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       # taz.de -- Selenskyj mit Siegesplan in der EU: Ukrainischer Wettlauf gegen die Zeit
       
       > Der ukrainische Präsident Selenskyj reist nach Brüssel, um für seinen
       > „Siegesplan“ zu werben. Bei Nato und EU stößt er auf nüchterne Skepsis.
       
   IMG Bild: Verteidigungsminister treffen sich in Brüssel: Nato-Chef Rutte und US-Verteidigungsminister Austin beraten über die Ukraine
       
       Berlin taz | Dramatische Appelle und emotionale Reden kann er. Nach
       Besuchen in der vergangenen Woche in Paris, London, Rom und Berlin tauchte
       der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Donnerstag nun in Brüssel
       beim EU-Gipfel auf. Er warnte vor einem [1][„gefährlichen Winter“ für die
       Ukraine] – und forderte erneut mehr Luftabwehrsysteme, um sein Land gegen
       die Angriffe Russlands zu verteidigen. Sein Hauptanliegen in Brüssel: Die
       27 europäischen Staats- und Regierungschefs von seinem [2][„Siegesplan“] zu
       überzeugen.
       
       Ort und Zeit sind strategisch gewählt. [3][Um seinen „Plan“ – der
       eigentlich eher einem Wunschkatalog entspricht] – umzusetzen, ist er auf
       die internationalen Verbündeten angewiesen. Denn sie sind die entscheidende
       Stütze, damit die Ukraine militärisch wie wirtschaftlich überlebensfähig
       ist. Und Europa ist mehr denn je gefragt. Kommt es bei der
       US-Präsidentschaftswahl am 5. November zu einem Machtwechsel im Weißen Haus
       und sollte der Republikaner Donald Trump erneut US-Präsident werden, dürfte
       es für die Ukrainehilfen düster aussehen.
       
       Auch unter der Demokratin Kamala Harris wird es vermutlich finanzielle
       Einschnitte geben, auch wenn sich in der Haltung gegenüber dem russischen
       Präsidenten Wladimir Putin wenig ändern dürfte. Selenskyj bleibt derzeit
       nichts anderes übrig, [4][als für Unterstützung zu werben und sich auf alle
       Eventualitäten vorzubereiten.]
       
       EU-Ratspräsident Charles Michel versicherte dem ukrainischen Präsidenten,
       dass die EU so lange wie nötig an der Seite der Ukraine stehen werde.
       Michel sagte zudem zu, dass man schauen werde, wie die Hilfen – sowohl
       militärisch als auch finanziell – beschleunigt werden können. Diese
       vorsichtige Formulierung lässt auch auf Spannungen innerhalb der
       Mitgliedsstaaten schließen. In Arbeit ist derzeit ein Hilfspaket, aus dem
       die EU bis zu 35 Milliarden Euro beisteuern will und das aus den Zinsen
       eingefrorener russischer Vermögenswerte finanziert werden soll.
       
       ## Zukunft der Ukraine soll in der EU liegen
       
       Der ungarische Regierungschef Viktor Orbán hat sich mehrfach kritisch zu
       einer solchen Finanzhilfe geäußert. Ungarn hat derzeit die
       EU-Ratspräsidentschaft inne und sorgte gleich zu Beginn für Verstimmung
       innerhalb der EU mit nicht abgesprochenen Reisen erst nach Kyjiw, dann nach
       Moskau und schließlich nach Peking und in die USA.
       
       „Die Zukunft der Ukraine liegt in der EU“, sagte Michel. Die Rede ist von
       enormen Fortschritten für den EU-Beitritt, es gibt Lob für Selenskyj und
       die Reformbemühungen der Ukraine. „Auf die EU könnt ihr zählen.“ Was das
       für die nächsten Monate heißt, bleibt aber unklar. Zwar ist die
       „Winterhilfe“ längst angelaufen und vor allem zerstörte kritische
       Infrastruktur wie Wärme-, Strom- und Wasserversorgung wird wieder
       aufgebaut.
       
       Auch an Schutzmaßnahmen wird gearbeitet. Russland bombardiert gezielt
       Umspannwerke oder Großanlagen. Diese sind im Ernstfall deutlich langsamer
       zu reparieren. Brennt etwa ein Autotransformator, gilt das Feuer als nahezu
       nicht löschbar. Das Bundesentwicklungsministerium unterstützt etwa beim Bau
       von Betoneinhausungen, also einem dicken Schutzmantel für Umspannwerke. Der
       Wiederaufbau findet unter hohen Sicherheitsvorkehrungen statt und ist eine
       logistische Herausforderung.
       
       In seinem „Siegesplan“ fordert Selenskyj auch eine Einladung zum
       Nato-Beitritt. „Ab sofort muss Putin sehen, dass er mit seinem
       geopolitischen Kalkül falsch liegt.“ Russland wollte mit Angriffskrieg
       unter anderem verhindern, dass sich die Ukraine dem Transatlantischen
       Bündnis annähert. Der neue Nato-Generalsekretär Mark Rutte äußerte sich
       beim Treffen der Verteidigungsminister vorsichtig bis skeptisch. Zwar
       stehen die Verbündeten geschlossen hinter der Ukraine. Allerdings ist der
       Zeitpunkt völlig offen. Die Frage nach dem „Wann“ könne er – Rutte – jetzt
       nicht beantworten.
       
       ## Biden trifft Scholz, Starmer und Macron in Berlin
       
       Am Donnerstagabend wurde US-Präsident Joe Biden in Berlin erwartet. Der
       Besuch in der Hauptstadt findet unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen
       statt. Biden hätte bereits in der vergangenen Woche nach Berlin kommen
       sollen. Geplant waren hochrangige Gespräche mit etlichen Staats- und
       Regierungschefs.
       
       Vor allem vom [5][sogenannten „Ramstein-Gipfel“] hatte sich Selenskyj viel
       erhofft, sollte doch von dem Treffen ein deutliches – wenn auch
       symbolisches – Signal an Putin ausgehen. Dank Hurrikan „Milton“ wurde
       daraus nichts. Nun wird der Empfang Bidens in Deutschland nachgeholt.
       Allerdings abgespeckt. Neben einem 4-Augen-Gespräch mit Kanzler Scholz,
       kommen auch der britische Premier Starmer und Frankreichs Präsident Macron
       mit Biden in Berlin zusammen.
       
       17 Oct 2024
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Tanja Tricarico
       
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