# taz.de -- Anklage wegen Budapest-Angriffen: Vorwurf versuchter Mord
> Eine Nürnbergerin soll mit Autonomen in Budapest Neonazis überfallen
> haben. Die nun erhobene Anklage kritisiert ihr Anwalt als „überdreht“.
IMG Bild: Nürnberg, 6. Mai 2024: aus Solidarität mit Hanna S. gingen am Abend rund 250 Menschen auf die Straße
Berlin taz | Die Bundesanwaltschaft hängt ihre Vorwürfe hoch: Die oberste
Ermittlungsbehörde wirft der [1][Nürnbergerin Hanna S.] versuchten Mord und
Mitgliedschaft in einer linksextremistischen kriminellen Vereinigung vor.
Die 29-Jährige soll sich mit anderen Autonomen [2][im Februar 2023 an
schweren Angriffen auf Rechtsextreme in Budapest] beteiligt haben. Mehrere
deutsche Linke werden seitdem von ungarischen und deutschen
Sicherheitsbehörden gesucht und sind untergetaucht.
[3][Hanna S. war Anfang Mai in Nürnberg festgenommen worden]. Sie war zuvor
nicht abgetaucht, sondern offen ihrem Kunststudium und ihrer Arbeit
nachgegangen. Nach taz-Informationen war sie kurz vor ihrer Festnahme sogar
noch einer Zeugenladung bei der Polizei gefolgt.
Die Bundesanwaltschaft wirft der Gruppe um Hanna S. in Budapest fünf
schwere Angriffe auf Personen vor, die sie als Rechtsextremisten ausgemacht
hätten. An dem Februar-Wochenende hatten sich Neonazis aus ganz Europa in
Budapest [4][zu einem „Tag der Ehre“ versammelt und dort die Wehrmacht und
Waffen SS verherrlicht].
Hanna S. selbst soll sich laut Anklage an zwei Angriffen auf drei Personen
beteiligt haben. Die Opfer seien mit Schlagstöcken und einem Hammer
verprügelt worden, mit gezielten Schlägen auch gegen Kopf und Oberkörper.
In einem Fall habe ein Angegriffener erhebliche Kopfwunden erlitten, die
zum Tode hätten führen können, so die Anklage. Im zweiten Fall, einen Tag
später, habe ein Opfer mindestens 15 Schläge überwiegend gegen den Kopf
erlitten, auch der zweite Betroffene mehrere Schläge. Auch diese beiden
Männer hätten mehrere Kopfplatzwunden erlitten. Einen der Angriffe wertet
die Bundesanwaltschaft als versuchen Mord, den anderen als gefährliche
Körperverletzung.
## Anwalt kritisiert Anklage als „überdreht“
Die Anklage wurde bereits am 20. September erhoben, aber erst jetzt von der
Bundesanwaltschaft öffentlich gemacht. Der Prozess soll vor dem
Oberlandesgericht München geführt werden, das nun über die Zulassung der
Anklage entscheidet. Hanna S. soll sich zu den Vorwürfen bisher nicht
geäußert haben.
Yunus Ziyal, Anwalt von Hanna S., kritisierte die Anklage scharf. Der
Vorwurf des versuchten Mordes sei „überdreht“, die Bundesanwaltschaft wolle
das Verfahren „eskalieren“. Ziyal verwies darauf, dass der
Bundesgerichtshof beim Haftbefehl gegen Hanna S., und auch in einem
Parallelverfahren gegen die nonbinäre Person Maja T., [5][den Vorwurf des
versuchten Mordes zurückgewiesen hatte]. Verhängt wurde der Haftbefehl
stattdessen wegen gefährlicher Körperverletzungen und Bildung einer
kriminellen Vereinigung.
Ziyal sagte, es wirke, als habe die Bundesanwaltschaft keine nüchterne
juristische Prüfung verfolgt, sondern „übergeordnete Ziele“. Offenbar sei
der Vorwurf des versuchten Mordes auch ein Signal an die Untergetauchten –
denn dieser Vorwurf verjährt nicht.
## Bisher kein Auslieferungsersuchen Ungarns
Laut Ziyal und auch eines Sprechers des Oberlandesgerichts gab es im Fall
Hanna S. bisher kein Auslieferungsersuchen Ungarns. Anders war es zuletzt
im Fall Maja T. Die nonbinäre Person gehörte ebenso zu den Gesuchten nach
den Budapesten-Angriffen und war bereits im Dezember 2023 in Berlin
festgenommen worden. Zuletzt wurde [6][Maja T. unter fragwürdigen
Bedingungen nach Ungarn ausgeliefert]. Der Thüringer*in droht nun eine
langjährige Haftstrafe, der Prozess soll in Budapest geführt werden.
Erst Ende September hatten Angehörige von Maja T. und weiteren
Untergetauchten im Thüringer Jena [7][gegen die drohenden Auslieferungen
nach Ungarn demonstriert] – und für eine Zurückholung von Maja T. nach
Deutschland. Auch gegen die Festnahme von Hanna S. hatten linke
Unterstützer*innen protestiert.
Schon zuvor hatten die anderen Untergetauchten über ihre Anwält*innen
erklärt, sie würden sich stellen, wenn eine Nichtauslieferung nach Ungarn
garantiert würde. Darauf ging die Bundesanwaltschaft bisher nicht ein.
8 Oct 2024
## LINKS
DIR [1] /Nach-Angriffen-in-Budapest/!6008654
DIR [2] /Fahndung-gegen-Linksaussen/!5985352
DIR [3] /Nach-Angriffen-in-Budapest/!6008654
DIR [4] /Antifa-Aktivist-ueber-Nazi-Treffen/!5987563
DIR [5] /Nach-Angriffen-auf-Rechte-in-Budapest/!5999602
DIR [6] /Auslieferung-von-Antifaschistin/!6020213
DIR [7] /Demo-fuer-Maja-T/!6039411
## AUTOREN
DIR Konrad Litschko
## TAGS
DIR Schwerpunkt Antifa
DIR Linksextremismus
DIR Bundesanwaltschaft
DIR Budapest
DIR Ungarn
DIR Justiz
DIR Rechtsextremismus
DIR Maja T.
DIR Martin Schirdewan
DIR Schwerpunkt Antifa
DIR Budapest
DIR Ungarn
DIR Hausdurchsuchung
DIR Schwerpunkt Antifa
## ARTIKEL ZUM THEMA
DIR Inhaftierte Linke nach Budapest-Angriff: „Großer psychischer Druck“
Linken-Abgeordnete besuchen Festgenommene nach Angriffen auf Neonazis in
Budapest – und warnen vor Auslieferungen nach Ungarn. Einem Grünen wird ein
Haftbesuch in Budapest verwehrt.
DIR Leipziger vier Jahre auf der Flucht: Flüchtiger Autonomer Johann G. in Thüringen gefasst
Vier Jahre war der Autonome Johann G. auf der Flucht, nun wurde er gefasst.
Er gilt als Kopf der Gruppe um Lina E., die Angriffe auf Neonazis verübte.
DIR Maja T.s Vater über die Haft: „Größtes Problem ist Isolationshaft“
Seit drei Monaten sitzt Maja T. im Gefängnis in Ungarn, wohin sie
ausgeliefert wurde. Ihr Vater Wolfram Jarosch berichtet, was das für sie
bedeutet.
DIR Demo für Maja T.: Briefe aus der Haft
In Jena demonstriert die Zivilgesellschaft gegen die Auslieferung von
Antifas. Der Vater von Maja T. berichtet, wie es T. in ungarischer Haft
geht.
DIR Doku über fragwürdige Polizeieinsätze: Zerstörte Sicherheit
Eine Doku zeigt, was Hausdurchsuchungen bei Betroffenen anrichten. Ein
Psychologe berichtet von Symptomen posttraumatischer Belastungsstörung.
DIR Inhaftierte Antifa-Person: Linke besuchen Maja T.
Die antifaschistische Person sitzt seit Juni in Haft in Budapest. Dort
kritisierten Martin Schirdewan und Martina Renner die Haftbedingungen.