# taz.de -- Klimakongress des BDI: Geschäftsmodell klimafreundlich
> BDI-Präsident Siegfried Russwurm fordert auf seinem Klimakongress mehr
> grüne Politik. Freilich im Sinne der Unternehmen.
IMG Bild: Siegfried Russwurm, Präsident des BDI fordert mehr grüne Politik
BERLIN taz | Siegfried Russwurm kommt gar nicht mehr aus dem Warnmodus
heraus. „Die Zeit läuft gegen uns. Vor der Wahrheit, dass wir derzeit auf
der Verliererstraße unterwegs sind, darf sich niemand länger verstecken“,
sagte der Präsident des mächtigen Bundesverbandes der Industrie (BDI) am
Dienstagvormittag in Berlin. Die Zeit zum Handeln sei jetzt, ein
„Politikwechsel“ nötig.
Bereits im vergangenen April sorgte Russwurm für einigen Wirbel, [1][als er
die bisherige Regierungszeit der Ampelkoalition als „zwei verlorene Jahre“
bezeichnete]. Nun lud der BDI ins Futurium zum siebten Klimakongress des
Verbandes ein. In diesem [2][„Haus der Zukünfte“], zentral gelegen zwischen
Hauptbahnhof und Deutschem Bundestag, sollen Ideen und Denkanstöße für eine
nachhaltige Zukunft entstehen.
Auch für den BDI ist die Zukunft mittlerweile grün: „Der globale
Klimawandel ist Realität – und er erfordert globale Antworten“, sagte
Russwurm. Deshalb sei es gut, dass Deutschland sich ambitionierte Ziele
vornehme. „Die Industrie kann und will Transformation erfolgreich
gestalten“, so Russwurm.
Das mag auch daran liegen, dass das Geschäftsmodell der einst starken
deutschen Industrie nicht mehr rundläuft. Sie produziert derzeit weniger
als vor Ausbruch der Coronakrise. Der Energiepreisschock infolge des
russischen Angriffs auf die Ukraine traf besonders energieintensive
Branchen wie die Chemieindustrie schwer. Der Fachkräftemangel, zunehmender
Protektionismus im Welthandel und wachsende Konkurrenz aus China tun ein
Übriges.
## Selbstkritik hatte Russwurm nicht zu bieten
Die Zukunftsaussichten der Industrie sind deshalb eingetrübt. Laut einer
Studie der [3][Boston Consulting Group und des Instituts der deutschen
Wirtschaft (IW) im Auftrag des BDI] ist ein Fünftel der industriellen
Wertschöpfung in Deutschland gefährdet. Gleichzeitig bietet die
Transformation aber auch Chancen. Die Berater*innen beziffern das
Umsatzpotenzial neuer Zukunftsmärkte wie Klimaschutz, Digitalisierung,
Gesundheit und Sicherheit bis 2030 auf 15 Billionen Euro. Dafür sind aber
laut der Studie zusätzliche Investitionen von 1,4 Billionen Euro nötig.
„Wir brauchen dafür einen Kurswechsel der Politik, der Ökologie und
Ökonomie in eine Balance bringt“, forderte Russwurm. Seinem Willen nach
soll die Ampel noch drei Dinge angehen: Erstens sollen die Netzentgelte
aus dem Bundeshaushalt mitfinanziert werden, zweitens soll ein neues
Strommarktdesign Versorgungssicherheit gewährleisten und drittens sollen
die Planungs- und Genehmigungsverfahren für Industrieanlagen deutlich
beschleunigt werden.
„Es muss in der gesamten Breite gelingen, den Verfall der bestehenden
Infrastrukturen zu stoppen“, forderte Russwurm zudem eine
Investitionsoffensive, einen „Hochlauf von Wasserstoff“ sowie niedrigere
Strompreise. So braucht es neben kurzfristigen Maßnahmen laut Russwurm
„einen langfristigen, realistisch umsetzbaren Fahrplan für die Zukunft des
Standorts Deutschland, der industriepolitisch über alle Handlungsfelder
hinweg auf klimaneutrales Wachstum ausgerichtet ist“. Am liebsten wäre dem
Lobbyisten dafür ein Schulterschluss aller politischen Parteien über
Wahlperioden hinweg im Sinne der Industrie.
Womit Russwurm allerdings nicht aufwartete, war Selbstkritik, was die
Industrie in Sachen Transformation vielleicht selbst verbockt hat. Dabei
ist er selbst Aufsichtsratschef von Thyssenkrupp, einem Konzern, der
derzeit in der Krise steckt.
15 Oct 2024
## LINKS
DIR [1] /BDI-Kritik-an-Regierung/!5999148
DIR [2] /Zukunftsvisionen/!5619275
DIR [3] https://bdi.eu/artikel/news/transformationspfade-fuer-das-industrieland-deutschland-studie-langfassung
## AUTOREN
DIR Simon Poelchau
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