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       # taz.de -- Nachtzug von Mailand nach Sizilien: Schiffsfahrt mit der Bahn
       
       > Im Nachtzug von Mailand nach Sizilien geht es auf einer Fähre über die
       > Straße von Messina. Das ist tiefenentspannt und überraschend günstig.
       
   IMG Bild: Eine Fähre zwischen der Ostspitze Siziliens und der Westspitze Kalabriens
       
       Berlin taz | Wo ein Schienenstrang ans Meer stößt, ist für Reisende in der
       Regel Endstation. Nicht so in Villa San Giovanni an der Spitze des
       italienischen Stiefels. Hier wird der Zug in kleine Häppchen geteilt, auf
       eine Fähre verladen und nach Sizilien verschifft. „Trajekt“ ist der Begriff
       dafür in der Eisenbahnsprache. Und als wäre das nicht Abenteuer genug,
       lässt sich das hier sogar [1][im Nachtzug] erleben. Die Reisenden stechen
       also nicht nur auf Schienen in See, sondern nehmen auch noch ihr
       Schlafzimmer mit.
       
       Bis es so weit ist, haben Fahrgäste allerdings einen langen Weg hinter
       sich. Insgesamt 20 Stunden dauert die Reise von [2][Mailand] (weitere
       Verbindungen gibt es ab Rom), eine der längsten Nachtzugfahrten überhaupt.
       Ich erlebe die Fahrt Anfang November. Bevor der Intercity Notte den Bahnhof
       Milano Centrale um 20.10 Uhr verlässt, decke ich mich noch schnell mit
       Proviant ein. Einen Speisewagen gibt es an Bord nicht.
       
       Trotz der sehr langen Fahrt sind die Tickets günstig. Einen Platz im
       Liegewagen gibt es bereits ab 60 Euro. Ich habe mir ein Schlafwagenabteil –
       bei der italienischen Bahn heißt das „Relax“ – gegönnt. Das kostet als
       Supersparpreis auch nur gut 100 Euro. Vor der Abfahrt klappt der Schaffner
       noch das obere Bett ein, so kann ich bequem sitzen. Das Abteil ist sauber
       und modern ausgestattet. Zum Frischmachen gibt ein Waschbecken. Für mehr
       Komfort können Interessierte ein „Superior“-Abteil mit Dusche und WC
       buchen.
       
       Da die Überfahrt [3][nach Sizilien] erst zur Mittagszeit stattfindet,
       können Reisende es gemütlich angehen lassen. Ich sitze noch lange und
       schaue hinaus in die Nacht, während wir den Apennin einmal hinauf- und
       wieder hinabrollen.
       
       ## Mit Espresso und Zeitung
       
       Als ich am Morgen irgendwo hinter Salerno die Jalousie in meinem Abteil
       hochschiebe, blitzt das türkisblaue Meer vor dem Fenster auf. Für Stunden
       geht es nun die Küsten von Kampanien und Kalabrien entlang, der eigentliche
       Höhepunkt der Fahrt. Zwischendurch bringt der Schaffner das Frühstück. Na
       ja, eher ein Frühstückchen: ein abgepacktes Hörnchen, Zwieback, Ananassaft.
       Dazu, immerhin, einen ordentlichen Espresso. Es ist schließlich Italien.
       
       Nach einem längeren Halt des Zuges in Villa San Giovanni schlägt die Stunde
       der Rangierer. Routiniert zerlegen sie den Zug und schieben Wagen für Wagen
       in den Bauch der Fähre. Es lohnt sich, ans Wagenende zu gehen und das
       Schauspiel von dort zu betrachten. Die Überfahrt selbst ist kurz, für ein
       Arancino, das typisch sizilianische frittierte Reisbällchen, aus dem
       Bordcafé reicht die Zeit aber.
       
       Auf Sizilien werden aus unserem inzwischen Nicht-mehr-Nachtzug dann zwei
       Züge: Der eine fährt entlang der Nordküste nach Palermo, der Zugteil mit
       meinem Abteil biegt Richtung Süden ins antike Syrakus ab. Zypressen und
       Zitrusfrüchte ziehen am Fenster vorbei, bald gesellt sich der rauchende
       Ätna dazu. Ich setze mich noch mal ins Bett und blättere durch die Zeitung,
       die morgens im Gang ausgelegt wird. Auf diesen Service ist der Zugbetreiber
       offenbar besonders stolz, ein Piktogramm am Schlafwagen weist extra darauf
       hin.
       
       Wir erreichen Syrakus um kurz vor 16 Uhr. Hier, am Ionischen Meer, ist nun
       wirklich Endstation. Ich fühle mich tiefenentspannt und in den Sommer
       zurück gebeamt – nur, dass die Sonne in kaum einer Stunde ins Wasser
       plumpsen wird. So gesehen hat die Fahrt nicht nur eine Nacht, sondern auch
       noch fast einen ganzen Tag gedauert. Ich bereue keine Minute. Schließlich
       durfte ich schon Seeluft schnuppern und aus meinem Schlafzimmer die halbe
       Insel erkunden.
       
       2 Oct 2024
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Sebastian Wilken
       
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