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       # taz.de -- +++Nachrichten im Nahost-Krieg+++: Hochexplosive Lage
       
       > Nach der Tötung Nasrallahs spricht Netanjahu von historischem Wendepunkt.
       > Libanon und Iran rufen Staatstrauer aus. Libanes:innen fliehen nach
       > Syrien.
       
   IMG Bild: Libanes*innen neben dem Krater in Beirut, in dem Milizenführer Hassan Nasrallah getötet wurde
       
       Tel Aviv/Beirut/Teheran Die Situation im Nahen Osten ist nach der
       [1][Tötung von Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah durch Israels Armee]
       hochexplosiv. Der Iran forderte den UN-Sicherheitsrat in einem der
       Deutschen Presse-Agentur vorliegenden Brief zu einer Dringlichkeitssitzung
       auf. Wann es zu so einem Treffen kommen könnte, ist ungewiss. Der
       israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu warnte den Iran vor einem
       Angriff auf sein Land. „Und an das Regime der Ajatollahs sage ich: Wer uns
       angreift, den greifen wir an“, sagte Netanjahu vor Medienvertretern in Tel
       Aviv. „Es gibt keinen Ort im Iran oder im Nahen Osten, den Israels langer
       Arm nicht erreichen kann“, drohte Netanjahu. (dpa)
       
       ## Netanjahu spricht von historischem Wendepunkt
       
       „Dies sind bedeutsame Tage. Wir stehen an einem historischen Wendepunkt“,
       sagte Israels Regierungschef. Die US-Regierung ordnete die Ausreise von
       Angehörigen ihrer Diplomaten im Libanon an. Grund sei die unsichere und
       unvorhersehbare Lage in Beirut, hieß es. Israel habe einen „eklatanten Akt
       terroristischer Aggression gegen Wohngebiete in Beirut verübt, indem es von
       den USA gelieferte tausend Pfund schwere Bunkerbrecher einsetzte“, heißt es
       in dem Brief von Irans UN-Botschafter Amir Saeid Iravani an das mächtigste
       UN-Gremium.
       
       [2][Netanjahu] bezeichnete die gezielte Tötung von Nasrallah bei einem
       israelischen Luftangriff auf einen Vorort der libanesischen Hauptstadt als
       die „Abrechnung mit einem Massenmörder“. Nasrallah sei eine Art Turbo der
       vom Iran geschaffenen „Achse des Bösen“ gewesen. „Er war nicht nur
       irgendein Terrorist, sondern der Terrorist schlechthin“, sagte Netanjahu.
       Der Hisbollah-Chef habe sich der Ermordung zahlloser Israelis, hunderter
       Amerikaner und dutzender Franzosen schuldig gemacht, sagte Israels
       Ministerpräsident. (dpa)
       
       ## Biden zur Tötung Nasrallahs: „Maßnahme der Gerechtigkeit“
       
       US-Präsident Joe Biden bezeichnete Israels Tötung von Nasrallah als
       „Maßnahme der Gerechtigkeit“ für die Opfer seiner vier Jahrzehnte währenden
       Terrorherrschaft. Die USA unterstützten weiterhin Israels Recht auf
       Selbstverteidigung gegen die Hisbollah und andere vom Iran unterstützte
       Terrorgruppen, sagte Biden in einer Stellungnahme. Ziel der USA bleibe die
       Deeskalation der Konflikte im Gazastreifen und im Libanon auf
       diplomatischem Wege.
       
       „Solange Nasrallah am Leben gewesen wäre, hätte er die (militärischen)
       Fähigkeiten, die wir der Hisbollah genommen haben, schnell
       wiederhergestellt“, fuhr Netanjahu fort. „Seine Beseitigung beschleunigt
       die Rückkehr unserer Bewohner in ihre Häuser im Norden.“ Seit Beginn des
       Gaza-Kriegs vor fast einem Jahr beschießt die Hisbollah fast täglich den
       Norden Israels. Deswegen mussten rund 60.000 Bewohner grenznaher Orte in
       andere Teilen Israels fliehen. Die Hisbollah handelt aus Solidarität mit
       der islamistischen Hamas in Gaza und hatte vor Nasrallahs Tod erklärt, die
       Angriffe erst bei einer dortigen Waffenruhe einzustellen.
       
       Netanjahu argumentierte nun, dass die Hamas nach der Tötung des
       Hisbollah-Generalsekretärs eher bereit wäre, die beim Terrorüberfall der
       Hamas und anderer extremistischer Gruppen am 7. Oktober 2023 aus Israel
       entführten Geiseln freizulassen. „Je mehr (Hamas-Anführer Jihia al-) Sinwar
       sieht, dass Nasrallah ihm nicht zu Hilfe kommen wird, desto größer sind die
       Chancen für eine Rückgabe unserer Geiseln“, meinte Netanjahu. (dpa)
       
       ## Staatstrauer im Libanon und Iran
       
       Libanons Regierung ordnete nach Nasrallahs Tod Staatstrauer von Montag bis
       Mittwoch an. Ohne Chef und nach Tötung fast der gesamten oberen
       Führungsebene ist unklar, wer in der Hisbollah nun die Kommandos geben
       könnte, auch bei weiteren Angriffen auf Israel. Vermutlich wird die
       Hisbollah Anweisungen des Irans abwarten. Der ist unter Religionsführer
       Ajatollah Ali Chamenei die eigentliche Schutzmacht und wichtigster
       Unterstützer der Miliz.
       
       Chamenei ordnete nach Nasrallahs Tod Staatstrauer an. Unter den Opfern des
       Luftschlags vom Freitag war auch der iranische Brigadegeneral Abbas
       Nilforuschan, der stellvertretende Kommandeur für Operationen der
       Revolutionsgarde. Es ist unklar, ob der Iran der Hisbollah jetzt zu Hilfe
       eilen wird. Die neue iranische Regierung unter Präsident Massud Peseschkian
       kämpft mit einer schweren Wirtschaftskrise und strebt eine Wiederannäherung
       an den Westen an. Obwohl Irans militärische Führung nach der Tötung des
       Hamas-Auslandschefs Ismail Hanija in Teheran Ende Juli Vergeltung
       angekündigt hatte, blieb diese bis heute aus. (dpa)
       
       ## Proteste im Irak nahe US-Botschaft
       
       Im Irak forderten Hunderte Anhänger schiitischer Parteien Vergeltung gegen
       Israel für die Tötung Nasrallahs. Sie versammelten sich in Bagdad am
       Eingangsbereich zur sogenannten Grünen Zone, in der die US-Botschaft und
       Regierungsgebäude liegen, wie Augenzeugen berichteten. Sicherheitskräfte
       riegelten die Gegend ab, um eine Erstürmung der Grünen Zone zu verhindern.
       Vom Iran unterstützte schiitische Parteien und Milizen haben im Irak großen
       Einfluss. Die Hisbollah half ihnen ab den 2000er Jahren mit Ausbildung von
       Kämpfern, um deren Angriffe auf US-Ziele zu verstärken und den Einfluss des
       Irans im Land auszubauen.
       
       Deutschland, die USA und viele andere westliche Staaten fordern ihre
       Staatsbürger dringend dazu auf, den Libanon zu verlassen.
       Bundesaußenministerin Annalena Baerbock bezeichnete die Lage im Nahen Osten
       nach dem Tod Nasrallahs als „brandgefährlich“. In der ARD-Sendung „Bericht
       aus Berlin“ sagte die Grünen-Politikerin: „Es droht die Destabilisierung
       des ganzen Libanons. Und das ist in keinster Weise im Interesse der
       Sicherheit Israels“. (dpa)
       
       ## UN: Zehntausende nach Syrien geflohen
       
       Seit Ausbruch der Kämpfe zwischen der Hisbollah und dem israelischen
       Militär vor fast einem Jahr wurden den Behörden zufolge mehr als 1.600
       Menschen im Libanon getötet, darunter rund 300 Frauen und Kinder. [3][Ein
       Großteil starb bei israelischen Angriffen in den vergangenen zehn Tagen].
       Nach UN-Angaben flohen bisher mehr als 50.000 Menschen ins Bürgerkriegsland
       Syrien. In Abstimmung mit beiden Regierungen seien Hilfsaktionen im Gange,
       um allen Bedürftigen zu helfen, teilte der UN-Hochkommissar für
       Flüchtlinge, Filippo Grandi, auf X mit. Zudem seien mehr als 200.000
       Menschen im Libanon Binnenflüchtlinge.
       
       Das israelische Militär hat die Menschen in Teilen des Libanons
       aufgefordert, sich von Hisbollah-Einrichtungen fernzuhalten und sich in
       Sicherheit zu bringen. Die Warnung gilt für die Bewohner der Bekaa-Ebene im
       Osten des Landes, für die südlichen Vororte Beiruts und für den Südlibanon.
       Viele Menschen in den von der Hisbollah kontrollierten Gebieten wissen aber
       oft nicht, welche Gebäude von der Miliz genutzt werden.
       
       In der Nacht heulten im Norden Israels unterdessen wieder die Warnsirenen.
       Auch im Zentrum des Landes war zuvor erneut Raketenalarm ausgelöst worden.
       In Tel Aviv ertönten die Warnsirenen als Reaktion auf ein Geschoss aus dem
       Jemen, wie die Armee mitteilte. Es wurde demnach noch vor dem Erreichen des
       israelischen Hoheitsgebiets abgefangen. (dpa)
       
       ## Soforthilfeaktionen im Libanon
       
       Das UN-Welternährungsprogramm (WFP) hat infolge der Eskalation des
       Konflikts zwischen Israel und der schiitischen Hisbollah-Miliz eine
       Soforthilfeaktion zur Versorgung von bis zu einer Million Menschen mit
       Nahrungsmitteln im Libanon gestartet. WFP-Teams vor Ort verteilten warme
       Mahlzeiten, Lebensmittelrationen und -pakete sowie Brot an Menschen in
       Notunterkünften, hieß es in einer Mitteilung der Organisation.
       
       Bisher habe man 66.000 Menschen mit der Hilfe erreichen können. Das WFP
       bereite sich nun darauf vor, bis zu einer Million Menschen mit
       Nahrungsmitteln zu unterstützen. Dafür seien auch Küchen im Norden und
       Zentrum des Libanons eingerichtet worden, um dort leichte Mahlzeiten
       zuzubereiten, die an die Bevölkerung in Notunterkünften geliefert werden
       sollen.
       
       „Der Libanon ist an einem Wendepunkt angelangt und kann keinen weiteren
       Krieg mehr ertragen“, sagte Corinne Fleischer, WFP-Regionaldirektorin für
       den Nahen Osten. Um die Maßnahmen im Libanon fortsetzen zu können, benötige
       das WFP bis Ende des Jahres 105 Millionen US-Dollar. „Das WFP ist vor Ort,
       aber wir brauchen dringend Mittel“, so Fleischer. (dpa)
       
       29 Sep 2024
       
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