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       # taz.de -- Rechte in Schweden: Spezieller Hochzeitsgast
       
       > Jimmie Åkesson, Vorsitzender der Schwedendemokraten, hat den Chef eines
       > kriminellen Rockerklubs eingeladen. Das bringt ihn jetzt in
       > Erklärungsnot.
       
   IMG Bild: In Erklärungsnot: Akesson
       
       Härnösand taz | Schwedens oberster Schwedendemokrat hat geheiratet. Aber
       anstatt sich von der Riesensause erholen zu können, muss [1][Jimmie
       Åkesson] nun erklären, warum der Chef eines kriminellen Rockerklubs unter
       den Gästen war.
       
       Åkesson ist Verfechter eines knallharten Vorgehens gegen die organisierte
       Kriminalität. „Es wird Zeit, dass Schweden jedem einzelnen Individuum in
       diesen kriminellen Gangs den totalen Krieg erklärt“, schrieb er im Sommer
       auf X, nachdem ein unbeteiligter Mann vor den Augen seines Sohns von jungen
       Bandenmitgliedern erschossen worden war.
       
       Seit Jahren eskaliert die Gewalt zwischen kriminellen Gruppen im Land, die
       in migrantischen Milieus entstanden sind. Nur um diese geht es Åkesson. Was
       er unter den Tisch fallen lässt: die schwedischen Rockerklubs, die von der
       Polizei schon viel länger zur organisierten Kriminalität gezählt werden.
       Deren Ziele, erklärten Experten nun, seien die eigene Normalisierung, Nähe
       zur Macht, Einflussnahme.
       
       „Hätte ich von diesen Verbindungen gewusst, wäre die Person nicht auf
       unserer Hochzeit gewesen“, sagte Åkesson diese Woche im
       öffentlich-rechtlichen Radio SR. Bei der letzten Enthüllung über seine
       Partei hatte er sich noch in aggressiven Youtube-Videos an der Presse
       abgearbeitet. Jetzt sagte er: „Im Nachhinein betrachtet war das natürlich
       ein Fehler.“
       
       ## Täglich neue Aspekte
       
       Aber kann es wirklich sein, dass ihm nicht bekannt war, was der neue
       Partner der Ex-Frau eines Parteikollegen in seiner Freizeit treibt, wenn
       andere in der Parteispitze das offenbar sehr wohl wussten?
       
       Schwedische Medien debattieren dazu täglich neue Aspekte – warum äußert
       sich die Regierung, die mit den Schwedendemokraten zusammenarbeitet, so
       zurückhaltend? Ministerpräsident Ulf Kristersson nannte die Einladung
       lediglich „unangemessen“. Alle weiteren Fragen müsse der SD-Chef selbst
       beantworten.
       
       Meine Nachbarin hat gar keine Fragen, bemerke ich beim Kaffeetrinken.
       Jedenfalls nicht an Åkesson. „Was ist denn mit Magdalena Andersson?“, sagt
       sie stattdessen aufgebracht. „Das ist viel schlimmer, und darüber wird kaum
       berichtet!“
       
       Der t[2][raditionelle Lotteriebetrieb der Sozialdemokraten] war erst
       kürzlich wegen unlauterer Methoden in die Mangel genommen worden. Von einem
       Callcenter in Spanien aus waren offenbar bewusst alte Menschen mit falschen
       Angaben verleitet worden, teure Lotterie-Abos abzuschließen. Einige
       Angestellte hatten eine Verbindung zu kriminellen Gangs in Schweden.
       
       ## Ein Muster
       
       „Moment“, sage ich, „es wurde doch in allen Facetten vom Lotterieskandal
       berichtet und die Parteichefin Andersson dabei nicht geschont. Ist Åkessons
       Hochzeitgast nicht einfach eine andere Sache, die auch beleuchtet werden
       muss?“ Die Nachbarin bleibt dabei: Das sei eine private Hochzeitsfeier
       gewesen, die Aufregung völlig übertrieben. Unglücklich sei die Einladung
       gewesen, mehr nicht.
       
       Ich erkenne ein Muster. Man hasst hier entweder Magdalena Andersson oder
       Jimmie Åkesson. Letzteres trifft auf einen anderen Nachbarn zu. Der findet
       den Schwedendemokraten so schlimm, dass er lieber umschaltet, wenn dessen
       Bild in den Nachrichten auftaucht. Deshalb habe er die Hochzeitsvorwürfe
       auch nur oberflächlich mitbekommen, erzählt er. Jedenfalls: Kriminelle
       Rocker regen ihn auf. „Unsereins geht arbeiten, um Geld zu verdienen. Und
       die holen ihre Gang und bedrohen Leute.“
       
       Die „Comanches“, zu denen der Åkesson-Gast gehört, sind offenbar ein noch
       junger, sich aus Dänemark verbreitender Motorradklub. Die dänischen
       Ursprungs-Comanches waren, wie ein Experte gegenüber Dagens Nyheter
       erklärte, in Bandenkonflikte verwickelt, zu deren Lösung junge
       [3][schwedische Gangmitglieder als potenzielle Killer] angeheuert wurden.
       Genau solche Teenager, denen Åkesson am liebsten die schwedische
       Staatsbürgerschaft entziehen würde. Die heiklen Verbindungen werden Åkesson
       derweil kaum schaden. Seine Fans sind treu.
       
       11 Oct 2024
       
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