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       # taz.de -- Bedeutung der Buchmesse: Am Puls der Themen und Triggerpunkte
       
       > Rein rational lässt sich die komplexe Gegenwart nicht mehr bearbeiten.
       > Ein Glück, dass es Literat*innen und die Buchmesse gibt.
       
   IMG Bild: Blick in eine Halle vor der Eröffnung der Frankfurter Buchmesse
       
       Einmal auf der Frankfurter Buchmesse gewesen zu sein: Das kann das Bild von
       unserer Gesellschaft ändern.
       
       Heute werden die Messehallen fürs Publikum geöffnet. Im Vorfeld wird gern
       über Verlagsprobleme geredet. Manche Verlage haben Sorgen, viele auch
       existenzielle. Suhrkamp, lange Jahre der literarisch-intellektuelle
       Vorzeigeverlag, hat einen neuen Inhaber, gerade sind alle ziemlich nervös.
       Dann bekommt eine Schriftstellerin den Deutschen Buchpreis ([1][Glückwunsch
       an Martina Hefter, gutes Buch!]) und [2][andere Autor:innen bekommen ihn
       dafür aber nicht] (schade vor allem für Clemens Meyer und [3][Ronya
       Othmann], die auch gute Bücher geschrieben haben).
       
       Sobald die Messehallen öffnen, sind das alles nur noch zwei
       Smalltalk-Anlässe in einem wahren Orkan von Anlässen. Worum es auf der
       Buchmesse nämlich wirklich geht, ist weder der Businesstalk, noch sind es
       die Literaturpreise. Es sind vielmehr die Themen, die Triggerpunkte, die
       Thesen und Hot Takes, die unsere Gesellschaft umtreiben. Mit ihnen wird man
       an diesen fünf Messtagen bis Sonntag in einer intensiven Weise
       konfrontiert, die einzigartig ist. Man bekommt einen geradezu körperlichen
       Eindruck davon, dass die moderne Gesellschaft eine diskutierende,
       debattierende, hinterfragende, auch schlicht quatschende Veranstaltung ist.
       Und dass dieses Diskutieren, Debattieren und Quatschen nicht nur
       kulturstiftend, sondern auch politisch wichtig ist.
       
       ## Gefühle werden hier systematisch bearbeitet
       
       Schon zu Beginn der diesjährigen Messe lässt sich sagen, dass 2024 viel
       über Gefühle geschrieben und diskutiert werden wird. Auf der politischen
       Ebene über ihre Macht in populistischen Diskursen. Vielleicht hat man
       wirklich die komplizierten Transformationsprozesse unserer Gesellschaft
       bislang zu sehr als rein rational bewältigbar angesehen. Dem gehen in
       diesem Jahr viele Sachbücher nach.
       
       Auch im sogenannten Privaten müssen Gefühle bearbeitet werden. In den
       Romanen und Sachbüchern rumoren Traumata – kein Wunder, bei [4][der
       Massivität der vergangenen und der Nähe der gegenwärtigen Kriege] und auch
       angesichts vieler Gewaltverhältnisse, die unsere Gesellschaft immer noch
       durchziehen. Da müssen aber auch Geschlechterverhältnisse und
       Generationenbeziehungen neu geordnet werden.
       
       Als einzelne Leserin oder einzelner Podcastkonsument mag man sich, mit
       solchen Themen konfrontiert, ein bisschen verloren vorkommen. Auf der
       Buchmesse aber kann man mitkriegen, wie viele Menschen dabei sind, jene
       Gefühle, die die moderne Gesellschaft auslöst, zu analysieren, zu
       bearbeiten, ein Stück weit auch, sie auszuleben. Das kann einen teilweise
       erschlagen – es schwirrt einem nach dem Besuch der Buchmesse schon manchmal
       der Kopf. Doch dass man allein ist mit seinen Gefühlen und seinen Themen,
       das wird man nicht mehr denken.
       
       Die Probleme gelöst kriegt man auf einer Buchmesse nicht. Aber
       angesprochen, das werden sie. Und kaum irgendwo ist eine moderne
       Gesellschaft freier und quirliger als hier.
       
       15 Oct 2024
       
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