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       # taz.de -- Personalquerelen an der Uni Göttingen: Allerorts Uni-Präsidenten unter Beschuss
       
       > Drei niedersächsische Hochschulen werden von Streitigkeiten lahm gelegt.
       > Die CDU findet, der SPD-Wissenschaftsminister sei daran nicht unschuldig.
       
   IMG Bild: Ist zumindest vorläufig weiter im Amt: Göttingens Unipräsident Metin Tolan
       
       Hannover taz | Die Häufung ist bemerkenswert: Gleich drei niedersächsische
       Hochschulen werden derzeit durch Führungsstreitigkeiten lahm gelegt – an
       der Universität Göttingen versucht der Senat, den Uni-Präsidenten Metin
       Tolan abzuwählen, an der Universität Vechta hat es die Präsidentin Verena
       Pietzner getroffen, die genau wie Tolan eigentlich erst die Hälfte ihrer
       Amtszeit hinter sich hat. Und an der Hochschule für Musik und Theater in
       Hannover musste gar ein Staatskommissar eingesetzt werden.
       
       ## Georg-August-Universität Göttingen
       
       Es scheint auf eine Abwahl in mehreren Etappen hinauszulaufen: Anfang
       Oktober [1][beschloss der Senat der Georg-August-Universität Göttingen mit
       großer Mehrheit die Abwahl] von Uni-Präsident Metin Tolan. Am vergangenen
       Montag widersprach allerdings der Stiftungsrat der Universität. Damit ist
       die Abwahl allerdings nicht vom Tisch, sondern nur aufgeschoben.
       
       Nun müssen zunächst beide Gremien einen Termin finden, um die Möglichkeit
       einer Einigung auszuloten. Erst dann kann der Senat eine erneute
       Sondersitzung einberufen, um seine Abwahlentscheidung zurückzunehmen oder
       zu bestätigen. Bis dahin werden weitere Wochen ins Land gehen, dabei
       schwelt diese Auseinandersetzung schon seit Monaten.
       
       Eine wichtige Rolle spielt dabei wohl das erneute Scheitern der Universität
       bei der Exzellenzinitiative. Befürworter Tolans halten es für einen
       Fehler, dies ausschließlich dem Präsidenten anzulasten – immerhin hat
       dieser die Bewerbungen nicht allein verfasst. Und Streit um die Besetzung
       der Präsidentenstelle hatte es vorher auch schon gegeben. Tolans Kritiker
       werfen ihm seinen Führungsstil vor – der habe sich auch schon vorher
       gezeigt, etwa bei der Entlassung des Vizepräsidenten Norbert Lossau.
       
       Fest steht: Innerhalb von weniger als drei Jahren hat sich die Stimmung im
       Senat gegen Tolan gedreht. Gewählt worden war er noch einstimmig, damals
       galt der brillante Wissenschaftskommunikator als Hoffnungsträger. Nun hat
       ihm der Senat das Vertrauen entzogen. Im Amt bleibt Tolan vorläufig
       trotzdem, einen Rücktritt lehnt er bisher ab.
       
       Wissenschaftsminister Falko Mohrs (SPD) hat sich früh auf die Seite Tolans
       geschlagen, brachte in einem Interview mit dem Göttinger Tageblatt gar die
       Einsetzung eines Staatskommissars ins Spiel, was manche Hochschulangehörige
       als Drohung auffassten.
       
       ## Universität Vechta
       
       Die Unstimmigkeiten an der Universität Vechta wurden medial weit weniger
       intensiv begleitet als in Göttingen, wo am Ende fast im Wochentakt interne
       Papiere an die örtliche Zeitung durchgereicht wurden. Das Ergebnis ist aber
       nicht viel anders: Mitte Oktober wurde die Präsidentin Verena Pietzner
       durch den Senat abgewählt – hier sogar einstimmig.
       
       Der Abwahl vorausgegangen waren Auseinandersetzungen um notwendige
       Einsparungen aufgrund sinkender Studierendenzahlen. In Vechta steht die
       Bestätigung durch den Hochschulrat noch aus, so lange bleibt Pietzner im
       Amt. Wissenschaftsminister Falko Mohrs (SPD) bescheinigte ihr laut
       Nordwest-Zeitung, „einen tollen Job“ gemacht zu haben.
       
       ## Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover
       
       In [2][Hannover] unterlag der interne Kandidat für das Präsidentenamt,
       Oliver Wille, knapp dem externen Bewerber Phillip Ahner. Allerdings wurden
       bei der entscheidenden Senatssitzung Formfehler gemacht. Dies nahm die
       Hochschulleitung zum Anlass, das Bewerbungsverfahren abzubrechen. Damit
       wollte sich wiederum der gewählte Kandidat nicht zufrieden geben: Er zog
       vor Gericht und bekam sowohl vor dem Verwaltungs- als auch dem
       Oberverwaltungsgericht Recht.
       
       Die Hochschule hätte zwar das Bewerbungsverfahren nicht abbrechen dürfen,
       die Formfehler wären durch eine Wahlwiederholung heilbar gewesen. Die hat
       allerdings bis heute nicht stattgefunden. Das Wissenschaftsministerium
       hatte in diesem Konflikt die noch amtierende Hochschulleitung unterstützt
       und schließlich einen Staatskommissar eingesetzt.
       
       ## Das Renommee leidet
       
       Die CDU wirft Wissenschaftsminister Falko Mohrs (SPD) vor, in all diesen
       Fällen keine besonders glückliche Figur gemacht zu haben. Vor allem im Fall
       der Universität Göttingen habe sich der Minister sehr frühzeitig öffentlich
       geäußert, statt hinter verschlossenen Türen an einer Lösung mitzuwirken,
       kritisiert die wissenschaftspolitische Fraktionssprecherin Cindy Lutz.
       
       „Wir erwarten jetzt, dass der Minister weniger Interviews gibt, sondern
       einen Beitrag zur Lösung der Führungskrisen leistet“, sagt Lutz. Die
       Fraktion fordert nun eine Unterrichtung im Ausschuss für Wissenschaft und
       Kultur durch den Minister.
       
       Einige Hochschulangehörige sehen die Schuld eher bei Mohrs’ Staatssekretär
       Joachim Schachtner, der lieber Öl ins Feuer gieße, als die Konflikte
       einzuhegen. Aus Angst vor disziplinarischen Maßnahmen wollen sie diese
       Kritik aber nur anonym äußern. Sie befürchten auch, dass hier nicht nur
       das Renommee und die Handlungsfähigkeit der einzelnen Hochschulen leidet –
       sondern letztlich die demokratische [3][Mitbestimmung und Selbstverwaltung
       der Hochschulen] nachhaltig beschädigt wird.
       
       23 Oct 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Chaos-an-der-Universitaet-Goettingen/!6032892
   DIR [2] /Politologin-ueber-postmigrantisches-Leben/!6024967
   DIR [3] https://www.mwk.niedersachsen.de/download/106102/Niedersaechsisches_Hochschulgesetz_NHG_und_Niedersaechsisches_Hochschulzulassungsgesetz_NHZG_vom_15.12.2015.pdf
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Nadine Conti
       
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