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       # taz.de -- Merz beim CSU-Parteitag: Geschlossene Gesellschaft
       
       > Und wenn Söder doch der Bessere wäre? Den Gedanken verbietet sich die
       > CSU. Stattdessen bereitet sie CDU-Chef Merz einen euphorischen Empfang.​
       
   IMG Bild: Faselt mal nicht von„Mindermeinung“: Söder in der Verbeugung vor Merz
       
       Augsburg taz | Mission erfüllt, könnte man meinen. Er verspreche 100
       Prozent Unterstützung für [1][Friedrich Merz], hat [2][Markus Söder] tags
       zuvor noch gesagt. Er wolle auch ein Signal setzen „an all die linken
       Ideologen und andere“. Sie sollten sich keine Hoffnung machen: „Es wird
       keinen Streit, es wird keinen Zwist geben. Wir schicken Olaf Scholz
       gemeinsam in die Rente.“ Maximale Geschlossenheit zu demonstrieren, nach –
       gelinde gesagt – schwierigen Jahren zu zeigen, dass die Union wieder ihren
       Namen verdiene, darum ging es, als am Freitag und Samstag die CSU in
       Augsburg zu ihrem Parteitag zusammenkam. Und es ist gelungen.
       
       Ganz gleich, ob es – schwer vorstellbar – Absicht des CSU-Chefs war, eine
       eher mittelmäßige, mitunter etwas langatmige Rede zu halten, um dem
       CDU-Kollegen nicht die Schau zu stellen, oder ob er tatsächlich nicht in
       Höchstform war, der Effekt war letztendlich der beabsichtigte. Und ganz
       gleich, ob Friedrich Merz die CSU-Delegierten tatsächlich derart
       mitzureißen vermochte oder ob sie dem Gast aus Parteiräson deutlich mehr
       Begeisterung und Jubel entgegenbringen wollten als dem eigenen Chef, auch
       das hat funktioniert.
       
       Ob sich noch jemand an die Unterhaltungsshow „Dalli Dalli“ erinnere, fragt
       Söder nach Merz’ Rede und ruft: „Das war …“ Die Delegierten stimmen im Chor
       ein: „… Spitze.“ So wenig Söder-Show war noch nie auf einem CSU-Parteitag,
       seit der Franke 2019 den Parteivorsitz von Horst Seehofer übernommen hat.
       
       In der Tat ist Merz’ Auftritt am Samstag zwar kein rhetorisches Feuerwerk,
       aber doch kämpferischer, kurzweiliger und präziser als der vorherige von
       Söder. „Man habe wieder zu einem neuen Miteinander gefunden“, freut sich
       der CDU-Chef, stellt natürlich Söders Beitrag an dieser Entwicklung heraus
       und skizziert seine Prioritäten für einen Politikwechsel in Deutschland. Er
       wolle keinen Migrationswahlkampf führen, behauptet Merz. Aber wenn die
       Ampel in der Frage immer auf der Bremse stehe, werde man das Thema im
       Wahlkampf eben doch immer wieder auf den Tisch bringen müssen.
       
       ## Wie hält er’s mit den Grünen?
       
       Die Freiheit, die Sicherheit Deutschlands sieht Merz gefährdet, und das
       habe eben „auch etwas mit irregulärer Migration“ zu tun. Klar, er habe
       nichts gegen [3][Migration], sein Bundesland Nordrhein-Westfalen sei ohne
       Migration gar nicht denkbar; aber es seien eben vor allem die jungen
       Männer, die in den letzten zehn Jahren als Flüchtlinge nach Deutschland
       gekommen seien, die uns „die allergrößten Problem machen“, und wenn sich
       Frauen nicht mehr in die Innenstädte trauten, dann müsse man eben … genau.
       
       Verglichen mit Söder am Vortag hält sich Merz aber tatsächlich nur kurz bei
       dem Thema auf, spricht dann über die Wiederherstellung der
       Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie, verspricht, dass ein
       unionsregiertes Deutschland sich wieder stärker in Europa engagieren
       werden. Es folgt ein kurzes – natürlich unter allen Vorbehalten
       formuliertes – Lob an Gerhard Schröder und seine Agenda 2010 sowie die
       Forderung, es ihm nun mit einer Agenda 2030 gleichzutun. Etwas Spott über
       die Vielzahl der von der Bundesregierung eingesetzten Beauftragten und
       Sahra Wagenknechts „Sozialismus in Chanel“ lässt den Saal schließlich
       toben.
       
       Und dann die Gretchenfrage, die Grünenfrage: Wie hält’s Merz mit ihnen? Es
       ist der einzige Punkt, bei dem in den vergangenen Wochen ein Hauch von
       Dissens zwischen Söder und Merz zu erahnen war. Am Vortag hat Söder noch
       einmal klargemacht, dass mit ihm eine schwarz-grüne Koalition nicht infrage
       komme, hat die Grünen als die Hauptschuldigen an der aus CSU-Sicht
       miserablen Performance der Bundesregierung ausgemacht, den „eigentlichen
       Täter“. Einen Großteil seiner Rede nutzte er für eine Philippika gegen die
       Regierungspartei. Sie blieben Linke und Ideologen und „immer und immer
       wieder gegen Bayern“, sagte Söder. „Die Grünen sind ein wichtiger
       Bestandteil für die Demokratie – für die Opposition.“
       
       ## Kein Spaß mit der SPD
       
       Söder warnte vor schwarz-grünen Gedankenspielen. Wenn die Union sich eine
       Koalitionsoption mit den Grünen offen halte, so seine These, werde sie bei
       der Wahl weniger als 30 Prozent holen. Er sei „aber nicht bereit, wieder
       eine schwache Mehrfachregierung zu riskieren“. In der Frage hatte es im
       Vorfeld des Parteitags bereits Unruhe gegeben – in diesem Fall sogar
       innerhalb der CSU. Als sich der stellvertretende CSU-Vorsitzende Manfred
       Weber in einem Interview nicht ganz so apodiktisch äußern wollte wie Söder,
       bezog er umgehend verbale Hiebe von Landesgruppenchef Alexander Dobrindt,
       Fraktionschef Klaus Holetschek und Söder selbst. Demokraten müssten immer
       miteinander sprechen können und versuchen, Wege des Miteinanders zu finden,
       hatte Weber anzumerken gewagt. Eine „Mindermeinung“, befand Söder.
       
       Merz nun zieht sich wie zuletzt mit einer ungefährlichen Floskel aus der
       Affäre: „Mit diesen Grünen, so wie sie heute da sind, ist auch aus meiner
       Sicht eine Zusammenarbeit nicht denkbar und nicht möglich.“ Für die Zeit
       eventueller Koalitionsgespräche lässt der Satz freilich alles offen. Denn
       die Frage, ob morgen die Grünen, wie sie dann da sind, noch die sind, wie
       sie gestern da waren, liegt in der Beurteilung des morgigen Betrachters und
       ist für heute irrelevant.
       
       Immerhin: Gar so deutlich wie Söder will Merz nicht werden – vielleicht
       auch im Wissen, dass eine zu frühe Festlegung nur der SPD in die Hände
       spielt. Denn: „Wenn dann nur noch die Sozialdemokraten übrigbleiben, wird
       es auch kein Vergnügen“, sagt Merz dann doch noch. Gerade in der
       Verteidigungspolitik, aber etwa auch in der Sozialpolitik werde es dann
       „verdammt schwierig“. Er warne daher vor einem Koalitionswahlkampf, die
       Union solle sich darauf konzentrieren, den Menschen zu sagen, was sie
       wolle, und nach der Wahl sehen, wie sie es umsetze.
       
       Ganz anders als etwa mit dem Dauerrivalen Weber scheint Söder mit Merz
       inzwischen tatsächlich eine strapazierfähige Partnerschaft zu verbinden.
       Neben vielen Kompetenzen, die der CDU-Chef mitbringe, sei für die CSU
       wichtig, „dass er das richtige Koordinatensystem in der Migrationsfrage
       hat“. Dem Thema räumte er selbst denn auch neben der Attacke auf die Grünen
       den größten Raum ein.
       
       ## Leitantrag für Asylwende
       
       „Wir werden in der Migrationspolitik ein neues Kapitel in der deutschen
       Politik aufschlagen“, kündigte Söder an und rechnete beispielsweise vor,
       dass man mit dem Geld, das Bayern von 2018 bis 2025 für Flüchtlinge
       ausgegeben haben werde, fünfzigmal die Allianz-Arena hätte bauen können.
       Die 18 Milliarden Euro wären besser für Familien, Pflege und Kinder
       ausgegeben worden. Es brauche jetzt eine echte Asylwende, forderte Söder.
       Manch einer fühle sich in seinem Stadtteil nicht mehr so daheim – eine
       Behauptung, die man in der jüngeren Vergangenheit häufig von Söder hört.
       
       Söder forderte eine Obergrenze von 100.000 Flüchtlingen, die im Jahr nach
       Deutschland dürften, Zurückweisungen an der Grenze, Abschiebungen nach
       Syrien und Afghanistan sowie eine Abschaffung des individuellen Rechts auf
       Asyl. Forderungen, die sich mitsamt einiger weiterer auch in einem
       Leitantrag wiederfinden, den die Delegierten am Samstagvormittag noch
       schnell verabschieden. Ohne Widerspruch. Ohne Wortmeldung.
       
       Als Friedrich Merz den Delegierten zum Schluss noch einen Tipp für die
       Herausforderungen der Zukunft mit auf den Weg geben will, lässt der
       CDU-Chef durchblicken, dass in ihm halt doch ein alter Anarcho steckt, und
       zitiert den auf den Bayern Herbert Achternbusch zurückgehenden
       Sponti-Klassiker: „Du hast keine Chance, aber nutze sie.“ Naja, fast. Mehr
       so sinngemäß. In Wirklichkeit ist es eine etwas umständlichere Version des
       Spruchs, die Merz den Delegierten vorträgt: „Diejenigen, die glauben, es
       sei nicht möglich, werden gebeten, diejenigen nicht zu stören, die es
       trotzdem versuchen.“ Der Spruch soll im Büro von Emmanuel Macron hängen.
       
       12 Oct 2024
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Dominik Baur
       
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