# taz.de -- Autorin über häusliche Gewalt: „Im Widerstand gegen das Schweigen“
> Aus wissenschaftlicher, aber auch ganz persönlicher Perspektive erzählt
> Barbara Peveling, warum häusliche Gewalt uns alle betrifft.
IMG Bild: Häusliche Gewalt: Es braucht mehr Aufklärung in der Gesellschaft
taz: Frau Peveling, inwieweit fließt Ihre eigene Biografie in Ihr neues
Buch zur häuslichen Gewalt?
Barbara Peveling: In dem Buch geht es um meine Geschichte aus meiner
Kindheit und den Gewalterfahrungen in der Familie, die ihren Höhepunkt in
dem Selbstmord meines Vaters fanden. Und wie sich diese Erfahrung aus
meinem Leben weiter fortgesetzt und dazu geführt hat, dass ich immer wieder
Gewalterfahrungen in heteronormativen Geschlechterbeziehungen gemacht habe.
Davon erzähle ich in blitzartigen Einblicken und verbinde das mit
soziologischen und ethnologischen Theorien.
taz: Woher nehmen Sie den Mut, so offen mit Ihren eigenen Gewalterfahrungen
umzugehen?
Peveling: Das schaffe ich durch meinen französischen Einfluss. Ohne den
hätte ich das Buch nicht schreiben können. In Frankreich gibt es immer mehr
Frauen, die ihre Geschichte als Betroffene öffentlich machen. So wie
[1][Gisèle Pélicot] im Avignon-Prozess: Was sie gerade macht, ihre eigene
Vergewaltigung öffentlich zu machen, das ist ein wahnsinniger Leidensweg.
In Frankreich besteht ein Widerstand gegen die Scham der Betroffenen. Das
hat mich getragen.
taz: Und das ist in Deutschland anders?
Peveling: Absolut. Es gibt da noch einen großen Unterschied, was die Scham
und das darüber Sprechen betrifft. Das was Pélicot macht, ist in
Deutschland noch undenkbar. Hier haben wir kaum Stimmen von Betroffenen.
taz: Woran liegt das denn?
Peveling: Das liegt an der [2][Schweigekultur]. Frauen werden zum Schweigen
gebracht. Pélicot hat den Begriff geprägt: „Die Scham muss die Seiten
wechseln.“ In Deutschland liegt die Scham noch bei den Betroffenen. Das
System des Widerstands ist noch nicht gebrochen. Wir brauchen mehr Stimmen,
die sich äußern und diese müssen ernster genommen werden. Das sieht man
auch an der Rammstein-Affäre. Männer müssen Frauen da auch mehr
unterstützen, anstatt das als Männerhass abzutun.
taz: Das würde ja nicht zuletzt auch Männern helfen. Wie Sie schreiben,
betrifft Gewalt uns alle.
Peveling: Ja, auch der Dominierende unterwirft sich nach Foucault den
Gesetzen der Dominanz. Gewalt ist eine Form dieser männlichen patriarchalen
Dominanz. Die hat eine gewisse Banalität, weil wir sie alle akzeptieren.
Der unterwerfen sich [3][auch Männer]: Auch sie haben Druck, dass sie den
gesellschaftlichen Anforderungen an ihre Rolle gerecht werden. Wenn sie
daran scheitern, werden sie oft gewalttätig – gegen andere oder gegen sich
selbst. Das ist auch mit meinem Vater passiert.
taz: Wie können wir diese Strukturen der Dominanz überwinden?
Peveling: Indem wir heteronormative Beziehungsmuster, Dominanzbeziehungen
und Rollenmuster hinterfragen. Schon in den Erwartungen dieser Rollen
steckt Gewalt.
taz: Haben Sie da Hoffnung?
Peveling: Ja. Weil es ganz tolle Menschen gibt, die sich für Veränderungen
engagieren. Wie zum Beispiel Asha Hedayati, die mit mir auftreten wird.
taz: Als Rechtsanwältin für Familienrecht und Autorin weiß sie, wie
staatliche Strukturen Frauen allein lassen.
Peveling: Genau diese Stimmen müssen gehört werden. Und die sind im Moment
total laut. Aber gerade machen andere die Arbeit, die eigentlich die
Regierung machen müsste. Es braucht mehr Fortbildungen in den
Beratungsstellen und Aufklärung in der Gesellschaft, damit Betroffene den
Mut haben, mehr an die Öffentlichkeit zu gehen.
3 Nov 2024
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## AUTOREN
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