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       # taz.de -- Flüchtlingsabwehr in Italien: Lampedusa sehen und dann weg
       
       > Mit der Verschiffung von 16 Männern aus Bangladesch und Ägypten beginnt
       > Italien die Auslagerung von Asylverfahren nach Albanien.
       
   IMG Bild: Italienische Polizisten stehen am Hafen von Shëngjin, Albanien. Hier sollen die Anträge der Migranten bearbeitet werden
       
       Rom taz | Ab sofort schafft Italien im Mittelmeer gerettete Flüchtlinge
       nach Albanien statt ins eigene Land. Am Montag fuhr ein erstes Marineschiff
       von Lampedusa aus los, um 16 Männer in das von Italien auf albanischem
       Territorium errichtete Camp zu bringen.
       
       Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hatte schon im Wahlkampf versprochen,
       unter ihr werde mit der „illegalen Immigration“ übers Mittelmeer Schluss
       gemacht. Ein Baustein dieser Politik ist die Verhinderung von Abfahrten der
       Migrant*innen vom Südufer des Mittelmeers. Zu diesem Zweck hatte Meloni
       zum Beispiel ein Abkommen mit Tunesiens Präsident Kais Saed geschlossen,
       damit er an seinen Küsten als Aufpasser agiert.
       
       Der zweite Schritt ist es, gleich auch die Ankünfte der Flüchtlinge zu
       vermeiden. Im November 2023 vereinbarte Meloni deshalb mit Albaniens
       Regierungschef Edi Rama einen [1][Vertrag, der es Italien gestattet, in
       Albanien Flüchtlingslager zu errichten]. Die dorthin geschafften Menschen
       sollen, ohne Italien je zu Gesicht bekommen zu haben, ihre Asylverfahren
       durchlaufen und nach ihrer wahrscheinlichen Ablehnung direkt in ihre
       Herkunftsländer repatriiert werden.
       
       So entstanden in den letzten Monaten im Norden Albaniens zwei Camps, mit
       italienischem Geld bezahlt und in Zukunft ausschließlich von Italien
       betrieben, denn sie genießen exterritorialen Status. Im ersten, gleich im
       Hafen von Shëngjin, sollen die Ankommenden identifiziert und dann gleich in
       das zweite Lager Gjadër geschafft werden, wo sie die Asylprozedur
       durchlaufen.
       
       ## Kritik: unmenschlich und Geldverschwendung
       
       Ursprünglich hatte die Regierung Meloni von 3.000 Plätzen in diesem Lager
       gesprochen, bisher ist allerdings Platz nur für 400 Menschen. Menschen, die
       allesamt Männer sein werden: Die Regierung schließt von vornherein aus,
       Familien, Frauen, Minderjährige oder auch „vulnerable“ Menschen – Menschen
       also vorneweg mit gesundheitlichen Problemen – nach Albanien zu verbringen.
       Außerdem sollen nur Personen in Frage kommen, die von staatlichen Schiffen
       gerettet wurden und die aus „sicheren“ Herkunftsstaaten stammen.
       
       Ebendiese Kriterien treffen auf die 16 Männer zu, die mit dem ersten
       Marineschiff am Mittwoch im albanischen Hafen Shëngjin eintreffen werden
       und die alle aus Bangladesch und Ägypten stammen. Von Albanien aus können
       sie zwar ihre Asylanträge stellen, werden ihre Anhörung vor Gericht aber
       nur per Videoschalte absolvieren können. Einmal abgelehnt sollen sie dann
       wieder nach Bangladesch beziehungsweise Ägypten zurückgeschafft werden.
       
       Italiens Regierung erhofft sich von dieser neuen Lösung eine abschreckende
       Wirkung. Sie lässt sich die Lager einiges kosten: 800 Millionen Euro für
       die Errichtung sowie für ihren Betrieb in den ersten fünf Jahren.
       
       Doch es bleibt völlig unklar, ob der Abschreckungseffekt überhaupt
       eintritt, denn weder Bangladesch noch Ägypten zeigen sich bisher bei der
       Rücknahme eigener Staatsbürger*innen besonders kooperativ: Die
       effektiven Abschiebequoten aus Italien liegen für beide Länder unter 10
       Prozent derer, die Italien gern loswerden würde.
       
       Deshalb kritisieren die Oppositionsparteien des Mitte-links-Lagers die
       Camps in Albanien nicht bloß als unmenschlich, sondern auch als enorme
       Geldverschwendung. Die 800 Millionen Euro, fordern sie, sollten lieber ins
       notleidende italienische Gesundheitswesen fließen.
       
       15 Oct 2024
       
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