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       # taz.de -- Syrische Geflüchtete in Jordanien: In Armut gefangen
       
       > In Jordanien müssen Geflüchtete neuerdings hohe Gebühren zahlen, um
       > arbeiten zu können. Das hängt auch mit fehlenden Hilfsgeldern zusammen.
       
   IMG Bild: Nach zwei Jahren hoffnungslos: Bushraa Aqloufi arbeitet als Ehrenamtliche sechs Stunden pro Woche und bekommt dafür 7,66 Euro
       
       Amman/Zaatari taz | In einer weiten, dürren Landschaft im Norden
       Jordaniens, der nordarabischen Wüste Badia, lebt Bushraa Aqloufi in einem
       drei mal sieben Meter langen Container. Das Wohnzimmer ist fast opulent
       eingerichtet, die Tische überfüllt mit kleinem Nippes, Kannen und
       Schatzkästchen, glänzende Fliesen liegen auf dem unterliegenden Schotter.
       In der Ecke steht ein künstlicher Wasserfall, mit braunen Steinen und
       grünen Pflanzen aus Plastik. Doch der Wasserfall ist trocken, der Raum
       still.
       
       „Es hat sich einiges geändert, seitdem wir uns vor zwei Jahren gesehen
       haben“, sagt die junge Frau in pink Hemd und Hose mit passendem Schleier
       und schaut nachdenklich in den Raum. „Seit dem Konflikt in Gaza ist es
       schwieriger geworden, eine Arbeit zu finden“, sagt die 23-Jährige, die
       gemeinsam mit ihrer Mutter in dem Container im Camp Zaatari wohnt.
       
       In Jordanien leben etwa 630.0000 registrierte syrische Geflüchtete. Das
       Land hat 11,5 Millionen Einwohner*innen, davon 2,3 Millionen
       palästinensische Geflüchtete, von denen die meisten jordanische
       Staatsbürger*innen sind. Weitere 70.000 sind Flüchtlinge anderer
       Nationalitäten. Jahrelang haben die Syrer*innen eine besondere Stellung
       genossen: nahezu kostenlose Arbeitserlaubnis, Ausbildungsprogramme,
       einfacher Zugang zu Schulbildung. Vor allem dank [1][dem Jordan Compact,]
       einem Abkommen zwischen Jordanien und der Europäischen Union aus dem Jahr
       2016.
       
       Dies sah finanzielle Hilfen und einen erleichterten Zugang zum
       EU-Binnenmarkt für jordanische Produkte im Gegenzug für die Integration
       syrischer Geflüchteter in den lokalen Arbeitsmarkt vor. Viele Programme
       sind entstanden. Doch jetzt, nach dem Krieg in der Ukraine, in Gaza und
       jetzt im Libanon hat sich der Fokus der internationalen Aufmerksamkeit
       verlagert. Und mit ihm der Fluss der Hilfsgelder, die sich nun in andere
       Richtungen bewegen oder sparsamer sickern.
       
       Vor zwei Jahren erzählte Bushraa für eine Reportage über junge
       Syrer*innen in den jordanischen Camps zum ersten Mal ihre Geschichte.
       Sie war eine lebendige Frau, die vor Ideen sprudelte wie ein Vulkan. Sie
       wollte studieren, aber die Kosten machten ihr zu schaffen. Sie wollte ihre
       Instagram- und Tiktok-Kanäle ausbauen, sprach mit Menschen in anderen
       Ländern über Menschenrechte. Sie hatte viele Ideen, jedoch keinen konkreten
       Plan. Was ihr aber nicht fehlte: Hoffnung.
       
       Heute wirkt Bushraa desillusioniert. Ihre Social-Media-Projekte hat sie
       aufgegeben, zu teuer sind Handys mit guten Kameras. Auch die Uni ist in
       weite Ferne gerückt. Was sie sich jetzt wünsche? „Arbeit oder Reisen“,
       antwortet sie. Reisen bedeutet unter Geflüchteten nicht Urlaub, sondern
       Flucht. In ein anderes, meist westliches Land. Auf legalem Weg mit
       Resettlement-Programmen oder illegal. Über Libyen etwa, in einem der vielen
       Schlepperboote voller Migrant*innen, die das Mittelmeer durchqueren.
       
       Plötzlich spritzt Wasser aus dem Wasserfall in der Ecke, der Ventilator
       beginnt zu surren, die Lichter springen koordiniert an. Es ist Mittag, die
       Solaranlage, die Deutschland vor sieben Jahren mitfinanziert hat, ist
       angegangen. Strom fließt im Lager zwischen 12 und 17 Uhr, und dann wieder
       von 19 bis 23 Uhr. „Das macht es schwierig, am Laptop zu arbeiten“, erwähnt
       Bushraa. Doch nicht nur der Strom ist begrenzt.
       
       Seit dem Sommer 2023 bekommen bedürftige Geflüchtete in Jordanien vom
       Welternährungsprogramm (WFP) nur 19 Euro im Monat statt 29 Euro, um sich
       etwas zum Essen zu kaufen. Das WFP beklagte 2023 ein Spendendefizit von 41
       Millionen US-Dollar, etwa 37 Millionen Euro. Die Folgen spüren Länder wie
       Jordanien, Libanon und die Türkei, die die meisten syrischen Geflüchteten
       beherbergen. Die internationale Finanzierung seines Aufnahmeprogramms sei
       zu knapp 7 Prozent gesichert, sagte der jordanische Außenminister Ayman
       Safadi auf einer Konferenz in Brüssel im Juni vergangenen Jahr. 2016 waren
       es noch 70 Prozent. „Sie merken die Richtung“, sagte er.
       
       Im größten syrischen Flüchtlingslager weltweit ist die Welt vieler
       Geflüchteter kleiner geworden. Keine von beiden, weder Mutter noch Tochter,
       hat mehr einen richtigen Job. Bushraa arbeitet als Ehrenamtliche für ein
       Gesundheitsprojekt, zweimal die Woche für drei Stunden am Tag, dafür
       bekommt sie wöchentlich 7,66 Euro. Mutter Fatimah arbeitete vor der
       Pandemie außerhalb des Camps in der Stadt in einem Modegeschäft. Sie hatte
       ein gutes Einkommen.
       
       Doch dann kam die Pandemie und sie verlor ihren Arbeitsplatz. So wie viele
       andere verlassen die beiden kaum die Camps. Wozu auch? Sie haben kein Geld,
       das sie ausgeben können, keine Arbeit, um Geld zu verdienen. „Ich fühle
       mich so, als ob wir im Gefängnis wären“, sagt die Mutter seufzend.
       
       Daten des UNHCR zeigen, dass die ehrenamtlichen Stellen für Geflüchtete
       abgenommen haben. Eine Arbeitserlaubnis zu bekommen ist zudem für die
       meisten unerschwinglich. Denn seit dem 1. Juli müssen die meisten syrischen
       Geflüchteten in Jordanien für eine Arbeitserlaubnis hohe Gebühren zahlen –
       je nach Art und Sektor kommt man schnell auf mehrere Hundert Euro pro Jahr.
       Für eine sogenannte flexible Erlaubnis, mit der sie nicht an einen
       bestimmten Arbeitgeber gebunden sind, können nun über 600 Euro fällig sein
       – zusätzlich zu einmaligen Arztkosten von rund 100 Euro und verpflichtenden
       Rentenbeiträgen, die monatlich mit etwa 70 Euro zu Buche schlagen. Für
       Menschen, die 2 Euro pro Stunde verdienen, eine unhaltbare Last.
       
       Die Ursachen für die neuen Gebühren sind umstritten: NGOs und
       Expert*innen verweisen auf das Ende eines von der Weltbank finanzierten
       Programms im Rahmen des Abkommens Jordan Compact, doch die Weltbank
       dementiert. Aus informierten Kreisen ist zu hören, die Änderungen hätten
       auch mit dem Krieg in Gaza zu tun und mit der Angst vor einer erneuten
       Migrationswelle. Eine Welle, die eventuell das letzte Bollwerk
       Gastfreundlichkeit in der angeschlagenen Region wegspülen könnte.
       
       Die neue Regelung führe dazu, dass Menschen in die Prekarität gedrängt
       werden, sagt die deutsche Politikwissenschaftlerin Katharina Lenner, die zu
       den neuen Gebühren geforscht hat. Das setzt sie dem Risiko von
       willkürlichen Verhaftungen und Abschiebungen aus. „Alle Menschen, mit denen
       wir gesprochen haben, sagten: Wenn es so weitergeht, können wir sie (die
       Arbeitserlaubnis; d. Red.) uns nicht mehr leisten.“ In allen
       Lebensbereichen stiegen die Kosten massiv an, damit ist für viele
       Syrer*innen ein würdevolles Leben kaum noch möglich.
       
       Auf die Frage, ob Bushraa sich die neuen Gebühren leisten kann, lacht sie
       nur. Ihre Familie weiß nicht einmal, wie sie ihren alltäglichen Bedarf
       finanzieren kann. „Wir kaufen auf Kredit. Der Minimarkt um die Ecke hat
       eine lange Liste von uns“, schmunzeln die Frauen. Wenn die Liste zu lang
       wird, gehen sie in den nächsten.
       
       ## 67 Prozent gelten als arm
       
       Die Familie lebt in Sektor 5, Block 10. In einem Camp, das jetzt schon eine
       Kleinstadt ist. In dem die Adressen aus Ziffern bestehen und die Straßen
       oft aus Sand und Staub. In dem Kinder umherrennen, Fußball spielen und Esel
       Metallkutschen und Karren voller Orangen ziehen. Zwischen den grauen
       verbeulten Wellblechzäunen und den beigen Plastikplanen liegen kleine
       Gärten, in denen Familien Zitronen- und Olivenbäume angepflanzt haben.
       
       Gut 67 Prozent der Syrer*innen im Camp Zaatari und dem nahegelegen Camp
       Azraq gelten offiziell als arm. 2021 waren es „lediglich“ 45 Prozent. So
       greifen viele zu sogenannten negativen Bewältigungsstrategien: Sie essen
       weniger und billiger. 57 Prozent ernähren sich weniger oft und 87 Prozent
       von Lebensmitteln, die sie nicht mögen. Doppelt so viele Minderjährige wie
       2021, 6 Prozent, arbeiten, um die Familie zu unterstützen.
       
       „Manchmal liege ich nachts wach und hoffe, dass der Morgen niemals kommt“,
       sagt Mohammed in einem der 26.000 Container, alias Caravans, die das größte
       syrische Flüchtlingslager der Welt bilden und wie kleine, weiße Legosteine
       die rosarote Wüste überziehen. Mohammed, der nur seinen Vornamen preisgeben
       möchte, um keine Schwierigkeiten zu bekommen, sitzt gerade in seinem
       Wohnzimmer, einem Raum mit Metallwänden, die mit weißer und pinker Farbe
       bemalt sind.
       
       Drei lange arabische Bodenkissen lehnen an den Wänden, auf dem Teppich
       liegt ein Silbertablett mit kleinen verzierten Tassen voll bitterem
       Kardamomkaffee. „Ich bin enttäuscht“, fährt der 39-Jährige fort und schaut
       etwas traurig. Neben ihm sitzt ein neun Monate altes Baby in gelb-blauem
       Schlafanzug und lallt vor sich hin. Mohammed, ein drahtiger Mann in Jeans
       und schwarzem T-Shirt und mit seitlich gescheitelten Haaren, ist das
       Kämpfen gewohnt. Bis vor vier Monaten war er Lehrer für Taekwondo, eine
       koreanische Kampfkunst.
       
       Es war ein ehrenamtlicher, bezahlter Job. In einem der vielen Programme,
       die meistens von ausländischen Organisationen gesponsert sind und die Not
       der Menschen in den Camps lindern sollen. Dafür erhielt er 1 bis 2,5 Dinar
       pro Stunde, umgerechnet 1,27 bis 3,15 Euro. Die Stellen sind befristet,
       damit so viele Menschen wie möglich eine Chance bekommen.
       
       Jetzt arbeitet Mohammed informell als Tagelöhner in einem Handyshop, vier
       Stunden am Tag – für 3 Dinar pro Tag, umgerechnet 3,80 Euro. Hinzu kommen
       die Essenscoupons im Wert von 19 Euro. „Natürlich ist das nicht genug“,
       antwortet er fast lächelnd auf die Frage, ob das für die siebenköpfige
       Familie ausreiche. Die Familie leide unter der finanziellen Lage, sagt der
       fünffache Vater, während das Baby eine grauschimmernde Haarspange in die
       Luft reckt.
       
       Eine menschenwürdige Arbeit zu finden sei nicht leicht. Die Zahl der
       ehrenamtlichen Programme habe abgenommen, sagt er. Warum sucht er sich
       keine Arbeit außerhalb des Camps? Zu viele bürokratische Hürden, zu hohe
       Kosten. Mohammed bleibt also nicht viel mehr übrig als zu hoffen, dass die
       Lage besser wird. „Möge Gott uns helfen,inschallah“, sagt er mit ruhiger
       Stimme.
       
       Das Königreich gilt eigentlich als Vorzeigemodell bei der Aufnahme
       syrischer Geflüchteter. Die Coronapandemie und der Konflikt im Nachbarland
       haben der Wirtschaft jedoch zugesetzt, die Arbeitslosenquote liegt bei 21
       Prozent. Zwischen einem Viertel und einem Drittel der Bevölkerung lebt laut
       jüngsten Schätzungen in Armut. Laut einer Umfrage des Hohen
       Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) aus dem Jahr 2023
       haben zwar 96 Prozent der Jordanier*innen Mitleid mit Geflüchteten, die
       vor dem Krieg in ihrem Heimatland fliehen. Gleichzeitig denken 93 Prozent,
       es seien zu viele, 61 Prozent finden, man gebe zu viel Geld für sie aus.
       
       So sind auch in der Politik des Königreichs die Töne rauer geworden.
       Jordanien sei nicht in der Lage, noch mehr syrische Geflüchtete
       aufzunehmen, erklärte Safadi im September. 2023 hatte Amman für einen
       internationalen Fonds zur freiwilligen Rückkehr nach Syrien plädiert. „Die
       Zukunft syrischer Geflüchteter ist in ihrem Heimatland“, sagte der Minister
       vor den Mikrofonen der Journalist*innen. Bei einem Treffen mit der
       deutschen Außenministerin Annalena Baerbock im vergangenen Monat machte der
       jordanische Politiker klar: „Wenn die Stromversorgung in den Camps
       zusammenbricht, können wir nicht einspringen.“ Seit 2012 hat Deutschland
       laut Auswärtigem Amt 1,22 Milliarden Euro für die Hilfe im Rahmen [2][der
       Syrienkrise] in Jordanien ausgegeben. 2024 waren es bislang 63 Millionen –
       so wenig wie seit 2015 nicht mehr.
       
       Außerhalb der Camps, in den Städten, ist die Lage noch schlimmer. Laut
       Daten des UNHCR zahlen Geflüchtete im Schnitt 178 Euro Miete pro Monat,
       verdienen jedoch nur 280 Euro pro Familie. Ein Drittel hat eine Arbeit,
       doch lediglich 7 Prozent haben eine Arbeitserlaubnis. 66 Prozent klagen
       über die Verletzung ihrer Rechte am Arbeitsplatz.
       
       Jetzt, mit dem Ende der kostenlosen Arbeitserlaubnis, könnte die Lage noch
       schwieriger werden. Doch nur die wenigsten wollen mit der Presse darüber
       reden. So erwähnt ein junger Mann, der in der Gastronomie arbeitet, die
       neuen Gebühren sofort als größtes Problem überhaupt. Doch am nächsten Tag
       sagt er den Interviewtermin mit einer Ausrede ab. Dafür gibt es Gründe.
       
       Eine große Unsicherheit herrscht in der Gemeinschaft, Geflüchtete sowie
       Nicht-Geflüchtete berichten von Schwierigkeiten mit den Erlaubnissen. So
       haben viele jetzt Angst, Strafen zu bekommen, wenn sie ihre Rentenbeiträge
       nicht mehr bezahlen. Oder an der Ausreise gehindert zu werden. An
       Informationen zu kommen ist nicht leicht. Die Ministerien ließen Anfragen
       unbeantwortet, das UNHCR wollte sich zum Thema nicht äußern, andere NGOs
       tun dies nur unter Wahrung der Anonymität.
       
       „Ich fühle mich so, als ob ich gerade bestraft werde, weil ich versuche,
       meinen Lebensunterhalt zu verdienen“, sagt Osama Al-Masri, ein 20-jähriger
       syrischer Geflüchteter, der in einer Mietwohnung in einem Industriegebiet
       von Amman lebt. Er ist einer der wenigen, der bereit ist, unter Klarnamen
       zu sprechen. Al-Masri, ein Mann mit Dreitagesbart, elegant angezogen in
       schwarzer Hose und Pullover, ist heute nicht zur Arbeit in die Fabrik
       gegangen. Jetzt ist er arbeitslos. Sein Vertrag ist abgelaufen, genau wie
       seine Arbeitserlaubnis. Eine Erneuerung wäre ihm zu teuer. „Ich sollte 480
       Dinar (619 Euro) plus 80 Dinar (100 Euro) für die Arztuntersuchung zahlen.
       Ich bekomme den Mindestlohn, das sind 260 Dinar (340 Euro) im Monat“. Mehr
       als zwei Monatsgehälter wären für das neue Dokument fällig.
       
       Al-Masri möchte sich jetzt ohne Erlaubnis eine Arbeit suchen. Doch das ist
       riskant. Sollte er erwischt werden, drohen ihm Strafen. Aus einer
       Plastikhülle holt er mehrere Dokumente, die UNHCR-Bescheinigung, das
       Zeugnis eines Englischkurses, Schulzeugnisse. Er wolle nur „Raus hier“,
       sagt er lachend. Dafür bereitet er sich vor, nimmt an Kommunikations- und
       Zeitmanagementkursen teil. Er will seine Softskills ausbauen, hofft auf
       einen Platz in einem Resettlement- oder einem anderen Programm. Hauptsache
       weg. „Ich fühle mich verloren“, sagt er. „Viele reisen illegal aus, übers
       Meer, sterben dabei. Ich möchte nicht einer von ihnen sein. Aber wenn ich
       genug Geld hätte, wäre ich das.“
       
       Viele Menschen, mit denen die taz gesprochen hat, träumen von einem
       sogenannten Resettlement im Westen. Damit kommen ausgewählte Geflüchtete
       auf sicheren Wegen in andere Länder. Doch das Kontingent ist begrenzt,
       weist das zuständige UNHCR auf seiner Webseite hin. Weniger als ein Prozent
       der Geflüchteten kommen dafür infrage. Die UN-Agentur schlägt die
       vulnerabelsten vor – je nach Aufnahmekriterien der einzelnen Länder. 365
       Syrer*innen sind 2023 mit dem Programm aus Jordanien nach Deutschland
       gekommen, bestätigt das deutsche Innenministerium.
       
       Dass die Lage in Jordanien für Syrer*innen nicht so schlimm ist wie in
       anderen Ländern der Region, das wissen Al-Masri und die anderen. Im Libanon
       lebten die Menschen schon vor dem Krieg in ständiger Gefahr einer
       Verhaftung oder Abschiebung. Tausende sollen laut der NGO Human Rights
       Watch (HRW) 2023 zurückgeführt worden sein. Auch in der Türkei begegnet
       ihnen [3][Ressentiment, Diskriminierung und Abschiebungen.] Über 57.000
       wurden laut HRW 2023 zwangszurückgeführt.
       
       Derweil debattieren Politiker*innen in Europa ebenfalls über
       verschärfte Regelungen für Asylsuchende an den Außen- und Binnengrenzen.
       Auch in Deutschland wurde das Asylrecht verschärft. Was ist aber dann die
       Lösung? Freiwillige Rückkehr? Syrien als sicheres Land einstufen? Bloß das
       ist es nicht.
       
       In den vergangenen anderthalb Jahren haben Israel, die USA, mutmaßlich
       Jordanien, die Türkei, Russland und Syrien selbst Bomben auf Syrien
       abgeworfen. Unterschiedliche Regionen, unterschiedliche Feinde. Der IS
       erlebt gerade wieder eine Auferstehung, [4][während Assads Regime]
       beschuldigt wird, 200 Rückkehrer*innen aus Rebellenprovinzen jüngst
       verschwinden haben zu lassen. Hinzu kommen mehr als sieben Millionen
       Binnenvertriebene und verheerende wirtschaftliche Zustände. „Die
       gewalttätige Eskalation im größten Teil Syriens und die Fortsetzung der
       Diktatur Assads legen ganz klar nahe, dass es nirgendwo im Land sicher
       ist“, schreibt Nahost-Experte André Bank in einem Essay.
       
       Auch in den Ländern der arabischen Region nimmt die Sicherheit für
       Syrer*innen ab, vor allem im Libanon und der Türkei. In Jordanien wird
       ihnen jetzt vermittelt, „ihr seid nicht mehr unterstützungswürdig“, sagt
       Lenner. Langsam fühlen sie sich nirgendwo mehr willkommen. Sie könnten
       „nach Hause“ gehen. Bloß, das wollen sie nicht. Al-Masri fürchtet, von
       Assads Regime eingezogen zu werden. Mohammed fühlt sich dort nicht mehr
       sicher. Und Bushraa träumt weiter, ihre wahre Freiheit zu finden, dem
       „Gefängnis“ zu entkommen. Egal wohin, bloß nicht nach Syrien, da wartet
       nichts auf sie. Mutter Fatimah in pinkem Schleier und traditionellem Gewand
       beschwichtigt, im Camp sei nicht alles schlecht. „Es gibt auch andere
       Wege“, sagt sie sanft lächelnd. Sie möchte, dass ihre Tochter bei ihr
       bleibt, das spürt man. Doch die 23-Jährige bleibt eisern. „Wenn ich könnte,
       würde ich nach Libyen fahren und dann nach Europa. Aber auch das ist zu
       teuer.“
       
       31 Oct 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://neighbourhood-enlargement.ec.europa.eu/system/files/2018-12/jordan-compact.pdf
   DIR [2] /Syrisches-Dialogtreffen-in-Berlin/!6015111
   DIR [3] /Syrische-Gefluechtete-in-der-Tuerkei/!6019305
   DIR [4] /Drogenschmuggel-aus-Syrien/!6003212
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Serena Bilanceri
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Syrien
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