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       # taz.de -- Wahl in Tunesien: Autoritärer Präsident räumt ab
       
       > Tunesiens Präsident Kais Saied ist mit 89 Prozent wiedergewählt. Er geht
       > massiv gegen die Zivilgesellschaft vor. Das sollte Europa eine Warnung
       > sein.
       
   IMG Bild: In Tunis demonstrieren Menschen gegen den Präsideten Kais Saied, hier vor der Wahl. Die Proteste halten auch nach der Wahl an
       
       Obwohl die Auszählung der [1][Präsidentschaftswahlen] gerade erst begonnen
       hatte, feierten die Anhänger:innen von Kais Saied am Sonntagabend schon
       mit Autokorsos dessen Sieg. Das private Meinungsforschungsinstitut Sigma
       sagte dem Präsidenten einen Erdrutschsieg mit 89 Prozent der Stimmen
       voraus. Mehr als 2019, als der Politikquereinsteiger mit einer Kampagne
       gegen politische Parteien und die korrupte Elite einen Überraschungssieg
       holte.
       
       Die [2][Lebensumstände der Tunesier:innen haben sich seitdem weiter
       verschlechtert.] Statt die seit der Revolution grassierende
       Vetternwirtschaft zu bekämpfen, krempelte er die Verfassung und das
       Parlament auf eigene Faust in ein basisdemokratisches Modell um, mit
       allumfassender Macht des Präsidenten. Für die wirtschaftliche Misere machte
       er die politischen Parteien, die aus Westafrika und dem Sudan kommenden
       Migranten und dunkle Mächte verantwortlich.
       
       Nun geht [3][es der Zivilgesellschaft an den Kragen.] In der Woche vor den
       Wahlen erhielten Bürgerrechtsinitiativen Besuch von Beamt:innen, wegen
       Zahlungen von Partner:innen aus dem Ausland. „Ihr werdet von denen in
       Zukunft nichts mehr hören“, versprach Saied am Sonntag inmitten der Menge
       auf der Flaniermeile Avenue du Bourguiba in Tunis. Damit waren diejenigen
       gemeint, die mit ihrem Engagement für Meinungsfreiheit und
       Kompromissbereitschaft mit dem politischen Gegner 2015 den
       Friedensnobelpreis erhielten und Tunesien zum Vorbild in der arabischen
       Welt und dem Globalen Süden gemacht hatten. Mittlerweile reicht ein
       kritischer Kommentar in sozialen Medien, um im Gefängnis zu landen.
       
       Brüssel und Berlin hatten die B[4][ürgerrechtler:innen zehn Jahre lang
       wohlwollend unterstützt,] lassen sie nun aber im Stich. Unter anderem, weil
       Europa die Haltung Tunesiens zum Krieg in Gaza missfällt und Saied die
       Überfahrt von Migrant:innen gestoppt hat. Das [5][undurchsichtige
       Migrationsabkommen der EU-Kommission mit Tunesien] und die enge
       Partnerschaft von Italiens Premierministerin Giorgia Meloni mit Saied sind
       ein weiterer Verrat Europas an den eigenen Werten. Und politisch
       kurzsichtig.
       
       Wahlbeobachter:innen waren ausschließlich aus Venezuela, Russland und
       der Afrikanischen Union zugelassen. Saieds neue Partnerschaft mit China und
       der Brics-Allianz ist ein weiteres Anzeichen, dass die EU bereits massiv an
       Einfluss verliert. Auch weil sie Tunesien und den anderen Ländern
       Nordafrikas in der Vergangenheit keine ernsthafte wirtschaftliche
       Partnerschaft auf gleicher Augenhöhe angeboten hat. Nur so hätte das
       Monopol der alten Machteliten gebrochen werden können.
       
       Die Wiederwahl von Kais Saied sollte ein Weckruf für Berlin und Brüssel
       sein, endlich eine Nordafrika-Strategie einzuschlagen, die nicht auf
       Eigennutz, sondern auf Augenhöhe basiert. Die Verteidigung der um ihre
       Freiheit fürchtende Zivilgesellschaft wäre ein erster Anfang.
       
       7 Oct 2024
       
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