URI: 
       # taz.de -- Bundestags-Vize Aydan Özoğuz: Im Zentrum des Shitstorms
       
       > Die SPD-Politikerin Aydan Özoğuz teilte einen Beitrag über israelische
       > Bombardements auf Instagram. Nun fordern mehrere Politiker ihren
       > Rücktritt.
       
   IMG Bild: Aydan Özoguz
       
       Vor einer Woche [1][bombardierte die israelische Armee auf dem Gelände
       eines Krankenhauses im Zentrum von Gaza eine Zeltstadt.] Die Bilder von
       Patienten, die in ihren Betten verbrannten, gingen um die Welt. Die
       US-amerikanische Organisation Jewish Voice for Peace teilte in den sozialen
       Netzwerken ein Bild dieser schrecklichen Szene, versehen mit dem
       polemischen Kommentar: „This is Zionism“ („Das ist Zionismus“) – ein
       Seitenhieb auf die Staatsideologie Israels. Die SPD-Politikerin Aydan
       Özoğuz teilte diesen Beitrag anschließend auf Instagram. Seitdem steht sie
       im Zentrum eines Empörungssturms, der nicht abflauen will.
       
       Özoğuz hat ein ruhiges, vermittelndes Naturell, Polemik ist ihr fremd. Der
       Tonfall ihres Re-Postings war eher ungewöhnlich. Sie hat sich mehrmals
       entschuldigt und das Posting als Fehler bezeichnet, es ist auf Instagram
       längst gelöscht.
       
       Doch ihre Kritiker geben sich damit nicht zufrieden: Die Union und die
       Bild-Zeitung fordern seit Tagen vehement immer wieder ihren Rücktritt, die
       FDP-Politikerin Linda Teuteberg schloss sich der Forderung jetzt an. Josef
       Schuster vom Zentralrat der Juden sprach von einer „Entgleisung“, und auch
       für den israelischen Botschafter Ron Prosor und den
       Antisemitismusbeauftragten Felix Klein ist die Sache noch nicht erledigt.
       Bundestagspräsidentin Bärbel Bas, ihre Parteigenossin, hat Özoğuz zwar
       getadelt, doch SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hat sich hinter sie
       gestellt.
       
       Die 57-jährige Hamburgerin gehört zum Establishment der SPD. Seit 2009
       sitzt sie für die Partei im Bundestag. Von 2011 bis 2017 war sie im
       Bundesvorstand der SPD, von 2013 bis 2018 wirkte sie als Bundesbeauftragte
       für Migration, Flüchtlinge und Integration im Kanzleramt unter Angela
       Merkel, seit 2021 ist sie Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages. Im
       Januar gehörte sie zu einer Gruppe von SPD-Abgeordneten um Ralf Stegner,
       die mit Kollegen aus den USA und Kanada einen sofortigen Waffenstillstand
       forderten und sich damit gegen den Kurs der Regierung unter Olaf Scholz
       wandten.
       
       Özoğuz spricht und handelt meist sehr bedächtig. Kontroversen um ihre
       Person ist sie dennoch gewöhnt. Das hat auch mit ihrer türkischen Herkunft
       zu tun, denn was Aydan Özoğuz sagt, wird vor diesem Hintergrund oft
       besonders misstrauisch beäugt. Als sie 2017 die konservative Idee einer
       „Leitkultur“ kritisierte und sagte, eine spezifisch deutsche Kultur sei für
       sie jenseits der deutschen Sprache „schlicht nicht identifizierbar“,
       schäumte die Union schon einmal, und der [2][damalige AfD-Vorsitzende
       Alexander Gauland wollte sie sogar „in Anatolien entsorgen“]. Für seinen
       rassistischen Ausfall hat er sich nie entschuldigt.
       
       Jetzt schlagen die Wogen ungleich höher. CSU-Generalsekretär Martin Huber
       wirft Özoğuz sogar „Antisemitismus“ vor. Das entbehrt nicht einer gewissen
       Bigotterie, schließlich koaliert seine Partei in Bayern mit den Freien
       Wählern des umstrittenen Populisten Hubert Aiwanger, der sich nie für das
       rechtsextreme Flugblatt entschuldigt hat, das einst in seinem Schulranzen
       gefunden wurde.
       
       Aiwangers Verhältnis zu jüdischen Gemeinden in Bayern ist daher belastet.
       Das Posting, für das Özoğuz nun so hart kritisiert wird, stammt dagegen von
       der jüdischen Gruppe Jewish Voice for Peace, die aus linken Jüdinnen und
       Juden besteht, die Israels Kriegspolitik besonders scharf kritisieren.
       
       Mit Antisemitismus hat der Streit um ihr Posting wenig zu tun. Sondern mehr
       mit einer sehr deutschen Debatte, in der ein falsches Wort mehr Empörung
       auslöst als mutmaßliche Kriegsverbrechen der israelischen Armee.
       
       22 Oct 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Krieg-in-Gaza/!6042398
   DIR [2] /Buch-ueber-AfD-Fraktionsvorsitzenden/!5535251
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Daniel Bax
       
       ## TAGS
       
   DIR Antisemitismus
   DIR Schwerpunkt Nahost-Konflikt
   DIR Gaza
   DIR Aydan Özoguz
   DIR Social-Auswahl
   DIR SPD Hamburg
   DIR Antisemitismus
   DIR Antisemitismus
   DIR Demokratie
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Antisemitismus im Kulturbetrieb: Was ist Kunst, was Propaganda?
       
       Eine Tagung in Stuttgart fragt nach Antisemitismus im Kulturbetrieb. Unter
       anderem wird mehr Aufklärung über islamistische Ideologie gefordert.
       
   DIR Jüdische Feministinnen nach 7. Oktober: „Viele Bündnisse sind zerbrochen“
       
       Ina Holev und Miriam Yosef haben 2020 die Initiative Jüdisch &
       Intersektional gegründet. Ein Gespräch über Solidarität, Bildung und neue
       Bündnisse.
       
   DIR Pro und Contra zum AfD-Parteiverbot: Soll man die AfD verbieten?
       
       Seit ihren Erfolgen bei den Landtagswahlen im Osten werden wieder
       Forderungen nach einem Parteiverbot der AfD laut. Wäre das eine gute Idee?