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       # taz.de -- Kündigung von säumigen Mietern: Zu spät bleibt zu spät
       
       > Ist die ordentliche Kündigung von Mietern, die ihre Schulden nachzahlen,
       > rechtmäßig? Der BGH sagt mal wieder Ja.
       
   IMG Bild: Luftaufnahme von Kreuzberg
       
       FREIBURG taz | Wenn säumige Mieter nach der Kündigung ihre Mietschulden
       begleichen, müssen sie meist dennoch ausziehen. An dieser Gesetzesauslegung
       hält der Bundesgerichtshof (BGH) auch in einem aktuellen Urteil fest. Eine
       abweichende Entscheidung des Landgerichts Berlin hoben die Richter in
       Karlsruhe am Dienstag auf.
       
       Konkret ging es um eine türkische Familie, die seit 1994 in einer
       Vierzimmerwohnung in Kreuzberg lebt. Nach der Trennung der Eltern
       entstanden Mietrückstände. Der Vermieter kündigte fristlos und ordentlich,
       das heißt mit Kündigungsfrist.
       
       Immerhin gelang es der Familie später, die säumige Miete binnen der
       sogenannten Schonfrist von zwei Monaten noch zu bezahlen. Dadurch wurde die
       Kündigung „unwirksam“, [1][wie es im Bürgerlichen Gesetzbuch heißt.]
       
       Umstritten ist aber, ob durch die Nachzahlung der Mietschulden auch die
       ordentliche Kündigung beseitigt wird. Der BGH vertritt seit 2005 die
       Auffassung, dass die ordentliche Kündigung trotz der Schonfristzahlung
       bestehen bleibt. Die meisten Vermieter kündigen daher bei Mietschulden
       meist doppelt, sowohl fristlos als auch ordentlich.
       
       ## Immer wieder: Landgericht Berlin gegen Bundesgerichtshof
       
       Auch die allermeisten Gerichte folgen inzwischen dem BGH. Nur die 66.
       Zivilkammer am Landgericht Berlin, eine von fünf Mietrechtskammern des
       Berliner Landgerichts, leistet nachhaltigen Widerstand. [2][Schon seit
       Jahren] entscheidet sie unter dem Vorsitzenden Richter Rolf-Dietrich Schulz
       immer wieder anders als der BGH: Die Nachzahlung der Mietschulden beseitige
       auch die ordentliche Kündigung. Der Gesetzgeber wollte mit der
       Schonfristregelung Obdachlosigkeit vermeiden. Das könne nur gelingen, wenn
       auch die ordentliche Kündigung unwirksam werde.
       
       Regelmäßig hob der Bundesgerichtshof die Urteile der renitenten Berliner
       Mietrechtskammer auf. Das Landgericht solle sich mit der Rechtslage endlich
       abfinden, nur der Bundestag könne das Gesetz ändern. Doch die Berliner
       Richter geben nicht auf und erklären dem BGH immer wieder, dass die
       Rechtslage nicht eindeutig sei und deshalb durchaus mieterfreundlich
       ausgelegt werden könne.
       
       Auch im Fall der türkischen Familie erklärte die 66. Zivilkammer beide
       Kündigungen für unwirksam. Die Familie konnte zunächst in der Wohnung
       bleiben. Allerdings ging der Vermieter in Revision. Und natürlich hob der
       BGH jetzt das Berliner Urteil auf. Die Begründung liegt zwar noch nicht
       vor, aber dürfte mal wieder auf den Willen des Gesetzgebers verweisen.
       
       „Jetzt muss dann eben endlich der Bundestag handeln“, sagt Rechtsanwalt
       Benjamin Hersch, der die Familie am Landgericht vertreten hatte und auch
       Vorstandsmitglied [3][der linken Anwaltsvereinigung RAV ist].
       
       Im Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien heißt es tatsächlich, die
       Schonfristregelung solle evaluiert werden und bei Bedarf will man
       „entgegensteuern“. Das zuständige Bundesjustizministerium erklärte jedoch
       auf Anfrage der taz: „Die Überlegungen sind noch nicht abgeschlossen.“ Ein
       Jahr vor der nächsten Bundestagswahl wird da wohl auch nichts mehr
       passieren.
       
       24 Oct 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://bgb.kommentar.de/Buch-2/Abschnitt-8/Titel-5/Untertitel-2/Kapitel-5/Unterkapitel-1/Ausserordentliche-fristlose-Kuendigung-aus-wichtigem-Grund
   DIR [2] /Urteil-zu-Mietrueckstaenden/!5459911
   DIR [3] /40-Jahre-Republikanischer-Anwaltsverein/!5640210
       
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