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       # taz.de -- Körperliche Nähe und Gesundheit: Nehmt euch in den Arm!
       
       > Kuscheln fühlt sich nicht nur gut an, sondern hilft auch gegen
       > Erkrankungen. Doch nicht alle haben den gleichen Zugang zu Berührungen.
       
   IMG Bild: Kuscheln kann auch platonisch sein: Eine Kuschelparty in New York
       
       Von wem wirst du regelmäßig berührt?
       
       Die Haut ist das größte Sinnesorgan unseres Körpers. Umarmungen, über den
       Rücken streicheln, die Hand halten: jegliche Art von fremden Berührungen
       schütten in unserem Körper Botenstoffe aus – Hormone wie Oxytocin. Die
       reduzieren Stress und sorgen für Wohlbefinden. Menschen, die viel berühren
       oder berührt werden, [1][sind diplomatischer und gelassener].
       
       Doch wer sind diese Menschen? In vielen Partnerschaften ist Kuscheln
       normal, die eigenen Kinder in den Arm nehmen oder auf dem Weg zur Kita die
       Hand halten auch. Doch was ist mit älteren Menschen, die allein leben? Was
       mit jungen, kinderlosen Singles? Berührungen dürfen nicht Familien und
       Liebespartnerschaften vorbehalten sein.
       
       Denn nicht alle haben den gleichen Zugang zu ihnen. Und das ist fatal, denn
       eine lange, innige Umarmung fühlt sich nicht nur gut an, sie kann auch zur
       Gesundheit beitragen. [2][Forscher*innen aus Bochum, Duisburg-Essen und
       Amsterdam] haben zahlreiche Studien ausgewertet und fanden heraus, dass
       Berührungen Schmerzen, Depressionen und Angst lindern. Denn sie dämpfen die
       Ausschüttung stressauslösender Botenstoffe, dadurch fühlen wir uns weniger
       gestresst.
       
       ## Gewollte Berührungen lindern Stress
       
       Wichtig: Studien, die positive Einflüsse von Berührungen ausmachen, gehen
       allein von gewollten, angenehmen Erlebnissen aus. Der betrunkene, fremde
       Mann, der dir in der Bar ungefragt über den Rücken streichelt, ist hier
       nicht mitgemeint. Im Gegenteil.
       
       Wer jetzt in Panik gerät und glaubt, nur mehrstündiges Löffeln mit dem
       Partner oder der Partnerin hilft: Bei Erwachsenen ist es nicht wichtig, wie
       gut man sein Gegenüber kennt, Hauptsache, die Berührung fühlt sich angenehm
       an, sagen die Forscher*innen. Solange das Kuschelhormon Oxytocyn
       ausgeschüttet wird, haben Berührungen einen positiven Effekt. Das passiert
       auch schon nach 15 bis 20 Sekunden.
       
       Man muss also weder ein Kind in die Welt setzen, bei dem nie klar ist, wie
       lange es auf dem Schoß sitzen will, noch dem Bumble-Date pausenlos die Hand
       beim Essen streicheln. Wer es sich leisten kann, sammelt Glückshormone bei
       der Massage, bei der Friseur*in oder der Maniküre.
       
       Und der Rest? Geht oftmals leer aus. Denn eine schnelle Umarmung zur
       Begrüßung geht selten 15 Sekunden lang. Doch das muss nicht so sein.
       
       ## Wer soll dich in den Arm nehmen?
       
       Wir brauchen ein besseres Bewusstsein, wann auch platonische Berührungen
       angebracht oder erwünscht sind. Warum frage ich meinen Partner, ob er mich
       kurz in den Arm nehmen kann, aber nie meine Freundinnen?
       
       Früher war es normal, mit meiner Mutter auf der Couch zu liegen, jetzt
       fühle ich mich oft zu alt dafür. Während der Pandemie haben viele gemerkt,
       was das Fehlen von Berührungen, der Kontakt zu anderen Menschen, die man
       gern hat, ausmacht. Doch die Chance, nach den ganzen Kontaktsperren neu zu
       definieren, wie wir miteinander respektvoll und liebevoll umgehen wollen,
       haben wir verpasst.
       
       Wir müssen fern von Beziehungen wieder offener über Berührungen und unsere
       Bedürfnisse dahingehend sprechen. Auch wenn es im ersten Moment überfordert
       oder unangenehm ist.
       
       Vielleicht wird man auch abgelehnt, wenn die andere Person es gerade nicht
       fühlt. Und doch hilft nur ganz offen und ehrlich zu fragen: Kannst du mich
       mal in den Arm nehmen? Wer weiß, vielleicht braucht es die Freundin gerade
       auch.
       
       13 Oct 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/sinnesorgan-haut-die-haut-spiegelt-die-psyche-wider-a-1276400.html
   DIR [2] https://www.nature.com/articles/s41562-024-01841-8
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anastasia Zejneli
       
       ## TAGS
       
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