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       # taz.de -- Abriss des Berliner Jahnstadions: Zukunft gegen Vergangenheit
       
       > Seit Jahren wird die Zukunft des Jahnstadions diskutiert, nun haben die
       > Abrissarbeiten begonnen. Ein Eilantrag könnte das Vorhaben noch
       > aufhalten.
       
   IMG Bild: Die ersten Spuren der Abrissarbeiten direkt an der Frontseite des Stadions
       
       Berlin taz | Noch hört man die lebhaften Gespräche einer Schulklasse, wenn
       man sich am Mittwoch Vormittag dem Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark in
       Prenzlauer Berg nähert. Der halbtransparente Sichtschutz und eine
       Baggerschaufel am Eingang lassen erahnen, dass sich das bald ändern wird.
       Spätestens wenn man direkt vor dem Stadion steht, sieht man die
       Betonstreben herausragen.
       
       Seit Jahren wird über die [1][Zukunft des Berliner Jahnstadions]
       diskutiert. Anfang dieser Woche haben nun die Abrissarbeiten in Prenzlauer
       Berg begonnen. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen
       hat den [2][Abriss und Neubau des Jahnstadions] beschlossen. Anschließend
       soll der gesamte Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark umgestaltet werden.
       Geplant sind neue Sportanlagen wie Fußball-, Beachvolleyball- und
       Tennisplätze sowie eine Multisporthalle und ein Begegnungszentrum. Unter
       dem Slogan „Jahnsportpark für Alle!“ wird vor allem die Idee betont, das
       Stadion inklusiver zu gestalten.
       
       Doch nicht alle sind begeistert. Der Umweltverband „NaturFreunde Berlin“
       hatte bereits angekündigt einen Eilantrag gegen den Abriss beim Berliner
       Verwaltungsgericht stellen zu wollen. Der Antrag sei am Dienstagnachmittag
       eingegangen und liege nun den Richtern vor, teilte eine Sprecherin des
       Gerichts mit. Der Verband wirft dem Senat vor, die Auflagen zum
       Umweltschutz nicht ausreichend erfüllt zu haben. Besonders kritisch sehen
       sie das Fällen von 50 Bäumen, die 350 Nisthöhlen für 25 Vogel- und neun
       Fledermausarten bieten sollen. Diese Quartiere seien bislang nicht ersetzt
       worden, so die Kritik. Auch die [3][Bürgerinitiative Jahnsportpark], die
       sich zur Rettung des Stadions gegründet hat, unterstützt den Eilantrag. Die
       Senatsverwaltung betont hingegen, dass alle erforderlichen Maßnahmen zum
       Schutz der Artenvielfalt umgesetzt werden. „Ich muss Ihnen sagen, die
       Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hat immer sehr, sehr ordentlich
       gearbeitet, gerade auch in dem Bereich. Wir werden sehen, ob der Eilantrag
       vom Gericht überhaupt angenommen wird“, sagte die SPD Innen- und
       Sportsenatorin Iris Spranger.
       
       ## Eine „Berlin-eigene Qualität“
       
       Neben den Umweltschutzbedenken gibt es auch weitere Kritikpunkte. Die
       Bürgerinitiative Jahnsportpark sammelte über 14.000 Unterschriften, um die
       Maßnahmen zu verhindern. Aus ihrer Sicht sind Abriss und Neubau weder nötig
       noch finanziell nachhaltig. Allein die Arbeiten am Stadion sollen dabei
       knapp 200 Millionen Euro kosten. Auf Anfrage der taz schreibt die
       Initiative: „Weder dem Inklusions- noch Schulsport hilft es, wenn hier über
       200 Millionen in ein neues Profi-Fußballstadion gesteckt werden.“
       Stattdessen plädieren sie dafür, das historische Stadion umzubauen, dabei
       die ikonischen Lichtmasten zu erhalten und es mit modernen Tribünen und
       Technikräumen auszustatten. Sie betonen außerdem die soziale und
       historische Bedeutung des Stadions, besonders für den Osten Berlins. Das
       Stadion habe einen „großen sozialen Wert für Sporttreibende“ und
       repräsentiere eine „Berlin-eigene Qualität“.
       
       Ein Sportler vor Ort erzählt, dass er bei den ganzen Plänen nicht mehr
       durchblicke. „Der eine erzählt das, und der andere wiederum, dass das nicht
       stimmt.“ Auch mögliche Asbest-Rückstände im Mauerwerk waren bereits Teil
       der Diskussionen. „Ich kann die Motive nicht wirklich einschätzen, aber ich
       würde mich freuen, wenn die umliegenden Schulen das Stadion nutzen
       könnten“, betont er.
       
       Die historische Bedeutung des Stadions ist nicht zu leugnen. Im Jahnstadion
       wurden ein Dutzend Leichtathletik Weltrekorde aufgestellt, die von
       zehntausenden ZuschauerInnen bejubelt wurden. Einer der bedeutendsten
       Weltrekorde ist der Speerwurf von Uwe Hohn, der über 100 Meter weit (alter
       Speer) flog. Er bleibt damit bis heute der einzige Deutsche, der die
       Hundertermarke geknackt hat. Auch die Sprinterin Marlies Göhr erreichte
       Bedeutendes im Jahnstadion, indem sie 1983 ihren eigenen Weltrekord ein
       drittes Mal verbesserte. Zudem fanden im Stadion zehn Länderspiele der
       Fußballnationalmannschaft der DDR statt, von denen sie kein einziges
       verloren.
       
       9 Oct 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Konflikt-um-Berliner-Jahnsportpark/!5837755
   DIR [2] /Abriss-und-Neubau-des-Jahnstadions/!5903109
   DIR [3] https://www.jahnsportpark.de/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Luisa Holzkamp
       
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