URI: 
       # taz.de -- Berliner Haushaltslücke: „Sie müssen nicht besorgt sein“
       
       > Schwarz-Rot behauptet, die Finanzmisere im Griff zu haben. Die
       > Linksfraktion hingegen befürchtet, dass Berlin künftig nicht mehr
       > funktionsfähig ist.
       
   IMG Bild: Die Linksfraktion im Abgeordnetenhaus sieht die schwarz-rote Koalition und mit ihr ganz Berlin ungebremst auf den Abgrund zurasen
       
       Berlin taz | Sie sprechen alle Deutsch, sie geben vor, nicht nur über den
       gleichen, sondern denselben Haushalt zu reden. Und trotzdem wirkt nicht so,
       als würden die, die am Mittwoch im Abgeordnetenhaus über Berlins
       Finanzmisere diskutieren, einander verstehen. Für die schwarz-rote
       Koalition scheint es noch nicht einmal ein Desaster zu sein, drei
       Milliarden einsparen zu müssen. Für die Linksfraktion hingegen droht das
       Chaos. „Der Senat Wegner fährt mit 220 km/h auf eine Abbruchkante der
       Finanzen zu“, hat sie in einem Analysepapier formuliert.
       
       Grüne wie Linkspartei fordern seit Monaten mehr Transparenz bei dem
       Versuch, aus dem im Dezember beschlossenen Haushalt für 2024 und 2025
       besagte drei Milliarden Euro rauszustreichen. „Hinterzimmerpolitik“ werfen
       sie dem Senat vor. Der kontert damit, es sei ein völlig normales Verfahren,
       die Dinge erst mal koalitionsintern zu klären, um nicht für Unsicherheit zu
       sorgen. Das sei nicht anders gewesen, als Linkspartei und Grüne bis
       Frühjahr 2023 mitregierten, [1][versicherte vorige Woche etwa Bausenator
       Christian Gaebler (SPD)].
       
       An diesem Mittwoch haben die beiden Oppositionsfraktionen im Hauptausschuss
       des Parlaments eine Besprechung ansetzen lassen, um doch noch mehr Klarheit
       zu schaffen. Sie sehen das mit der Verunsicherung genau anders herum als
       CDU und SPD: Nicht zu wissen, ob es ab dem 1. Januar überhaupt wie im
       Haushaltsplan für 2025 beschlossen Geld für sie gibt, beunruhige viele
       Organisationen und Einrichtungen zutiefst. Denn Finanzsenator Stefan Evers
       (CDU) hat jüngst per Rundschreiben seine Senatskollegen angewiesen, keine
       Finanzierungsbescheide mehr zu versenden oder sonst wie offiziell Geld
       zuzusagen.
       
       Doch während Tobias Schulze, der Chef der Linksfraktion, am Vormittag noch
       befürchtete, „dass die Stadt in den nächsten Jahren nicht mehr
       funktionsfähig ist“, gibt sich Schwarz-Rot in der Ausschusssitzung
       tiefenentspannt. „Sie müssen nicht besorgt sein“, ist vom langjährigen
       Abgeordneten Heiko Melzer zu hören, einem der führenden Leute bei der CDU.
       
       ## Entscheidung im November
       
       Wie sich die drei Milliarden tatsächlich aus den für 2025 eingeplanten rund
       40 Milliarden heraussparen lassen, von denen mindestens ein Drittel für
       Gehälter und Mieten fest gebunden ist, bleibt auch an diesem Tag offen.
       Binnen eines Monats aber, so das Versprechen nun Parlament, will sich
       Schwarz-Rot geeinigt haben und sein Konzept im November öffentlich machen.
       
       Die Koalition gibt immerhin zu erkennen, dass sie einen kleineren Teil
       nicht kürzen, sondern durch neue Einnahmen zusammenbekommen will. Darauf
       drängen auch Linkspartei und Grüne – der Job von Finanzsenator Evers dürfe
       sich nicht aufs Kürzen beschränken, er müsse auch für Einnahmen sorgen,
       fordern sie.
       
       Die Linke sieht etwa Potenzial bei der Grunderwerbs-, der Übernachtungs-
       und der Zweitwohnungssteuer. Aus ihrer Sicht bräuchte man nur eine
       Milliarde einzusparen, je eine weitere könnte demnach über zusätzliche
       Einnahmen und eine besondere Kreditform kommen, [2][die nicht unter die
       Schuldenbremse fällt].
       
       Was auch in dieser Sitzung zu erleben ist: dass sich beide Seiten die
       Verantwortung für das Milliardendefizit zuschieben. „Sie haben’s verzapft,
       mit falschen strukturellen Entscheidungen“, sagt SPD-Chefhaushälter Torsten
       Schneider Richtung Grüne und Linkspartei. Was er dabei nicht sagt: dass er
       selbst während der erst vor knapp 18 Monaten zu Ende gegangenen
       rot-grün-roten Koalition auch Chefhaushälter und ein wesentlicher Macher
       war.
       
       ## Schwarz-Rot erhöhte Ausgaben
       
       Die Opposition erinnert hingegen daran, dass die Koalition die Ausgaben
       selbst erhöhte. Erst [3][vor noch nicht mal elf Monaten] einigte sich
       Schwarz-Rot auf zusätzliche 800 Millionen Euro – zwei Monate später
       konstatierte CDU-Finanzsenator Evers dann [4][als Gast einer
       SPD-Klausurtagung] ein Haushaltsloch von drei bis fünf Milliarden.
       
       9 Oct 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Berliner-Haushaltspolitik/!6036924
   DIR [2] https://www.bpb.de/kurz-knapp/lexika/das-junge-politik-lexikon/321093/schuldenbremse/
   DIR [3] /Berliner-Doppelhaushalt-2024-und-2025/!5974654
   DIR [4] /SPD-Fraktionsklausur-in-Leipzig/!5988227
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Stefan Alberti
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwarz-rote Koalition in Berlin
   DIR Stefan Evers
   DIR Haushalt
   DIR Schwarz-rote Koalition in Berlin
   DIR Schwarz-rote Koalition in Berlin
   DIR Stefan Evers
   DIR Schwarz-rote Koalition in Berlin
   DIR Komische Oper Berlin
   DIR Abgeordnetenhaus
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Haushaltsmisere in Berlin: Wer jetzt kein Geld hat, druckt sich keines mehr
       
       Berlin ist samt seiner Regierung in den Herbstferien. Wann endlich Klarheit
       über die 3-Milliarden-Einsparungen im Haushalt herrscht, ist völlig offen.
       
   DIR Krise im Berliner Landeshaushalt: Frust und Flopps
       
       Die Grünen im Abgeordnetenhaus ziehen mit Unterstützung eine wenig
       schmeichelhafte Zwischenbilanz für die schwarze-rote Landesregierung.
       
   DIR Berlins Haushaltsmisere: Rettung auch auf Pump
       
       Sparen und Kürzen allein wird nicht reichen, um den Landeshaushalt
       auszugleichen. Gleich auf zwei Wegen sollen auch Kredite weiterhelfen.
       
   DIR Berliner Haushaltspolitik: Verschobene Entscheidung
       
       Der Senat hatte bis Ende September Klarheit bei der 3-Milliarden-Einsparung
       im Haushalt angekündigt. Stattdessen kommt jetzt ein Ausgabenstopp.
       
   DIR Komische Oper Berlin bedroht: Nicht mehr komisch
       
       Dem Musiktheater droht das Aus der Sanierung seines Stammsitzes. Der
       ehemalige Intendant Barrie Kosky schlägt in einem offenen Brief Alarm.
       
   DIR Spardebatte im Berliner Abgeordnetenhaus: Koalition verteidigt Sparkurs
       
       Im Parlament bereitet Finanzsenator Stefan Evers (CDU) Berlin darauf vor,
       mit weniger Geld im Haushalt auszukommen. Die Opposition übt scharfe
       Kritik.