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       # taz.de -- Ideen zum Umbau des Berliner Schloss: Wie wäre es mit einer postpreußischen Kulturmaschine?
       
       > Die „Initiative Schlossaneignung“ veröffentlicht 21 Entwürfe für die
       > Umgestaltung des umstrittenen Preußenschlosses. Über einige lässt sich
       > nachdenken.
       
   IMG Bild: Das Schloss als Solarkraftwerk, es fiele auch angenehm informell aus: Entwurf „Time Flies Like an Arrow“ aus dem besprochenen Heft
       
       Berlin taz | Postpreußen, nicht Ostpreußen. Den Begriff werfen die
       Kulturwissenschaftlerin Agnieszka Pufelska und der Historiker Felix
       Ackermann in einem programmatischen Text zur „Initiative Schlossaneignung“
       auf, um die nun ein kostenloses Heft des Architekturverlags Dom Publishers
       erschienen ist. Es geht darin um das Berliner Schloss, mal wieder.
       
       Denn der rekonstruierte Brocken in Berlins Mitte bleibt ein schwer
       belastetes Ding. Seine idealisierte Architektur manifestiert, dass die
       Politik und [1][eine finanzstarke Spenderlobby, teils aus rechtsextremen
       Kreisen], über mehrere Dekaden hinweg eine komplexe Geschichte der Stadt
       aus dem öffentlichen Raum haben verschwinden lassen.
       
       Dabei kann das Schlossprojekt sogar offiziell einer kritischen Revision
       unterzogen werden. Kürzlich verkündete etwa das Humboldt Forum, dass der
       Freiraum im Süden des Preußenschlosses, den bbz-Landschaftsarchitekten
       eigentlich schon einer barocken Schlossanlage gemäß ziemlich zugepflastert
       hatten, nun doch etwas klimawandelgerechter mit mehr Bäumen ausfallen soll.
       Wenn nun für das Klima Veränderungen am Schlossprojekt möglich sind, warum
       kann dann nicht auch der geschlossenen Architektur etwas mehr Gegenwart,
       etwas mehr „Postpreußentum“ und auch Aufklärung über die Geschichte des
       Ortes eingehaucht werden?
       
       Das ist das Anliegen der „Initiative Schlossaneignung“ um den
       [2][Architekturpublizisten Philipp Oswalt]. Sie lobte im Sommer einen
       Ideenwettbewerb aus, 21 der eingereichten Entwürfe hat sie nun in dem Heft
       von Dom Publishers veröffentlicht.
       
       ## Umgestalten statt boykottieren
       
       Man kann darin eine gewandelte Haltung unter den Berliner
       Schlosskritker:innen erkennen. Haben sie doch [3][bislang eher auf
       Boykott gesetzt], so geht es ihnen nun darum, das Schloss öffentlich
       umzudeuten. Das kann zuweilen zu lustig absurden Ideen führen. Das Duo aus
       Sinus 3 und Anna Krenz will etwa die gigantische Kopie einer Tasse der
       Königlichen Porzellan Manufaktur aus einer Sammlung des Humboldt Forums an
       die Stelle der umstrittenen Kuppelrekonstruktion setzen.
       
       Da denkt man kurz [4][an den Pop-Art-Künstler Claes Oldenburg]. Der hat am
       Kölner Neumarkt einst eine riesige Eistüte auf die Eckkante eines Gebäudes
       fallen und mit den Kirchtürmen Kölns in den Wettstreit treten lassen. Warum
       nicht nun eine Tasse mit den preußischen Kuppeln Berlins? Doch solch ein
       kritischer Witz kommt bei der Tasse nicht vor, eher eine schnulzige
       Symbolik. Sie soll nämlich um Porzellanscherben ergänzt werden, um die
       „Brüche und Zerstörungen“ der Kriege Preußens in Osteuropa wachzurufen.
       
       Um die Risse der Vergangenheit geht es auch beim Entwurf von Andreas Kopp,
       der das Schlossäußere mit einem Netz aus Messingrohren überziehen will, die
       Fassade sähe dann aus, als blättere sie ab wie alte Wandfarbe.
       
       Studiert man die 21 Entwürfe, bekommt man einen unguten Eindruck. Trotz all
       der berechtigten Mahnungen an der kriegerischen und kolonialen Geschichte
       Preußens, die man an dem Schlossneubau nun sichtbar zu machen wünscht,
       schleicht sich in diese Entwürfe häufig etwas Belehrendes, moralisch
       Überlegenes ein.
       
       ## Viel Mahnung, wenig Offenheit
       
       Nur wenigen Beiträgen ist der Versuch abzulesen, auch auf ästhetisch offene
       Weise mit dem Schlossneubau zu brechen. Da fallen die Schiffscontainertürme
       von Christoph Balzar und Fabian von Ferrari positiv auf. Sie wollen die
       großen Portale des Preußenschlosses mit einer Funktionsarchitektur
       verrammeln und den neubarocken Sandsteinornamenten ein bunt rostendes
       Sinnbild des weltweiten Warenhandels gegenüberstellen – da ist selbst
       Kritik am Kolonialismus dabei. Oder die großen Solarpaneele von Michael
       Birn: Sie würden das Humboldt Forum zu einem städtischen Kraftwerk
       umfunktionieren. Beide Vorschläge erinnern irgendwie an das [5][Centre
       Pompidou von Renzo Piano und Richard Rogers in Paris].
       
       Kein falscher Vergleich, hatte man doch in den Nullerjahren kurz darüber
       nachgedacht, den noch stehenden Palast der Republik zu einer solchen
       Kulturmaschine, wie sie in Frankreichs Hauptstadt steht, umzubauen. Das war
       eine von mehreren verpassten Chancen in der traurigen Geschichte des
       Schlossneubaus. Oder vielleicht doch nicht? Man kann da vielleicht nochmal
       ernsthaft drüber nachdenken.
       
       18 Oct 2024
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Sophie Jung
       
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