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       # taz.de -- Portugiesischer Wein: Tiefgründige Traube
       
       > Bei Nuno Sousa Pereira reift ein Rotwein tief im Sandboden: der „Wein der
       > Toten“. Dunkelheit und Temperatur geben ihm sein fruchtiges Aroma.
       
   IMG Bild: Nuno Sousa Pereira gräbt eine Flasche „Vinho dos Mortos“, Totenwein, aus dem Sand
       
       Wenn Nuno Sousa Pereira zur Weinprobe lädt, greift er nicht etwa in ein
       Regal in seinem Keller. Er gräbt im sandigen Boden. Hier lagern die
       Flaschen seines ganz speziellen Weines. „Vinho dos Mortos“ – Wein der Toten
       – heißt der junge Rotwein. Angenehm fruchtig im Geschmack, leicht an
       Alkohol und etwas prickelnd. „Sechs bis sieben Monate reift er in der
       Flasche im Sand“, erklärt Sousa Pereira. 20 Euro kostet eine Flasche, rund
       4.000 davon fabriziert der Portugiese im Jahr, hier, in der kleinen Stadt
       Boticas, ganz im Norden [1][Portugals].
       
       Was das Vergraben bringt? „Der Sand ist immer feucht und hält so immer die
       gleiche Temperatur“, beschreibt es der Winzer. Seit 1808 stellt seine
       Familie den Vinho dos Mortos in der alten Finca aus dem Jahr 1792 her. „Ich
       habe das Handwerk von meinem Vater gelernt, und werde es hoffentlich an
       meinen Sohn weitergeben“, sagt der 43-Jährige, der hauptberuflich ein
       Informatikunternehmen betreibt. „Der Wein ist mehr ein Hobby und
       Familientradition“, erklärt er. Mit seiner Frau Raquel Cruz verbringt er
       viel Freizeit auf den 1,5 Hektar Weinbergen und im Weinkeller. Dafür nehmen
       sie auch über eine Stunde Anfahrt in Kauf.
       
       „Alles manuell, wir setzen keine Maschinen ein“, sagt Sousa Pereira. Bei
       der Weinlese Ende September bis Anfang Oktober helfen Freunde und
       Verwandte. „Das ist immer ein großes Fest.“ Ums Keltern und später dann ums
       Abfüllen kümmern sich Sousa Pereira und Cruz gemeinsam. Flasche für Flasche
       wird der Wein dann mit rotem Wachs versiegelt, mit einem Siegelstempel wird
       das Markenzeichen aufgedrückt.
       
       Die Idee, den Wein zu vergraben, wurde aus der Not geboren. Anfang des 19.
       Jahrhunderts marschierten [2][die Truppen Napoleons] gleich dreimal in
       Portugal ein. Bei der zweiten Invasion bedrohten die Franzosen die Region
       rund um Boticas. Die Soldaten waren für Plünderungen bekannt. Die Bewohner
       beschlossen deshalb, ihre abgefüllten Weine – Jahrgang 1808 – im Sand unter
       den Fässern zu vergraben. Als die Soldaten abzogen, gruben sie die Flaschen
       wieder aus und waren überrascht. Die Rebensaft war wesentlich besser
       gereift als im Regal.
       
       Die niedrigen, konstanten Temperaturen und die Dunkelheit im feuchten Sand
       hatten den einfachen Landwein deutlich verbessert. Er war leichter,
       fruchtiger und aufgrund der Ansammlung von Kohlendioxid auch ein wenig
       spritzig. Genau so, wie ihn die Kunden von Sousa Pereira bis heute
       schätzen. Eine Tradition war geboren. Der neue Wein erhielt wegen der
       Lagerung im Boden den Namen „Wein der Toten“.
       
       Die Bezeichnung Vinho dos Mortos ist von der örtlichen Genossenschaft
       geschützt. Familie Sousa Pereira betreibt das einzige Weingut, das ihn
       herstellt. [3][Die Reben], die unweit des Hofes wachsen, sind sehr alt.
       „Einige Stöcke haben um die hundert Jahre“, sagt Nuno Sousa Pereira. Es
       sind fast alles rote Sorten, einige weiße Trauben werden untergemischt.
       
       Bastardo, Tinta Carvalha und Tinta Coimbra, Alvarelho und Malvasia Fina
       heißen die Trauben auf Portugiesisch. Es sind alles Rebarten, die es
       bereits vor der Phylloxera, der Reblausplage gab, von der im 19.
       Jahrhundert große Teile der europäischen Weinberge betroffen waren. Hierher
       kam sie nicht. Nicht umsonst heißt das Gebiet Trás-os-Montes – hinter den
       Bergen.
       
       Sousa Pereira hat Pläne. Zwischen zwei Weinbergen hat er zusätzliches Land
       gekauft. Im sonnigen Teil werden weitere Reben gepflanzt. Unten im Schatten
       soll ein neuer Weinkeller mit sandigem Boden entstehen. „Wir wollen die
       Produktion verdoppeln.“ In zwei bis drei Jahren wird es soweit sein, die
       neuen Edelstahlfässer hat er bereits gekauft. „Wir werden weiterhin alles
       manuell bearbeiten, wie es die Tradition verlangt“, sagt Nuno Sousa
       Pereira.
       
       12 Oct 2024
       
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