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       # taz.de -- SPD-Abgeordnete gegen Migrationspolitik: „Wir teilen eure Wut“
       
       > Die Kritik am sogenannten Sicherheitspaket wächst. Nun üben 35
       > SPD-Abgeordnete harsche Kritik. Der Kanzler sah seinen Kurs zuletzt
       > bestätigt.
       
   IMG Bild: Auch er gehört zu den Unterzeichnern des offenen Briefs der SPD-Abgeordneten: Karamba Diaby
       
       Berlin taz | In der Ampel wächst die [1][Kritik am sogenannten
       Sicherheitspaket], mit dem die Bundesregierung auf das [2][Attentat von
       Solingen] reagierte. In einem offenen Brief wandten sich am Montag nun auch
       35 Abgeordnete der SPD gegen wesentliche Vorhaben des Pakets.
       „Sicherheitspolitische Fragen dürfen nicht unzulässig mit Migrationspolitik
       vermischt werden“, heißt es in dem Brief, der der taz vorliegt.
       Entsprechende Maßnahmen in dem Paket versuche man in der SPD-Fraktion daher
       „zu verhindern“.
       
       Mit dem Sicherheitspaket wollte die Bundesregierung nach dem
       Solingen-Attentat, [3][bei dem ein Islamist im August drei Menschen
       erstach], schnell Härte zeigen. Enthalten sind Verschärfungen in der
       Asylpolitik, Messerverbote oder mehr Befugnisse für die
       Sicherheitsbehörden. Im Kabinett wurde das Paket bereits Anfang September
       beschlossen. Auch im Bundestag sollte es noch im September verabschiedet
       werden – [4][doch wegen der Kritik soll dies nun erst Mitte Oktober
       geschehen].
       
       Erst vergangene Woche hatten SPD-Mitglieder um die Vorsitzende der
       SPD-Grundwertekommission, Gesine Schwan, [5][einen offenen Brief
       veröffentlicht, in dem sie die Vorhaben teils scharf kritisierten]. Das
       Schreiben hat inzwischen mehr als 12.000 Unterzeichnende. Der Brief der
       SPD-Bundestagsabgeordneten ist nun eine Antwort darauf, unterzeichnet etwa
       von den Abgeordneten Karamba Diaby, Rasha Nasr, Hakan Demir oder Jan
       Dieren.
       
       „Wir teilen Eure Trauer, Eure Wut und Eure Zweifel angesichts des aktuellen
       Diskurses“, schreiben die sozialdemokratischen Parlamentarier*innen
       „Um es klar zu sagen: Auch wir halten den Kurs, der gerade in der SPD in
       der Migrations- und Asylpolitik eingeschlagen wird, für falsch.“ Sie bitten
       die anderen SPD-Briefschreibenden, ihren „Widerspruch aufrechtzuerhalten“.
       
       ## SPD-Fraktionsspitze will Kritik ernst nehmen
       
       Die Verunsicherung nach Solingen müsse man ernst nehmen, schreiben die
       Abgeordneten. Es brauche aber Maßnahmen, die „wirklich zu mehr Sicherheit
       beitragen und nicht Aktionismus sind“. Verschärfungen des Waffenrechts oder
       Maßnahmen gegen Terrorfinanzierung oder Hasspostings im Internet seien
       richtig. Man müsse aber „mit Augenmaß vorgehen und verantwortungsvoll
       zwischen Sicherheit und Freiheitsrechten abwägen“.
       
       Vor allem dürften Sicherheitsfragen „nicht unzulässig mit Migrationspolitik
       vermischt werden“. Dies suggeriere Zusammenhänge, die es nicht gebe.
       Migration sei nicht die Ursache von Anschlägen. Wer aber „reflexartig“ mehr
       Grenzkontrollen, Abschiebungen und Repression in der Migrationspolitik
       fordere, unterstelle diesen Zusammenhang und verschiebe den Diskurs, so die
       SPD-Abgeordneten.
       
       Die Gruppe lehnt insbesondere Leistungskürzungen für Dublin-Geflüchtete ab
       sowie anlasslose Polizeikontrollen, Grenzkontrollen, Zurückweisungen und
       Inhaftierungen von Geflüchteten an der Grenze oder einen biometrischen
       Abgleich von Internetdaten, um Geflüchtete zu identifizieren. Diese Punkte
       versuche man in der SPD-Fraktion noch zu verhindern, heißt es in ihrem
       Schreiben.
       
       Es brauche vielmehr Islamismus- und Rechtsextremismusprävention oder mehr
       Demokratiearbeit. Zugleich werde man sich in den Haushaltsverhandlungen
       dafür einsetzen, dass Mittel für Integrationskurse oder psychosoziale
       Beratung, anders als bisher geplant, nicht gekürzt werden.
       
       Von der SPD-Fraktionsspitze gab es zunächst keine Reaktion auf den neuen
       Brief. Fraktionsvize Dirk Wiese hatte zuletzt aber bereits erklärt, man
       nehme die Kritik am Sicherheitspaket „sehr ernst“ und schaue sich einzelne
       Punkte nochmal genauer an. „Hier geht Gründlichkeit vor Schnelligkeit.“
       Wiese erklärte aber auch, die Mehrheit der Fraktion stehe hinter den
       Maßnahmen, die „so schnell wie möglich“ verabschiedet werden müssten.
       
       ## Ärger über Scholz-Reaktion
       
       Allerdings fordert auch die Grünen-Fraktion Nachbesserungen beim
       Sicherheitspaket, punktuell auch die FDP-Fraktion. Es stellten sich
       „zahlreiche, durchaus tiefgehende europa- und verfassungsrechtliche
       Fragen“, [6][hatte Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz der taz
       gesagt]. Derzeit wird in Kleingruppen zwischen den Ampelfraktionen über
       Korrekturen verhandelt – auch um Kritik aufzugreifen, [7][die zuletzt
       Sachverständige bei einer Anhörung an dem Paket geübt hatten].
       
       Zu dem ersten offenen Brief hatte Kanzler Olaf Scholz (SPD) zuletzt über
       einen Sprecher erklärt, er fühle sich von den Unterzeichnenden „in seinem
       Kurs bestärkt“, der „ganz klar das Grundrecht auf Asyl“ schütze. Die
       Initiator*innen reagierten empört: Man bestärke nicht den
       eingeschlagenen Kurs, sondern appelliere an die SPD-Spitze, diesen Kurs zu
       verlassen. Auch Juso-Chef Philipp Türmer sagte, der Brief sei „kein
       Rückenwind, sondern Gegenwind“. Scholz wisse genau, dass sein Kurs „nicht
       von sozialdemokratischen Werten geleitet ist“.
       
       30 Sep 2024
       
       ## LINKS
       
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