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       # taz.de -- Sicherheitspaket der Ampel: „Menschliches Armutszeugnis“
       
       > Noch diese Woche will die Ampel ihr Sicherheitspaket verabschieden. Von
       > zivilgesellschaftlichen Organisationen und Opposition kommt Kritik.
       
   IMG Bild: Gesichtserkennung: Für Julia Duchrow von Amnesty International ist das ein massiver Eingriff in die Privatsphäre
       
       Berlin taz | „Massiver Eingriff in die Privatsphäre“, „menschliches
       Armutszeugnis“, „noch mehr „Racial Profiling“: Das sind Reaktionen auf die
       neue Vorlage des Sicherheitspakets der Ampelkoalition. Am Donnerstag soll
       der Bundestag darüber abstimmen, sodass das Gesetzespaket am Freitag durch
       den Bundesrat kann.
       
       Am vergangenen Freitag hatten sich die Ampelparteien nach Kritik von
       Sachverständigen aus dem Innenausschuss [1][noch auf Änderungen geeinigt].
       Beim biometrischen Abgleich von Fotos mit solchen aus dem Internet, also
       bei der Gesichtserkennung, gab es Veränderungen. Sowohl der Polizei als
       auch dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) soll die Praktik
       erlaubt werden. Die Polizei soll sie nach der Überarbeitung nur noch bei
       besonders schweren Straftaten und zur Ermittlung von Tatverdächtigen
       anwenden dürfen.
       
       Julia Duchrow, Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland,
       kritisiert, die Behörden dürften dadurch alle im Internet veröffentlichten
       Fotos, Videos oder Tonaufnahmen mit Stimm- und
       Gesichtserkennungstechnologie analysieren. „Dieser massive Eingriff in die
       Privatsphäre kann Menschen davon abhalten, ihr Recht auf Protest
       wahrzunehmen, da sie befürchten müssen, dass ihre Äußerungen und
       Aktivitäten durchleuchtet werden“, sagte sie der taz.
       
       [2][Die Leistungen für Asylbewerber:innen], für die nach dem
       Dublin-Verfahren ein anderer Staat zuständig ist, sollen gestrichen werden.
       Nach Dublin müssen Flüchtlinge in dem EU-Land Asyl beantragen, in dem sie
       als Erstes ankommen. Kritiker:innen der Leistungen verweisen darauf,
       dass die Leistungen für diese Flüchtlinge einen Anreiz böten, in
       Deutschland zu bleiben.
       
       Laut Marcel Emmerich, Bundestagsabgeordneter und Obmann der Grünen im
       Innenausschuss, konnten die Grünen in den Verhandlungen „rechtswidrige
       Pushbacks durch Leistungskürzungen verhindern“. Leistungen sollen demnach
       erst gestrichen werden, wenn Betroffene auch wirklich ausreisen können,
       wenn also das Ankunftsland die Bereitschaft zur Aufnahme erklärt und ein
       Abschiebeflug gebucht ist. Wer dennoch nicht ausreist, soll zwei Wochen
       lang eine Überbrückungsleistung erhalten, die nur das Nötigste decken soll.
       
       Für Sophia Eckert, politische Referentin für Flucht, Migration und
       Behinderung bei Handicap International, ist dieses Vorhaben nicht mit dem
       Grundgesetz, dem Europarecht und der UN-Behindertenrechtskonvention
       vereinbar. Sie befürchtet zudem, dass Menschen mit Behinderung wohnungslos
       gemacht werden könnten, wenn die Behörden keinen Härtefall feststellen, und
       spricht von einem „menschlichen Armutszeugnis“.
       
       Innerhalb sogenannter Messerverbotszonen dürften die Behörden laut Vorlage
       anlasslose Kontrollen durchführen. Auch, wenn auf dem Papier die sogenannte
       Racial-Profiling-Praxis ausgeschlossen wird, wird befürchtet, dass es in
       der Praxis dennoch dazu kommen wird. Laut Clara Bünger,
       Bundestagsabgeordnete der Linkspartei und Obfrau im Rechtsausschuss, könne
       mehr Sicherheit nur mehr Sicherheit für alle bedeuten. „Durch die
       Erweiterung anlassloser Kontrollen wird es noch mehr „Racial Profiling“
       geben“, sagte sie der taz.
       
       Für den Grünen Marcel Emmerich sind die Änderungen hingegen
       zufriedenstellend. „Das Sicherheitspaket wird durch Änderungs- und
       Entschließungsanträge ergänzt, um die Wirkung rechtsstaatlich und effektiv
       zu steuern, die Prävention zu stärken und rechtlichen sowie praktischen
       Bedenken Rechnung zu tragen“, sagte er der taz.
       
       Als Auslöser für das Sicherheitspaket gilt das Messerattentat von Solingen
       Ende August, bei dem der mutmaßliche Attentäter drei Menschen tötete. Die
       Tat führte zu Diskussionen, da der Mann wohl ausreisepflichtig war.
       Kritiker:innen sehen hier das Bestreben der Ampelkoalition, bei
       asylkritischen Wähler:innen auf Stimmenfang zu gehen.
       
       14 Oct 2024
       
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