URI: 
       # taz.de -- Merz gratuliert Angela Merkel: Versuch einer Annäherung
       
       > Die CDU würdigt Altkanzlerin Angela Merkel zum 70. Für die Partei spricht
       > ihr alter Widersacher Merz, der jetzt Kanzlerkandidat ist. Geht das gut?
       
   IMG Bild: Trotz Blumen zum 70. – so richtig grün werden sich Angela Merkel und Friedrich Merz wohl nicht mehr
       
       Berlin taz | Über den einen Teil des Festakts, den die CDU am Mittwochabend
       für Angela Merkel ausgerichtet hat, dürfte sich die Ex-Kanzlerin wirklich
       gefreut haben. Nachdem sie sich zu ihrem 50. und 60. Geburtstag Vorträge
       des Hirnforschers Wolf Singer über das menschliche Gehirn und des
       Historikers Jürgen Osterhammel über Zeithorizonte in der Geschichte
       gewünscht hatte, spricht zum 70. nun der Kunstgeschichtler Horst Bredekamp.
       Sein Thema: „Licht und Dunkel in Zeiten der Aufklärung“.
       
       Merkel kennt Bredekamp über ihren Mann Joachim Sauer – beide sind
       Professoren an der Berliner Humboldt Uni – und hatte sich den
       Kunstgeschichtler als Festredner gewünscht. Was die ehemalige Kanzlerin
       sonst über die Veranstaltung denkt, ist lange nicht leicht zu ergründen. Im
       Stream, der immer wieder von der Bühne zu ihr ins Publikum schwenkt, sieht
       man mal das altbekannte Merkel-Pokerface, aber manchmal auch ein
       verschmitztes Lächeln.
       
       Es ist eine komplizierte Konstellation: Ausgerechnet ihr alter Widersacher
       Friedrich Merz, der inzwischen CDU-Parteichef und Kanzlerkandidat der Union
       ist und die Partei gezielt vom Merkelismus nach rechts führt, gratuliert
       ihr im Namen der CDU in einer Ansprache. Auch für Merz ist das keine ganz
       leichte Übung. Kann das gut gehen?
       
       Anders als früher findet die Geburtstagsfeier nicht in der CDU-Zentrale
       statt, sondern in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften
       am Gendarmenmarkt. Merkel und Merz kommen gemeinsam in den Saal, hinter
       ihnen läuft Markus Söder. Das sieht schon mal versöhnlich aus – zwischen
       Merkel und Merz. Das Publikum im Saal, 200 Gäste sind gekommen, steht auf
       und applaudiert. Merkel nimmt Platz, rechts von ihr sitzt ihr Ehemann,
       links Merz, der dann auf die Bühne marschiert.
       
       ## „Liebe Angela“
       
       Der CDU-Chef würdigt die „liebe Angela“ als „Persönlichkeit, die unser Land
       geprägt hat“, lobt ihre Führung in der Euro- und Coronakrise und zitiert
       tiefsinnig Hannah Arendt: Letztlich sei es an Historikern, ein Urteil über
       Regierungen zu fällen. Er betont, welche Rolle Freiheit für Merkel spielt,
       die die Hälfte ihres Lebens in der DDR verbracht hat. [1][Auch im neuen
       Grundsatzprogramm der CDU] finde sich der Begriff Freiheit an zentraler
       Stelle.
       
       Das kann man als Versuch deuten, Gemeinsamkeit zwischen Merkel und der
       Merz-CDU zu schaffen. In dem Programm gibt es aber auch [2][all die
       Passagen, in denen die Partei bewusst mit der Merkel-Ära] bricht. „Wir
       wollen die Kontrolle über die Migration zurückerlangen“, steht da etwa.
       Und: „Der Islam, der unsere Werte nicht teilt und unsere freiheitliche
       Gesellschaft ablehnt, gehört nicht zu Deutschland.“
       
       Doch Merz will an diesem Abend nicht sticheln. Er gratuliert und äußert gar
       die Hoffnung, dass Merkel der Partei gewogen bleibe, „der du angehörst,
       nicht nur nahestehst“. Eine Anspielung auf einen Versprecher Merkels kurz
       vor der Bundestagswahl 2021, die nicht fies, sondern einladend klingt.
       Merkel lächelt.
       
       ## „Lieber Friedrich“
       
       Merkel hatte Merz 2002 vom Vorsitz der Unionsfraktion verdrängt, dieser hat
       das lange nicht verschmerzt, seitdem gilt ihr Verhältnis als zerrüttet.
       Merz, der damals aus der Politik ausstieg, hat Merkel als Kanzlerin scharf
       kritisiert, [3][ihre letzte Amtszeit gar als „grottenschlecht“ bezeichnet].
       Sie wiederum hat keinen großen Hehl daraus gemacht, dass sie ihn nicht
       vermisst. Nach dem Ende ihrer Kanzlerschaft hat Merkel CDU-Veranstaltungen
       gemieden, zu Parteitagen kam sie nicht, aus der Konrad-Adenauer-Stiftung
       zog sie sich zurück. Eine Entfremdung.
       
       Als Merkel nach dem Vortrag des Kunsthistorikers Bredekamp selbst ans
       Redepult tritt, ist davon nichts zu spüren. Sie betont, dass „wir als
       christlich-demokratische Union“ mit dem christlichen Menschenbild für die
       Herausforderungen der Zeit gut gerüstet seien. Und gratuliert Merz zur
       Kanzlerkandidatur. „Lieber Friedrich, jeder weiß, dass wir in unserem
       politischen Leben Höhen und Tiefen hatten“, sagt sie. „Kanzlerkandidat der
       Union ist etwas ganz Besonders, Ehre und Auftrag zugleich. Ich wünsche Dir
       für die nächsten Monate alles Gute und viel Erfolg, für die Union und auch
       für unser Land.“
       
       Am Ende dankt Merz Merkel für ihr Lebenswerk. Dann ein Händedruck, Blumen
       für die Altkanzlerin und ab zum Empfang. Es ist gut gegangen. Vielleicht
       sogar mehr als das. Es könnte ein zartes Zeichen der Annäherung zwischen
       den alten Antagonisten sein.
       
       26 Sep 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /CDU-Bundesparteitag/!6008674
   DIR [2] /Grundsatzprogramm-der-CDU/!6006217
   DIR [3] /Machtkampf-in-der-CDU/!5635361
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sabine am Orde
       
       ## TAGS
       
   DIR CDU
   DIR Schwerpunkt Angela Merkel
   DIR Friedrich Merz
   DIR GNS
   DIR Schwerpunkt Angela Merkel
   DIR Schwerpunkt Angela Merkel
   DIR CDU
   DIR Kanzlerkandidatur
   DIR Serien-Guide
   DIR Friedrich Merz
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Buchpremiere von Angela Merkel: Nur nicht rumjammern
       
       Altkanzlerin Merkel stellt ihre Memoiren vor und spricht über die DDR,
       Männer in der Politik und Putin. Fehler bei ihrer Russlandpolitik sieht sie
       nicht.
       
   DIR „Freiheit“ von Angela Merkel: Die Macht hatte ihren Preis
       
       In ihren Memoiren thematisiert die ehemalige Kanzlerin ihre ostdeutsche und
       weibliche Identität. Wer sich einen Blick hinter die Kulissen wünscht, wird
       jedoch enttäuscht.
       
   DIR CDU-Wahlkampfauftakt in NRW: Merz kann nicht anders
       
       Der Landesparteitag der CDU sollte eine Krönungsmesse für den
       Kanzlerkandidaten werden. Doch er macht die Risse in der Union deutlich.
       
   DIR Merz wird Kanzlerkandidat der Union: Söder krönt Merz zum Kandidaten
       
       CDU und CSU ziehen mit Friedrich Merz als Spitzenkandidat in den
       Bundestagswahlkampf 2025. Das gab CSU-Chef Markus Söder am Dienstag
       bekannt.
       
   DIR Neue ARD-Doku über Merkel: Die schwer Greifbare
       
       Das ARD-Großporträt anlässlich Angela Merkels 70. Geburtstags fragt:
       Kannten wir sie wirklich?
       
   DIR Friedrich Merz auf dem CDU-Parteitag: Der kalte Fritz
       
       In seiner Rede auf dem CDU-Parteitag versucht sich Friedrich Merz
       staatsmännisch zu geben. Er wird mit 90 Prozent Zustimmung als Parteichef
       bestätigt.