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       # taz.de -- Zur Lage der Linkspartei: „Das ist auch eine Zäsur“
       
       > Der Osten war eine sichere Bank, sagt Katina Schubert, Vize-Bundeschefin
       > der Linken. Nach der Brandenburg-Niederlage müsse die Partei
       > zusammenhalten.
       
   IMG Bild: Katina Schubert, stellvertretende Bundesvorsitzende der Linken und Abgeordnete in Berlin
       
       taz: Frau Schubert, wie haben Sie geschlafen nach dem erschütternden
       Wahlergebnis für die Linke in Brandenburg?
       
       Katina Schubert: Nicht so gut.
       
       taz: Was geht Ihnen durch den Kopf? 
       
       Schubert: Ich frage mich natürlich nach den Gründen. Es gibt Gründe, die
       liegen bei uns selbst. Aber von der Wahlstrategie der anderen Parteien her
       hatten wir es auch nicht in der Hand, alles besser zu machen.
       
       taz: Ihr Brandenburger Spitzenkandidat Sebastian Walter hat am Sonntagabend
       gesagt, die Linke sei von allen Seiten zerschreddert worden.
       
       Schubert: Im Ergebnis ist das so.
       
       taz: Wenn man sich [1][die Wählerwanderung] anguckt, hat Ihre Partei in
       Brandenburg am meisten an das BSW verloren. Gibt es so etwas wie einen
       Hauptgrund für die großen Verluste?
       
       Schubert: Sagen wir mal so: Das Innenleben unserer Partei ist durch den
       jahrelangen Streit einfach nachhaltig gestört gewesen. Zerstrittene
       Parteien werden nicht gewählt. Und uns wird nachgesagt, wir seien
       zerstritten. Dabei erfüllen wir dieses Image eigentlich gar nicht. Die
       Bereitschaft zur Einigung ist nach der Abspaltung des BSW sehr viel größer
       geworden. Aber es braucht Zeit, bis sich das in der öffentlichen
       Wahrnehmung durchsetzt. Insofern ist das auch eine Zukunftsaufgabe, dass
       sich die Wahrnehmung der Partei verändert und wir als die Partei der
       sozialen Gerechtigkeit, der Wahrung der Menschenrechte und solidarischen
       Demokratie gelten.
       
       taz: Wenn man, wie jetzt am Sonntag geschehen, aus dem Landtag fliegt, wird
       das schwer.
       
       Schubert: Ja, das ist dramatisch. Es ist das erste Mal, dass die Linke in
       den ostdeutschen Ländern nicht mehr in einem Landtag vertreten ist. Für uns
       ist das auch eine Zäsur. Der Osten war eine sichere Bank. Jetzt sind wir
       erstmalig tatsächlich eine gesamtdeutsche Partei mit den gleichen Problemen
       im Osten wie im Westen. Mit einer Fraktion im Landtag ist es viel
       einfacher, vor Ort verankert zu sein, Strukturen aufzubauen und um
       Mitglieder zu werben, als wenn man das aus einer außerparlamentarischen
       Oppositionsrolle heraus macht.
       
       taz: Es heißt, die Linke hätte in letzter Zeit viele neue Mitglieder
       gewonnen. Was heißt das in Zahlen? 
       
       Schubert: Seit dem Abgang der Wagenknecht-Truppe haben wir bundesweit 8.000
       Mitglieder gewonnen. Wir haben auch welche verloren, aber wir haben einen
       positiven Mitgliedersaldo. Man muss aber dazusagen, dass es eine etwas
       asynchrone Mitgliedsentwicklung gibt. Nicht überall kommen gleichermaßen
       Leute zu uns.
       
       taz: Wo haben Sie zugelegt? 
       
       Schubert: Vor allem in den großen Städten haben wir hervorragende
       Mitgliedsgewinne. In Berlin, Leipzig, Frankfurt am Main, Hamburg, in den
       urbanen Zentren sind viele zu uns gekommen, während wir im ländlichen Raum
       eher eine Stagnation haben.
       
       taz: Im Herbst steht Ihr Bundesparteitag an, auf dem sich auch eine neue
       Parteiführung zur Wahl stellt. Was ist das Gebot der Stunde?
       
       Schubert: Erst mal ist wichtig, die Fliehkräfte möglichst kleinzuhalten.
       Wir müssen unsere Partei jetzt zusammenhalten. Wir müssen solidarisch
       miteinander umgehen, und natürlich müssen wir die Gründe für die schlechten
       Wahlergebnisse weiter analysieren, entsprechende Schlussfolgerungen auch
       für das nächste Jahr ziehen: Das muss das oberste Gebot sein. Die Hamburger
       Bürgerschaftswahlen im März müssen gut für uns ausfallen. Das ist ein
       wichtiges Etappenziel, dann die Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen und
       dann die Bundestagswahlen im Herbst. Das ist natürlich das große Ziel: Wir
       müssen wieder in den Bundestag einziehen.
       
       taz: Auf Brandenburg könnte jetzt eine Koalition aus SPD und BSW zukommen,
       [2][möglicherweise auch mit der CDU]. Was assoziieren Sie mit solchen
       Bündnissen? 
       
       Schubert: Was es konkret wird, werden wir sehen. Aber so oder so: Das ist
       ein Regierungsbündnis des Rückschritts.
       
       taz: Zulasten von wem? 
       
       Schubert: Rückschritt im Sinne von fortschrittlicher Gesellschaftspolitik.
       Das wird zulasten von Menschen mit Migrationshintergrund gehen und zulasten
       einer vernünftigen gesellschaftlichen Klimapolitik, es wird
       Standort-Egoismus befördern. Das BSW hat null Ahnung von diesen Dingen und
       null Regierungserfahrung.
       
       taz: Fühlen Sie sich als Verlierer mit den Brandenburger Grünen verbunden,
       die es auch nicht über die 5-Prozent-Hürde geschafft haben?
       
       Schubert: Das tut mir auch für die Grünen leid. Das, was im Moment gegen
       die Grünen und auch gegen uns aufgefahren wird, ist Ausdruck einer Kampagne
       einer retardierenden Gesellschaft. Alles, was diese Gesellschaft als
       vielfältige Gesellschaft kennzeichnet, soll zurückgedreht werden:
       Klimagerechtigkeit spielt keine Rolle mehr; soziale Gerechtigkeit bedeutet
       Gerechtigkeit für Deutsche, aber nicht für alle in dieser Gesellschaft. Das
       alles trifft Grüne und Linke gleichermaßen. [3][Dietmar Woidke] hat sich
       erfolgreich als Bollwerk gegen rechts inszeniert. Aber dass ihm das auch
       mit einer krassen Anti-Flüchtlingspolitik gelungen ist, das ist schon
       bitter.
       
       taz: Wie sehen Sie die Zukunft der Linken in Berlin, Sie sind ja auch
       Mitglied der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus? 
       
       Schubert: In Berlin haben wir natürlich eine Zukunft, weil wir ganz stark
       auch kommunal verankert sind. Auch unsere Verluste Richtung BSW halten sich
       in Grenzen, nur eine Person hat die Fraktion verlassen. Themen wie Wohnen
       und Mieten, wo die Linke stark ist, spielen in Berlin eine Riesenrolle.
       Unser Problem sind weniger die großen urbanen Zentren, sondern die
       Verankerung in der Fläche.
       
       23 Sep 2024
       
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