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       # taz.de -- Rechtsregierung in Israel: Gegen Justiz, UNRWA und Demokratie
       
       > Israels Regierung wartet zur neuen Sitzungsperiode mit kontroversen
       > Gesetzesvorschlägen auf. So soll etwa das UN-Palästinenserhilfswerk
       > blockiert werden.
       
   IMG Bild: Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu spricht bei der Eröffnung der 25. Knesset-Sitzung
       
       Jerusalem taz | Ein Jahr nach dem Überfall der Hamas auf Israel zerbricht
       der [1][Burgfrieden innerhalb der israelischen Gesellschaft] zusehends. Zum
       Auftakt der Winter-Sitzungsperiode im israelischen Parlament warteten
       rechte Parteien mit einer Reihe von Gesetzesvorschlägen auf: Sie sollen die
       Unabhängigkeit der Justiz schwächen, die Medienfreiheit beschränken und die
       Arbeit des UN-Palästina Hilfswerks UNRWA erschweren.
       
       Nach dem 7. Oktober waren die politischen Auseinandersetzungen um den Umbau
       der israelischen Justiz zunächst gestoppt worden. Aufgegeben aber hatte die
       zumindest teilweise rechtsextreme Regierungskoalition um Ministerpräsident
       Benjamin Netanjahu ihre Pläne aber nie. Mitte August hielt das Israeli
       Democracy Institute fest, dass sie mit anderen Mitteln während des
       vergangenen Jahres daran weitergearbeitet hatte. Dazu zählt die Weigerung
       von Justizminister Jariv Levin, einen neuen Präsidenten für den Obersten
       Gerichtshof zu benennen, ebenso wie die [2][Missachtung von Anordnungen der
       Generalstaatsanwältin Gali Baharav Miara].
       
       In der neuen Sitzungsperiode liegen nun wieder Gesetzesvorhaben auf dem
       Tisch, die die Zusammensetzung des Obersten Gerichts betreffen: So soll ein
       Gesetzesentwurf aus den Reihen des Likud die Mitgliedschaft in der
       israelischen Anwaltskammer (IBA) künftig nicht mehr verpflichtend machen.
       Was nach bürokratischen Details klingt, hat Folgen. Noch hat die IBA zwei
       von neun Sitzen in dem Komitee, das in Israel Richterposten besetzt. Sie
       würde damit massiv an Bedeutung verlieren. Ein weiterer Vorschlag aus der
       Nationalreligiösen Partei soll die Palästinensische Autonomiebehörde
       gänzlich davon ausschließen, Petitionen an den Obersten Gerichtshof zu
       stellen.
       
       Das Gesetz zur Schließung von Medien, die die nationale Sicherheit
       gefährdeten und anhand dessen im Mai der Sender Al Jazeera in Israel
       verboten wurde, galt bisher nur temporär. Nun soll es gemäß einem Vorschlag
       aus dem Likud dauerhaft gelten und zudem ermöglichen, dass auch Webseiten
       geschlossen werden, schreibt die Zeitung Haaretz.
       
       ## Ob Orthodoxe eingezogen werden sollen, spaltet die Regierung
       
       International am meisten Aufsehen erregt die geplante Verabschiedung von
       zwei Gesetzen gegen das UN-Palästinenserhilfswerk UNRWA. Die finale
       Abstimmung war bereits für Montagabend angesetzt. Israel wirft der
       Organisation, die mit mehr als 12.000 Mitarbeitern im Gazastreifen
       maßgeblich die humanitäre Hilfe dort organisiert, vor, der Hamas
       nahezustehen. Sie soll als Terrororganisation eingestuft werden, Behörden
       in Israel wäre dann der Kontakt zur UNRWA verboten. Die Außenminister
       mehrerer westlicher Staaten, darunter Deutschland, forderten Israel auf,
       auf Einschränkungen der Organisation zu verzichten.
       
       Israel wirft mehreren UNRWA-Mitarbeitern vor, an dem Überfall am 7. Oktober
       beteiligt gewesen. Abgesehen von einzelnen Mitarbeitern [3][hat es aber
       bisher keine Beweise für eine Unterwanderung von UNRWA durch die Hamas
       präsentiert]. Die UNRWA habe außerdem Schritte zur Aufarbeitung
       unternommen, mehrere Mitarbeiter wurden bereits entlassen, betonten die
       Außenminister.
       
       Ins Straucheln geraten könnte die Regierung im Streit unter den beteiligten
       Koalitionspartnern. Trotz zahlreicher Gespräche gibt es bisher keine
       Einigung über die Frage, [4][ob ultraorthodoxe Juden künftig zum
       Armeedienst herangezogen werden sollen.] Deren Partei Vereinigtes
       Thora-Judentum drohte, dem Haushalt für das kommende Jahr nicht
       zuzustimmen, wenn Thora-Schüler keine Freistellung von der Armee bekämen.
       Die Opposition hat eine Fortsetzung der seit Jahrzehnten geltenden
       Ausnahmeregelung ausgeschlossen. Gelingt es der Regierung nicht, bis März
       2025 einen Haushalt zu beschließen, würde das Parlament automatisch
       aufgelöst und Neuwahlen angesetzt.
       
       Unterdessen gehen die Verhandlungen über einen Waffenstillstand in Gaza
       weiter. Laut arabischen Medienberichten will die Hamas einen Vorschlag über
       ein sofortiges Ende des Krieges und den Abzug aller israelischen Truppen
       aus dem Gazastreifen vorlegen. Demgegenüber steht ein Vorschlag des
       Vermittlers Ägypten über eine zunächst zweitägige Feuerpause.
       
       28 Oct 2024
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Felix Wellisch
       
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