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       # taz.de -- Alternativer Nobelpreis: Konkrete Utopien
       
       > Der Right Livelihood Award 2024 wurde vergeben. Ausgezeichnet wurden etwa
       > Aktivist*innen für Menschenrechte und Umwelt.
       
   IMG Bild: Hat sein Leben dem friedlichen Widerstand gewidmet: der palästinensische Menschenrechtsaktivist Issa Amro
       
       Sie kämpfen auf ganz unterschiedliche Weise für eine bessere Zukunft – aber
       seit heute haben sie etwas gemeinsam: Der palästinensische Aktivist Issa
       Amro, die philippinische indigene Aktivistin Joan Carling, die
       Umweltaktivistin Anabela Lemos aus Mosambik und die Londoner Gruppe
       Forensic Architecture werden mit dem Right Livelihood Award 2024
       ausgezeichnet. Das teilte die Stiftung der „Alternativen Nobelpreise“ am
       Donnerstagmorgen in Stockholm mit.
       
       Deren Direktor Ole von Uexküll hatte zuvor erklärt, was für ihn das
       verbindende Element dieser Preisträger sei: Hoffnung. „Nicht Hoffnung im
       Sinne einen naiven Optimismus, sondern im Sinne konkreter Utopien“, betonte
       er. „Die Preisträgerinnen und Preisträger unternehmen alle sehr konkrete
       Schritte hin zu einer gerechteren, friedlicheren Welt.“ Das sei in Zeiten
       wie diesen eine wichtige Botschaft: dass Veränderung tatsächlich möglich
       ist.
       
       Dafür wurde Right Livelihood Award schließlich vor mehr als 40 Jahren
       gestiftet: um Menschen auszuzeichnen, die mit ihrem Engangement für soziale
       Gerechtigkeit und Umweltschutz die Welt voranbringen. Gründer Jakob von
       Uxeküll – der Onkel des heutigen Direktors – war bei der Nobel-Stiftung mit
       dem Vorschlag abgeblitzt, einen zusätzlichen Nobelpreis in dieser Kategorie
       auszuloben. Deshalb startete er 1980 selbst einen Preis.
       
       Die Preisträger und Preisträgerinnen 2024:
       
       ## Issa Amro und „Youth Against Settlements“
       
       Der 44-jährige Palästinenser aus Hebron im Westjordanland und die von ihm
       gegründete Organisation „Youth Against Settlements“ (YAS) werden für ihren
       gewaltfreien Widerstand ausgezeichnet. „Sie wehren sich mit bürgerlichem
       Engagement gegen die Brutalität der israelischen Besatzung und stärken so
       die palästinensische Bevölkerung“, begründet die Jury die Auszeichnung.
       
       Zum Engagement gehören etwa die Dokumentation von
       Menschenrechtsverletzungen und das Organisieren friedlicher Protestaktionen
       – Gegner dieses Vorgehens finden sich auf allen Seiten. Die Initiative sei
       eine Inspiration für gewaltfreien Widerstand in anderen Städten gewesen.
       Von seinem Leben in Hebron [1][erzählte der Preisträger vor einem Jahr in
       der taz].
       
       ## Anabela Lemos und „Justiça Ambiental!“
       
       Die 71-jährige Umweltaktivistin aus Mozambik und ihre Organisation „Justiça
       Ambiental!“ (JA!) stehen für den Kampf gegen Großunternehmen, deren Pläne
       Communities und die Natur als Lebensgrundlage bedrohen. Die Jury hebt den
       [2][Einsatz gegen Mozambique LNG] besonders hervor, ein Mega-Projekt zur
       Gasförderung im Norden des Landes, hinter dem der französische Energieriese
       TotalEnergies steht.
       
       Die Gruppe wies Umwelt- und Menschenrechtsverletzungen nach, verschaffte
       dem Problem mit ihrer „Say No to Gas“-Kampagne internationale
       Aufmerksamkeit und verzögerte so das Projekt. „Ihre Arbeit hat Communities
       befähigt, für ihr Recht einzustehen, nein zu ausbeuterischen Mega-Projekten
       zu sagen und Umweltgerechtigkeit einzufordern“ heißt es in der Begrünung
       der Jury. Lemos und ihre Organisation ebneten so den Weg in eine Zukunft,
       in der Menschen- und Umweltrechte aller Menschen respektiert werden.
       
       ## Joan Carling
       
       Die 61-jährige philippinische Aktivistin erhält die Auszeichnng für ihren
       jahrzehntelangen Kampf für die Rechte indigener Menschen. Carling begann
       vor Ort auf den Philippinen und weitete das Engagement mit der Zeit
       international aus. Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit ist inzwischen der Einsatz
       für indigene Communities bei Projekten der Grünen Transformation.
       
       Die Jury hebt die Vielfältigkeit in der Arbeit dieser Preisträgerin hervor
       – Carling habe mit ihrem Einsatz umweltschädliche Projekte gestoppt,
       aktivistische Organisationen in ganz Asien unterstützt und UN-Richtlinien
       zur den Rechten Indigener Frauen mitgestaltet. Sie bekomme den Preis dafür,
       „dass sie Stimme der Indigenen erhoben hat angesichts des globalen
       ökologischen Zusammenbruchs, sowie für ihre Führungsrolle bei der
       Verteidigung von Menschen, Land und Kultur“, so die Jury.
       
       ## Forensic Architecture
       
       Die [3][Forschungsgruppe am Goldsmiths College der University of London]
       wird für ihre neuen Methoden zur Ermittlung und Dokumentation von Umwelt-
       und Menschenrechtsverletzungen ausgezeichnet. Forensic Architecture,
       gegründet von dem Architekten und Schriftsteller Eyal Weizman, kombiniert
       moderne Technologie wie räumliche Darstellungen und Datenmodellierung mit
       Zeugenaussagen und historischen Belegen.
       
       Die Präsentationen werden weltweit in Gerichtsverfahren als Beweismittel
       genutzt oder bei der Aufarbeitung eingesetzt, wie etwa die Arbeiten zur
       Brandkatastrophe des Grenfell Tower 2017 oder die zum Genozid der Deutschen
       im heutigen Namibia. Die Jury des Right Livelihood Awards vergibt den Preis
       an die Gruppe „für ihre Pionierarbeit der digitalen forensichen Metoden, um
       Gerechtigkeit und Verantwortlichkeit für Opfer und Überlebende von
       Menschen- und Umweltrechtsverletzungen sicherzustellen“.
       
       3 Oct 2024
       
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