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       # taz.de -- Hurrikans in den USA: It’s the Klimawandel, stupid!
       
       > Die Erderwärmung macht zerstörerische Hurrikans wahrscheinlicher, sagen
       > Wissenschaftler. Vor allem das wärmere Meerwasser ist verhängnisvoll.
       
   IMG Bild: Gleich drei Hurrikans zogen Anfang Oktober 2024 gleichzeitig über den Nordatlantik
       
       BERLIN taz | Das hat es im Oktober noch nie gegeben: Gleich drei Hurrikans
       tobten zur gleichen Zeit über dem Atlantik. „Kirk“ war der erste, er zog
       Richtung Europa, schwächte sich ab und fegte in der Nacht zu Donnerstag als
       Orkan über Deutschland hinweg, was vor allem im Südosten zu Problemen im
       Bahnverkehr führte. Hurrikan „Leslie“ ist derzeit noch im Ostatlantik
       unterwegs, von diesem Hurrikan hört man allerdings kaum etwas, weil er
       tobt, ohne ein Land zu bedrohen. [1][Und nun schließlich „Milton“ über
       Florida].
       
       Die Namen der Tropenstürme, die sich im Golf von Mexiko, der Karibik oder
       dem Nordatlantik bilden, werden vom National Hurricane Center der USA
       vergeben. Dafür gibt es sechs alphabetische Listen mit je 21 Vornamen, alle
       sechs Jahre ist die Reihenfolge also gleich. Nach „Milton“ ist in diesem
       Jahr „Nadine“ dran, dann folgen „Oscar“ und „Patty“ – falls die
       Hurrikan-Saison noch nicht zu Ende ist.
       
       Für die Bildung solcher Wetterereignisse sind nämlich
       Oberflächentemperaturen oberhalb von 26 Grad notwendig – und zwar
       wenigstens bis in eine Tiefe von 50 Metern. Hurrikane beziehen ihre Energie
       durch die freiwerdende Wärme, die bei der Kondensation des Ozeanwassers
       freigesetzt wird. Normalerweise sank die Wassertemperatur bisher im Herbst
       stets unter 26 Grad.
       
       Aber das war vor dem Klimawandel. Die Ozeanerwärmung hat sich in den
       vergangenen 20 Jahren fast verdoppelt, wie eine Untersuchung des
       Erdbeobachtungsprogramms Copernicus der EU zeigt. In manchen
       Atlantikregionen lag die Temperatur dieses Jahr 5 Grad über dem
       langjährigen Durchschnitt. 2024 war das vierte Jahr in Folge mit einem
       Hitzerekord. Wärmeres Wasser hat heftigere Tropenstürme zur Folge. „Eine um
       2 Grad gestiegene Wassertemperatur führt zu einer Windgeschwindigkeit, die
       um 80 Prozent höher liegt“, sagt ARD-Meteorologe Karsten Schwanke.
       
       ## Immer unberechenbarer, aber immer wahrscheinlicher
       
       [2][Erst vor zwei Wochen hatte Hurrikan „Helene“ den Südosten der USA
       verwüstet], 230 Menschen verloren dabei ihr Leben. Er war nach „Katrina“
       2005 der folgenschwerste Sturm der letzten 50 Jahre in den USA. Eine Studie
       der Wissenschafts-Initiative „World Weather Attribution“ fand heraus, dass
       Hurrikan „Helene“ ohne die menschengemachte Klimaerhitzung 11 Prozent
       schwächer und der Regen um etwa 10 Prozent geringer ausgefallen wäre. Was
       nicht viel klingt, aber tatsächlich jene Wucht erzeugte, die für 230
       Menschen tödlich war. Rechnerisch müsse mit der Heftigkeit solcher Stürmen
       nun alle 53 Jahre zu rechnen sein. Die Wahrscheinlichkeit für ein
       „Helene“-Ereignis lag vor dem Klimawandel nur bei „alle 130 Jahre“.
       
       Verheerende Hurrikans gab es schon immer, wie „Matthew“ 2012 oder „Irma“
       2017, der mit 297 Kilometern pro Stunde einen Rekord aufstellte. Dennoch
       warnt die Wissenschaft, dass die Klimaerhitzung Hurrikane künftig stärker
       und noch unberechenbarer machen wird. Waren bislang hauptsächlich die
       Karibik und der Süden der USA leidgeplagt, [3][raste Hurrikan „Sandy“ 2012
       auf New York zu] und türmte den Atlantik vor den Toren der Stadt vier Meter
       auf, das Bankenviertel in Manhattan stand unter Wasser. „Beryl“, der erste
       Tropensturm, der in diesem Jahr zum Hurrikan anwuchs, brach gleich einen
       Rekord: Er erreichte am 29. Juni Windgeschwindigkeiten von 260
       Stundenkilometern, obwohl doch bislang die Saison der Hurrikans immer erst
       im Juli begann. Vorher war das Atlantikwasser immer zu kühl.
       
       Auch Richtung Europa zog bereits ein Hurrikan, 2005 raste „Vince“ auf die
       Küsten Spaniens zu und überschwemmte etliche Gebiete. 2019 sorgte „Pablo“
       für Verwunderung unter den Experten: Nie hatte sich ein Hurrikan so nah an
       Europa gebildet, „Pablo“ entstand Ende Oktober vor der Küste Spaniens und
       zog in der Kategorie 1 gegen Großbritannien und Frankreich, bevor er sich
       abschwächte.
       
       ## Auch das Absterben der Korallenriffe erhöht das Risiko
       
       Klimawissenschaftler warnen vor weiteren Effekten der Erderhitzung, die
       Hurrikanschäden verstärken. Durch den Anstieg des Meeresspiegels wird es
       noch schwerere Überschwemmungen geben, warnt beispielsweise Anders
       Levermann, Leiter der Komplexitätsforschung am Potsdam-Institut für
       Klimafolgenforschung PIK. Zudem führe das Absterben der Korallenriffe in zu
       heißen Gewässern dazu, dass natürliche Schutzbarrieren vor den Küsten
       wegfallen und das aufgepeitschte Meer dann ungebremst an Land rasen kann.
       
       Ob das wärmere Atlantikwasser auch die Zahl der Hurrikane ansteigen lässt,
       ist wissenschaftlich bislang noch nicht erwiesen. Allerdings gibt es einen
       Trend: So wurden die meisten bislang im Jahr 2020 registriert, gefolgt von
       den Jahren 2005, 2021 und 2023. Die Saison endet im November.
       
       10 Oct 2024
       
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