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       # taz.de -- Prozess um Umweltschutz: Norwegen will Fjord vermüllen
       
       > Die norwegische Regierung hat einem Bergbauunternehmen erlaubt seinen
       > Grubenabfall im Gewässer zu entsorgen. Umweltschützer sind vor Gericht
       > gezogen.
       
   IMG Bild: Hier in Førdefjord möchte das Bergbauunternehmen Nordic Mining den Grubenabfall seiner geplanten Mineralgewinnung entsorgen
       
       Härnösand taz | Wann wird ein industrielles Vorhaben so wichtig für die
       Öffentlichkeit, dass dies schwerer wiegt als die Umweltschäden, die es
       anrichtet? Anders gefragt: Darf das Bergbauunternehmen Nordic Mining den
       Grubenabfall seiner geplanten Mineralgewinnung [1][an der norwegischen
       Westküste im Førdefjord entsorgen]? Regierung und Umweltorganisationen
       standen sich am Mittwoch vor dem EFTA-Gerichtshof in Luxemburg in dieser
       Frage gegenüber. Der Gerichtshof waltet über die Anwendung des EU-Rechts in
       Norwegen, Island und Liechtenstein, den Staaten des Europäischen
       Wirtschaftsraums (EWR).
       
       Die nötigen Genehmigungen für die Mülldeponie im Fjord hatte Nordic Mining
       nach und nach vom norwegischen Staat bekommen – 2022 meldete das
       Unternehmen, es werde nun mit dem Bau der Grube am Berg Engebø beginnen.
       Eine Klage des norwegischen Naturschutzverbandes und der Organisation
       „Natur og Ungdom“ scheiterte in erster Instanz.
       
       Jetzt erhofft sich das Berufungsgericht mehr Klarheit durch eine
       Einschätzung aus Luxemburg: Wie genau ist die EU-Wasserrahmenrichtlinie,
       die auch für das EWR-Land Norwegen gilt, auf diesen Fall anzuwenden? Und
       wenn die Regierung dabei einen Fehler gemacht hat: Sind die Genehmigungen
       dann ungültig?
       
       Das ist die Hoffnung der klagenden Umweltschutzverbände. Vorab hatten sie
       sich optimistisch gegeben: Für eine Ausnahmeregelung gemäß der
       EU-Richtlinie reiche das Versprechen auf ein paar neue Arbeitsplätze und
       mehr Steuereinnahmen nicht aus, und diese Einschätzung werde auch von der
       EU-Kommission und EWR-Überwachungsorgan ESA geteilt.
       
       ## „Eine Ausnahmeregelung, würde den Sinn der Wasserdirektive, europäische
       Gewässer zu schützen, völlig untergraben“
       
       Juristisch ging es nun um die Frage, was in der Richtlinie mit
       „übergeordnetem öffentlichen Interesse“ gemeint ist, das eine Ausnahme
       möglich machen könnte. Umweltorganisationen und EU-Kommission betonten vor
       Gericht erneut, dass die üblichen wirtschaftlichen Vorteile, die ein Ort
       durch die Ansiedelung privatwirtschaftlicher Unternehmen erfährt, nicht in
       diese Kategorie fallen. „Wenn das reichen würde für eine Ausnahmeregelung,
       würde das den Sinn der Wasserdirektive, europäische Gewässer zu schützen,
       völlig untergraben“, stellte Anwalt Amond Noss fest.
       
       Die betroffene Gemeinde und die Region Sunnfjord könnten auch nicht als
       bedürftige, abgelegene Gegend beschrieben werden. Dass die Regierung dies
       als Grund für die wirtschaftliche Bedeutung der Grube anführte,
       kommentierte Noss in der Liveübertragung des Verfahrens mit: „Wir sind
       nicht beeindruckt.“
       
       Die Arbeitslosigkeit sei dort traditionell ausgesprochen niedrig, die in
       der Bauphase angefallenen lokalen Arbeitsplätze seien temporär, die Grube
       bedrohe stattdessen andere Wirtschaftszweige wie den Tourismus. Noss
       betonte zudem, dass die Regierung ihre Argumentation nicht im Nachhinein
       verändern könne, um sie den Regeln anzupassen. Entscheidungsgrundlage für
       das Gericht müsse die Begründung zur Zeit der Genehmigungen bleiben. Lorna
       Armati, Vertreterin der EU-Kommission, gab ihm recht: „Im Nachhinein mit
       einer guten Geschichte zu kommen, das ist einfach nicht ausreichend.“
       
       ## Die norwegische Regierung verweist auf die Nutzung des Rohhstoffs Rutil
       für die Waffenproduktion
       
       Der Vertreter der norwegischen Regierung, Henrik Vaaler, hatte
       argumentiert, dass Rutil, welches Nordic Mining abbauen will, ein
       kritischer Rohstoff sei für die Titanproduktion und damit für
       Waffenproduktion unerlässlich. Er wies auf die aktuelle Sicherheitslage
       seit Beginn des Ukrainekriegs hin, als Begründung für ein übergeordnetes
       öffentliches Interesse dieses europäischen Rutilabbaus. Dieses Argument
       hatte bei der Erteilung der Genehmigung aber keine Rolle gespielt. Noss
       warf der Regierung vor zu unterschlagen, dass der allergrößte Anteil des
       weltweiten Rutilvorkommens für die Produktion weißer Farbpigmente benutzt
       würde, nicht für Titan.
       
       Proteste gegen die Pläne gibt es seit 2014. Neben lokalen Akteuren und
       nationalen Naturschutzorganisationen hatte sich auch das staatliche
       Meeresforschungsinstitut in Norwegen gegen den geplanten Grubenabfall mit
       Schwefelsäure, Schwermetallen und Titan-Nano-Partikel im Fjord
       ausgesprochen.
       
       Mit der Einschätzung des EFTA-Gerichtshofs rechnen die Anwälte im ersten
       Quartal 2025. Nach bisher geltender Genehmigung könnte Nordic Mining
       frühstens Mitte kommenden Jahres das Abfallrohr zum Fjord installieren.
       
       16 Oct 2024
       
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   DIR Anne Diekhoff
       
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