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       # taz.de -- Serie „Disclaimer“ mit Cate Blanchett: Heiße Affäre, ungeklärte Fragen
       
       > Hinter dem Glamour einer erfolgreichen TV-Journalistin stehen unangenehme
       > Wahrheiten. Aber welche genau? Und für wen? Das ist auch eine
       > Klassenfrage.
       
   IMG Bild: Schnell das Enthüllungsbuch verbrennen, denkt sich Catherine (Cate Blanchett). Leider hat das Townhouse einen Brandmelder
       
       Es dauert maximal drei Episoden bis man als Zuschauer_in trotz
       verschiedener Erzählstränge und Zeitebenen das Gefühl hat: Ich habe alles
       durchschaut.
       
       [1][Catherine (Cate Blanchett)] bekommt am Abend, nachdem sie gerade als
       TV-Journalistin ausgezeichnet worden war, ein noch unveröffentlichtes Buch
       nach Hause geschickt. Sofort beginnt sie zu lesen und stockt schon beim
       [2][„Disclaimer“]: „Jede Ähnlichkeit mit lebenden oder toten Personen ist
       kein Zufall.“ Schnell stellt sie erschreckt fest, dass die Geschichte von
       ihr handelt. Einer Frau, die ihr Kind und ihren Mann vernachlässigt, im
       Italien-Urlaub eine heiße Affäre mit dem jungen Jonathan (Louis Partridge)
       beginnt. Am Ende dieses Urlaubs ist Jonathan tot – ertrunken im Mittelmeer.
       
       Niemand sollte jemals davon erfahren, es war ihr am besten gehütetes
       Geheimnis. Doch auf einmal taucht dieser Roman überall auf: bei ihrem Sohn
       (Kodi Smit-McPhee) im Elektroladen, bei ihrem Ehemann (Sacha Baron Cohen)
       auf dem Schreibtisch, bei ihrer Lieblingsbuchhändlerin in der Auslage oder
       an ihrem Arbeitsplatz für alle Kolleg_innen. Denn Jonathans Vater Stephen
       (Kevin Kline), ein verbitterter älterer Lehrer, will Jahre später Rache
       nehmen.
       
       Ungeklärte Fragen gibt es nach der knappen Hälfte der Serie kaum. Nur das
       Wissen, dass noch vier weitere einstündige Episoden folgen werden, legt den
       Verdacht nahe, dass doch nicht alles so sein kann, wie es auf den ersten
       Blick scheint.
       
       ## Aussagekräftige Settings
       
       Diese fehlende Unklarheit führt dazu, dass der Thriller keine Spannung im
       klassischen Sinne aufbaut. Umso mehr bleibt beim Zuschauen Raum für die
       Details: ein teurer Rotwein, der kreisförmig im Glas geschwenkt wird, die
       Katze, die einen frisch gebratenen Fisch ableckt, oder die Füchse, die
       durch (un)gepflegte Vorgärten und Straßen spazieren. Details, die nur der
       ästhetischen Inszenierung oder auch der Handlung dienen?
       
       Eine Frage, die nicht immer eindeutig zu beantworten ist, denn beizeiten
       scheint die Ästhetik der wahre Hauptdarsteller der Serie. Kein Wunder,
       schließlich ist der Regisseur [3][Alfonso Cuarón] („Pans Labyrinth“,
       „Roma“) die Inszenierung für die große Leinwand gewohnt, „Disclaimer“ ist
       seine erste Serie. Dafür hat er sich aussagekräftige Settings überlegt: Das
       Londoner Townhouse des Ehepaars Catherine und Robert ist fast zu schön, um
       darin zu wohnen. Die Kleidung und die Wohnung voller krabbelnder Insekten
       des Lehrers Stephen scheinen dagegen fast schon zu dreckig, um sich darin
       auch nur kurz aufzuhalten
       
       Die Bilder sind stimmig, aber kratzen am Klischee und rutschen manchmal in
       die Überzeichnung. Wie wenn der betrogene Ehemann mit der Whisky-Flasche im
       Arm im Auto schläft oder die junge Assistentin von Catherine ihr wütend
       hinterher schreit: „Du bist gecancelt.“
       
       Doch diese Szenen bleiben in einer ansonsten bemerkenswerten filmischen
       Umsetzung die Ausnahme. Darüber hinaus besticht sie mit außergewöhnlichen
       Perspektiven. So, wenn Catherine minutenlang durch den Briefschlitz einer
       Haustür versucht, mit Stephen zu sprechen und immer nur ihr Mund oder ihre
       Augen zu sehen sind. Dazu gibt es drei unterschiedliche Erzählerstimmen aus
       dem Off, die Kameraführung und das Lichtspiel ändern sich je nachdem,
       welche Protagonist_in gerade zu sehen ist.
       
       Eine Umsetzung, die das Thema der Serie unterstreicht. Denn in dem Thriller
       geht es nicht um eine klassische Ermittlungsgeschichte, sondern um die
       Frage der Wahrheit. Denn wer von allen erzählt die Wahrheit? Niemand, alle
       oder hat einfach jeder und jede seine eigene?
       
       11 Oct 2024
       
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   DIR Carolina Schwarz
       
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