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       # taz.de -- Spätfolgen des Kolonialismus: Kein Asyl für Sahrauis in Spanien
       
       > 35 Aktivisten aus der ehemaligen spanischen Kolonie Westsahara wird
       > Schutz verweigert. Sie sitzen am Madrider Flughafen fest.
       
   IMG Bild: Fatma El Galia, die die Betroffenen rechtlich betreut, gibt ein Statement vor Journalist:innen am Flughafen Madrid-Barajas
       
       Madrid taz | Im Flughafen Madrid-Barajas sitzen derzeit 35 Asylbewerber aus
       der Westsahara im sogenannten Saal für Nichtanerkannte noch vor der
       Grenzkontrolle fest. Die 35 Menschen kommen aus der [1][seit 1975 von
       Marokko zu 80 Prozent besetzten ehemaligen spanischen Kolonie Westsahara],
       einem Wüstenlandstrich zwischen Marokko und [2][Mauretanien].
       
       „Bei zehn von ihnen wurden die Asylanträge abgelehnt. Die anderen warten
       auf eine Entscheidung“, erklärt Anwältin Fatma El Galia von der Vereinigung
       Sahrauischer Anwälte in Spanien, die die Betroffenen rechtlich betreut.
       Fernando Grande-Marlaska, Innenminister der Linksregierung, hat
       angekündigt, sie im Falle einer Ablehnung schnellstmöglich nach Marokko
       abzuschieben. 12 der 35 sind deshalb seit knapp einer Woche im
       Hungerstreik.
       
       „Die 35 laufen Gefahr, in Marokko inhaftiert und misshandelt zu werden“,
       sagt El Galia. Alle seien sahrauische Aktivisten. Die meisten stammen aus
       der sahrauischen Studentenbewegung, die immer wieder in den marokkanischen
       Universitätsstätten in Rabat und Marrakesch gegen die Besatzung
       protestieren. Die spanischen Behörden jedoch betrachten sie als
       marokkanische Staatsbürger, denen sie kein Asyl gewähren.
       
       „Alle 35 haben ihre ihnen aufgezwungene marokkanische Staatsangehörigkeit
       abgelegt, als sie in Spanien ankamen“, widerspricht El Galia. Schon deshalb
       müssten sie als Staatenlose aufgenommen werden. Diese Forderung unterstützt
       auch ACNUR, die Abteilung des Hohen Flüchtlingskommissars der UNO in
       Madrid.
       
       „Sie behaupten nicht einfach, dass sie Sahrauis seien, sie können das
       belegen“, sagt El Galia. Sie alle stammten aus Familien, die in einem von
       den Vereinten Nationen erstellten Zensus für ein nie abgehaltenes
       Referendum über die Zukunft der Westsahara erstellt wurde. Diese Listen
       wiederum stützen sich auf einen älteren Zensus der spanischen
       Kolonialverwaltung. Einige der 35, so die Anwältin, waren im Gefängnis und
       wurden dort gar misshandelt.
       
       ## Mangelnde ärztliche Versorgung und schlechte Hygiene
       
       „Die Situation auf dem Flughafen ist unerträglich“, sagt El Galia. Die
       Hygiene lasse zu wünschen übrig, eine adäquate ärztliche Versorgung gebe es
       weder für die beiden Kleinkinder, von denen eines an schweren Allergien
       leide, noch für die Erwachsenen, von denen einer krebskrank sei. 
       
       Die Weigerung des Innenministeriums, die 35 aufzunehmen, hat mittlerweile
       politische Folgen. Während der große Koalitionspartner, die Sozialisten von
       Ministerpräsident Sánchez, Innenminister Marlaska unterstützen, stellt sich
       das Linksbündnis Sumar hinter die Sahauris. „Sie dürfen auf keine Fall nach
       Marokko abgeschoben werden“, erklärt Tesh Sidi, Sumar-Abgeordnete und
       selbst Sahraui, nachdem sie nicht zu den Asylbewerbern vorgelassen wurde.
       
       „Die Westsahara wird Spanien verfolgen, solange die Dekolonialisierung
       nicht abgeschlossen ist“, so Sidi. Neben Sumar verlangen auch die
       linksalternative Podemos sowie die baskische Bildu und die Republikanische
       Linke Kataloniens (ERC) ein Bleiberecht für die 35. Bildu und ERC haben im
       Parlament einen Antrag gestellt, damit Marlaska vor die Plenarsitzung
       geladen wird. Alle drei Parteien unterstützen die Minderheitsregierung
       Sánchez.
       
       ## Marokko verhindert Referendum über Westsahara
       
       Seit in den 1990er Jahren ein Waffenstillstand zwischen der
       Befreiungsbewegung Polisario, die 20 Prozent der Westsahara sowie
       Flüchtlingslager auf algerischem Gebiet verwaltet, und Marokko zustande
       kam, versuchen die Vereinten Nationen vergebens, ein Referendum über
       Westsaharas Zukunft abzuhalten. Dies scheiterte bislang an der Haltung
       Marokkos.
       
       [3][2022 vollzog die spanische Regierung unter Sánchez eine Kehrtwende].
       Sie erkennt seither de facto Marokko als rechtmäßige Verwaltung über die
       besetzten Gebiete an. Ein Autonomiestatus innerhalb des marokkanischen
       Königreiches sei angeblich die einzige Lösung.
       
       Dies befreit Madrid jedoch nicht von seiner internationalen Verantwortung,
       denn solange es kein Referendum und damit keine Dekolonialisierung gibt,
       ist Spanien für die UNO offiziell die Verwaltungsmacht des umstrittenen
       Gebietes.
       
       26 Sep 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Kritik-an-Forschungsmission/!5913598
   DIR [2] /Gefluechtete-in-Mauretanien/!6016668
   DIR [3] /Konflikt-zwischen-Algerien-und-Spanien/!5856959
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Reiner Wandler
       
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