworden sind.
       
       Und sie werden erzählen, wie sie von Seiten israelischer Soldaten
       Erniedrigungen und Demütigungen erfahren hätten, wie diese sie beschimpft
       und Hetzparolen an die Mauern gesprayt hätten, wie sie Häuser geplündert
       und sie selbst misshandelt hätten. In der Zwischenzeit hätten sie das
       Ausmaß der Zerstörung und vor allem des Tötens realisiert, hätten nicht
       glauben können, dass ausgerechnet jüdische Menschen, deren kollektive
       Erinnerung an den Holocaust sehr stark ist, zu etwas fähig seien, was in
       ihren Augen Kriegsverbrechen, ja Verbrechen gegen die Menschlichkeit seien.
       
       Am Tag danach werden wir auch die Geschichten der Palästinenser aus dem
       Westjordanland hören, die die Besatzung beständig weiter schikaniert und
       von ihrem Land vertrieben habe. Die Aufmerksamkeit für ihr Leid aber sei
       verschwunden, weil der Krieg ja scheinbar woanders stattfindet, doch auch
       von ihnen wurden Hunderte in jenen Monaten getötet.
       
       Und wir werden die Geschichten der Palästinenser aus Ostjerusalem hören,
       die Angst gehabt hätten, zu ihrer Arbeit ins Hadassah-Krankenhaus in Ein
       Kerem im Westteil der Stadt zu fahren, wo sie als Krankenschwestern und
       Pfleger mit Juden zusammenarbeiteten, unterwegs dorthin in der Stadtbahn
       seien sie Drohungen und Verunglimpfungen ausgesetzt gewesen. Und wir werden
       die Geschichten der Palästinenser aus Israel hören, die wir noch immer als
       „israelische Araber“ bezeichnen, wie man ihnen ihren Job gekündigt, sie von
       den Universitäten geworfen habe, wie sie geächtet und verfolgt worden
       seien, nur weil sie Empathie und Mitgefühl für die palästinensische Seite
       gezeigt hatten, nachdem ihre Familienangehörigen in Gaza getötet worden
       waren.
       
       Am Tag danach werden uns die Palästinenser von der israelischen Besatzung
       erzählen und was diese für ihr Leben bedeutet. Sie werden uns von Rassismus
       erzählen, von Diskriminierung, von Gewalt gegen sie, nicht nur durch
       Einzelne, sondern auch von Seiten der Polizei, der Armee und des Staates.
       Sie werden uns erzählen von der Gewalt der Siedler, die mit den Jahren sehr
       zugenommen habe, vor allem jedoch von den Unterdrückungspraktiken des
       Staates: von den Beschränkungen der Bewegungsfreiheit, von der
       fortschreitenden Reduzierung ihres Lebensraums, von ihrem begrenzten Zugang
       zu Wasser und Elektrizität und vor allem von den Arbeitserlaubnissen, für
       die sie durch sieben Fegefeuer müssten, um sie zu erhalten.
       
       Sie werden uns vom Recht erzählen, das unter der israelischen Besatzung nur
       ein Mittel der Vertreibung sei. Von Gesetzen, die wir nicht gekannt haben,
       weil sie uns nicht betreffen, obschon der Oberste Gerichtshof sie bewilligt
       hat. Sie werden erzählen von Administrativhaft, von Misshandlungen und
       Folter, vom verwehrten Recht, sich selbst als Palästinenser zu definieren.
       Sie werden uns erzählen, wie sie versucht hätten, gegen das System zu
       kämpfen, doch dass sie wie einer von Kafkas Helden am Ende zum Beispiel
       gezwungen worden seien, das von ihnen mit eigenen Händen errichtete Haus
       wieder zu zerstören, um die Kosten für die „Absicherung“ zu sparen, die sie
       hätten bezahlen müssen, wenn staatliche Stellen ihre Häuser abgerissen
       hätten.
       
       Sie werden uns erzählen, wie Menschen nicht nur ihren Besitz und ihr Heim
       verloren hätten, sondern auch verletzt oder gar getötet worden seien, wie
       verwaiste Kinder und Witwen zurückblieben, wie Töchter und Enkelkinder
       starben. Sie werden erzählen vom Leben im Gazastreifen nach der
       „Abkoppelung“, dem israelischen Abzug 2005, wie sie unter einem Zustand der
       Belagerung gelebt hätten, getrennt von ihren Familien in Israel, auf der
       Westbank und im Ausland. Davon, wie ihnen Nahrungsmittel, Waren und
       Medikamente vorenthalten worden seien. Wie die Versorgung mit Strom und
       Wasser ständig begrenzt gewesen sei und die Fischer daran gehindert wurden,
       sich vom Strand zu entfernen und weit genug aufs Meer hinauszufahren. Wie
       die Arbeitslosigkeit immer größer und das Leben schier unerträglich
       geworden sei. Und natürlich werden sie von den ununterbrochenen Kriegen und
       Militäreinsätzen erzählen, die fortwährend Menschenleben kosteten.
       
       Und dann werden wir entscheiden müssen, wie wir reagieren. Ob wir ihren
       Geschichten zuhören? Ob es uns gelingt, Tränen zuzulassen und mit ihnen zu
       fühlen? Ob wir vielleicht sogar irgendwann mit ihnen werden lachen können?
       
       Werden wir gemeinsame Geschichten des Leids entdecken können – wohl ein
       bisschen unterschiedlich und doch einander ähnelnd, Geschichten darüber,
       was jenseits des Zauns geschehen ist und was hier bei uns? Wohin wird
       unsere Scham uns tragen und wohin vor allem die Verantwortung? Werden wir
       ihnen Empathie entgegenbringen können, so wie sie sie uns gegenüber zeigen
       werden? Und muss man überhaupt erst darauf warten, dass die andere Seite
       damit beginnt?
       
       Schon heute gibt es ähnliche Begegnungen, gibt es Initiativen wie
       [3][Parents Circle], ein Forum israelischer und palästinensischer Familien,
       die durch den Konflikt Angehörige verloren haben, gibt es Bildungs- und
       Dialogeinrichtungen wie [4][Givat Haviva] oder die [5][Combatants for
       Peace], die sich allesamt um einen Dialog zwischen den Narrativen bemühen.
       
       Werden wir am Tag danach gemeinsam wachsen können? Werden wir die andere
       Seite akzeptieren können? Wird es uns gelingen, wieder Verbindungen
       aufzubauen und die Wunden zwischen uns zu schließen? Schon seit Jahren
       bemüht sich eine zivilgesellschaftliche Initiative namens Have You Seen the
       Horizon Lately? darum, zu einer Zusammenarbeit zwischen Palästinensern und
       Juden zu ermutigen, und noch viel länger zurück liegt die Gründung von
       Wahat al-Salam/Neve Shalom, einem gemeinschaftlichen Dorfprojekt von
       Palästinensern und Juden, in dem sie nicht nur zusammenleben, sondern auch
       gemeinsam unterrichten, erziehen und lehren, wie man Gruppen bei derart
       aufgeladenen Treffen anleitet.
       
       Am Tag danach werden wir unsere Geschichte nicht nur den Palästinensern
       erzählen, sondern auch den Freiwilligen aus der ganzen Welt. Sie werden zu
       uns kommen, um zu sehen, wie wir Frieden von unten schaffen, werden uns
       helfen, unsere Beziehung zu den Palästinensern wieder zu erneuern, werden
       zu uns kommen und uns helfen, uns wieder zu rehabilitieren, das Vertrauen
       neu aufzubauen zwischen uns und ihren Staaten und zwischen uns und den
       Palästinensern. Sie werden für einige Zeit in unseren Gemeinden leben,
       werden uns bei einfacheren und komplizierteren Rehabilitationsaufgaben
       begleiten und dabei unserer Geschichte lauschen.
       
       Sie werden zwischen verschiedenen Gemeinden wechseln, zwischen
       palästinensischen und israelischen, und werden gemeinsam mit uns die
       Flicken wieder zusammenfügen. Studenten aus Harvard werden mit Überlebenden
       der Massaker im Kibbuz Be’eri und auf dem Nova-Festival zurück zu den Orten
       gehen, werden uns für einen Dokumentarfilm interviewen, in dem es auch
       Interviews geben wird mit Flüchtlingen aus Shuja’iyya, die nach Rafah
       vertrieben wurden, nur um dort dann Zeugen eines Massakers zu werden.
       
       Chinesische Ingenieure werden helfen, in Gaza eine Stadtbahn zu bauen,
       werden sich Geschichten vom Bau der Tunnel anhören und wie diese benutzt
       wurden, werden von befreiten israelischen Soldaten Geschichten über die
       Kämpfe in den Tunneln hören, werden auch den Geschichten von Palästinensern
       lauschen, deren Angehörige ihr Leben ließen wegen der Hamas, und die
       Geschichten israelischer Familien, deren entführte Liebsten
       irrtümlicherweise durch die israelische Armee getötet wurden.
       
       Deutsche Psychoanalytiker werden kommen, um die israelischen Piloten zu
       behandeln, die Ziele bombardiert und Unschuldige getroffen haben. Sie
       werden auch Hamas-Leute behandeln, die an Gräueltaten oder Kampfhandlungen
       beteiligt waren und die nun im Entradikalisierungsprozess sind. Sie werden
       die Palästinenser nach Yad Vashem begleiten und die Israelis ins Museum der
       Nakba, um erlittenes Leid gegenseitig anzuerkennen. Die internationalen
       Freiwilligen werden von dem Gesundungsprozess berichten, der hier
       stattfindet und der anderen Staaten auf der Welt als Inspiration dienen
       kann.
       
       Am Tag danach werden Friedensorganisationen große Etatmittel zur Verfügung
       gestellt bekommen, die ihnen vor allem helfen werden, mit ihrer Erfahrung
       Begegnungen zu koordinieren und Projekte anzustoßen. Solche Initiativen
       haben bislang für ihr Eintreten sehr viel Kritik und Delegitimierung durch
       die israelische Gesellschaft erfahren. Am Tag danach werden wir endlich
       ihre Arbeit anerkennen und uns ihnen vielleicht sogar anschließen. Wir
       werden von den Ungerechtigkeiten lesen – zum Beispiel bei Organisationen
       wie B’tselem, Zochrot oder Ir Amim –, die in unserem Namen begangen wurden,
       von Unrecht und den Übergriffen gegen unbescholtene Bürger auf
       verschiedenen Wegen. Am Tag danach werden wir verstehen, dass diese
       Organisationen nicht „die schmutzige Wäsche öffentlich waschen wollen“,
       sondern dass sie versuchen, uns schon seit Jahren aufzuwecken, damit wir
       die Realität sehen, und uns zu ermutigen, diese zugunsten unserer beiden
       Völker zu verändern.
       
       Deswegen werden wir alle Shovrim Shtika ([6][Breaking the Silence])
       beitreten, dem [7][Sprachrohr ehemaliger und aktiver Soldaten], denn auch
       wir haben in der Armee gedient, wenn auch vielleicht nicht in den besetzten
       Gebieten, und so verstehen wir dennoch heute den ungeschriebenen Vertrag
       zwischen dem Staat und uns als potenziellen Soldaten: Der Staat hat uns
       physisch zu schützen und einen moralisch-ethischen Rahmen zu gewährleisten,
       und wir sind verantwortlich dafür, dass dieser Vertrag eingehalten wird.
       
       Am Tag danach werden wir uns bei [8][dialogtogether] nach Möglichkeiten
       einer Koexistenz mit den Palästinensern erkundigen, werden unsere Kinder
       auf eine zweisprachige, hebräisch-arabische Schule schicken und auf der
       Homepage von aChord über die Arbeit in „gemischten Organisationen“
       informieren.
       
       Der Tag danach hat längst begonnen. Und wir sind es, die über sein Drehbuch
       entscheiden. Wir sind es, die mehr oder weniger bewusst, in unserem
       Verhalten, in unserem Alltag und in der Sprache, die wir verwenden, durch
       die Verbindungen, die wir eingehen und pflegen, bestimmen, wie der Tag
       danach aussieht.
       
       Übersetzung aus dem Hebräischen von [9][Markus Lemke]
       
       5 Oct 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Historiker-Herf-ueber-Antisemitismus/!6005857
   DIR [2] /Ueberleben-im-Gazastreifen/!6034696
   DIR [3] https://www.theparentscircle.org/en/homepage-en/
   DIR [4] https://www.givat-haviva.net/
   DIR [5] https://cfpeace.org/
   DIR [6] https://www.breakingthesilence.org.il/
   DIR [7] /Kommentar-Breaking-the-Silence/!5302597
   DIR [8] https://dialogtogether.com/en/
   DIR [9] https://de.wikipedia.org/wiki/Markus_Lemke
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Avi Kotsere-Burg
       
       ## TAGS
       
   DIR Longread
   DIR Lesestück Recherche und Reportage
   DIR Israel
   DIR Hamas
   DIR Schwerpunkt Utopie nach Corona
   DIR GNS
   DIR Gaza
   DIR Frieden und Krieg
   DIR wochentaz
   DIR Naher Osten
   DIR wochentaz
   DIR Antisemitismus
   DIR Schwerpunkt Nahost-Konflikt
   DIR Schwerpunkt Nahost-Konflikt
   DIR Schwerpunkt Nahost-Konflikt
   DIR Schwerpunkt Nahost-Konflikt
   DIR Schwerpunkt Nahost-Konflikt
   DIR Schwerpunkt Nahost-Konflikt
   DIR Longread
   DIR Gaza
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Nahost-Autor über Frieden: „Es wird ein Land für alle sein“
       
       Die Chancen auf ein Ende der Gewalt in Israel und Palästina sind gering.
       Dennoch glaubt Peter Beinart an eine bessere Zukunft. Wie sie gelingen
       könnte.
       
   DIR Antisemitismus in Sachsen-Anhalt: Stolpersteine in Zeitz gestohlen
       
       Unbekannte haben am Jahrestag des Hamas-Massakers die zehn Gedenksteine
       herausgerissen, die in Zeitz an NS-Opfer erinnern. Der Staatsschutz
       ermittelt.
       
   DIR 7. Oktober – ein Jahr danach: Hoffen auf die nächste Generation
       
       Leid und Hass dominieren seit Jahrzehnten den Konflikt im Nahen Osten. Gibt
       es einen Weg raus? Wünsche, Appelle und Erwartungen an junge Menschen.
       
   DIR 7. Oktober – ein Jahr danach: Es fühlt sich an wie ein Riss
       
       Wie geht das Leben weiter in Deutschland nach dem 7. Oktober? Ein
       persönlicher Essay über Jüdischsein, über Solidarität und tiefe Gräben.
       
   DIR 7. Oktober – ein Jahr danach: Wohin nach dem Bruch?
       
       Der israelische Kibbuz Kfar Aza war vom Hamas-Überfall schwer betroffen.
       Einige Bewohner sind jetzt zurückgekehrt, andere suchen noch nach ihrem Weg
       zu einer neuen Heimat.
       
   DIR Historikerin über Nahost-Konflikt: „Israelis umarmen, Netanjahus in den Hintern treten“
       
       Israels Regierung hat längst die Unterstützung von großen Teilen der
       Bevölkerung verloren, sagt die Historikerin Fania Oz-Salzberger.
       
   DIR Kollektives Trauma nach 7. Oktober: L’Chaim, auf das Leben!
       
       Wie umgehen mit dem tiefen Schmerz und der anhaltenden Bedrohung? Der Autor
       Marko Martin hat Gespräche mit Israelis geführt über ein kollektives
       Trauma.
       
   DIR Israelischer Psychologe über Krieg: „Die Soldatenmatrix ist hartnäckig“
       
       Robi Friedman beschäftigt sich schon lange mit der Frage, wie Krieg eine
       Gesellschaft verändert. Jetzt kann er es in seiner Heimat Israel tagtäglich
       erleben.
       
   DIR Stimmen aus Gaza: „Die Abende sind am schlimmsten“
       
       Im Gazastreifen fehlt es an fast allem. Fünf Menschen erzählen vom Alltag
       im Krieg, über die Hamas spricht keiner.
       
   DIR Angriff auf Israel: „Wir rannten, Richtung Sonne“
       
       Bar Vilker, Galit Goldcher und Raz Ronen haben das Massaker der Hamas
       überlebt. Nun trauern sie zusammen und fürchten um ihren Freund Schahak.