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       # taz.de -- Chemikalienpolitik: Kein Plan gegen Hormon-Schadstoffe
       
       > Schützen kann sich die Bevölkerung kaum vor sogenannten endokrinen
       > Disruptoren. Doch sie kann sich über Gefahren informieren.
       
   IMG Bild: Plastikfolie mit Lebensmittelkontakt. Hoffentlich bleibt das trotzdem gesundes Gemüse
       
       Berlin taz | Die Bundesregierung unternimmt zu wenig, um die Bevölkerung
       vor Hormon-Schadstoffen zu schützen. Dies werfen Umwelt- und
       Verbraucherschutzorganisationen Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) vor,
       darunter das Pestizid-Netzwerk Pan Germany und die Frauenrechtsorganisation
       WECF. „An jedem weiteren Tag, an dem die Bundesregierung nicht handelt,
       werden diese schädlichen Chemikalien weiterhin freigesetzt – das geht auf
       Kosten der Gesundheit heutiger und zukünftiger Generationen sowie unserer
       Umwelt“, schreiben die Initiatoren.
       
       Hinter der Bezeichnung Hormon-Schadstoffe, auch „endokrine Disruptoren“,
       verbirgt sich keine spezielle Stoffgruppe. Sie fasst Tausende von
       Chemikalien zusammen, die auf das Hormonsystem von Menschen und Tieren
       einwirken können. Hormon-Schadstoffe finden sich in vielen Alltagsprodukten
       aus Kunststoff, in Farben, Lacken, Stoffen. Laut Umweltbundesamt sind
       Hormon-Schadstoffe dafür bekannt, dass sie die Fortpflanzung sowie die
       Entwicklung des Gehirns stören. Sie gelten als Mitauslöser von Brust- und
       Hodenkrebs, werden mit Diabetes, Fettleibigkeit und Lern- und
       Verhaltensstörungen bei Kindern in Verbindung gebracht. [1][Wissenschaftler
       weisen seit Jahren auf die Gefahren endokriner Disruptoren hin] und
       betonen, dass sie in bestimmten Entwicklungsphasen auch in kleinsten Mengen
       Zellen schädigen können.
       
       Im November 2023 hatte das Bundesumweltministerium deshalb einen
       „Fünfpunkteplan“ zum Schutz vor Hormon-Schadstoffen veröffentlicht.
       Umweltministerin Lemke wollte mit ihrem Plan Maßnahmen und Ziele bündeln,
       „um Menschen und Umwelt besser vor diesen Stoffen zu schützen“. Doch ein
       Jahr später fehle es weiterhin an konkreten Maßnahmen und einer
       ausreichenden Finanzierung, so die Kritik der Verbände.
       
       Allerdings dürfte es Lemke in der Bundesregierung auch an Unterstützung für
       einen ambitionierteren Gesundheitsschutz mangeln. Auf einer Veranstaltung
       des Verbandes der Chemischen Industrie im Herbst hatte Bundeskanzler Olaf
       Scholz (SPD) sich gegen „undifferenzierte Totalverbote“ chemischer
       Stoffgruppen ausgesprochen. Sogenannte Ewigkeitschemikalien PFAS – die
       endokrine Disruptoren sind – sollten nur dann verboten werden, wenn ihr
       Einsatz nachweislich schädlich sei und es bessere Alternativen gebe,
       forderte der Kanzler. Scholz wolle sich für eine „praktikable und
       ausgewogene“ Regulierung bei den PFAS-Chemikalien und der Novelle der
       EU-Chemikalienverordnung Reach einsetzen, versprach er der Industrie.
       
       Diese sieht keinen „[2][über die bereits bestehende EU-Regulierung
       hinausgehenden Handlungsbedarf der Bundesregierung“]. Es gebe seitens der
       EU Regelungen, um die Risiken von endokrin wirkenden Disruptoren zu
       vermeiden, teilt der VCI mit, etwa Rechtsvorschriften für
       Pflanzenschutzmittel, Biozidprodukte sowie Reach.
       
       Auch das Bundesumweltministerium weist die Kritik der Umweltverbände
       zurück. Die Bundesregierung habe sich „im Rahmen des 5-Punkte-Plans
       weiterhin auf der EU-Ebene dafür eingesetzt, die Regulierung von hormonell
       schädigenden Stoffen in den verschiedenen Rechtsbereichen auszubauen“, so
       eine Sprecherin. Außerdem habe man im Rahmen der Verbändeförderung dafür
       gesorgt, die Bürgerinnen und Bürger besser über die bestehenden Risiken,
       wie auch die bereits getroffenen Vorkehrungen zum Schutz der Gesundheit zu
       informieren.
       
       15 Oct 2024
       
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