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       # taz.de -- Vampir-Serie „Love Sucks“: Luft, Liebe und Blut
       
       > Mit „Love Sucks“ bringt ZDFneo eine neue Vampirserie pünktlich zu
       > Halloween heraus. Sie hätte der Zuschauerschaft allerdings mehr zutrauen
       > können.
       
   IMG Bild: Zelda Zoris (Havana Joy, M.) sucht auf einer Party ihren Geliebten Ben
       
       Das [1][Vampirmotiv] gehört mit „Twilight“ und „Vampire Diaries“ unter
       [2][Gen Zs] und Millennials wie kaum ein anderes zur indiskutablen
       Popkultur. Anderthalb Jahrzehnte später [3][legt ZDFneo] mit der
       achtteiligen Serie „Love Sucks“ eine Interpretation vor. Sie macht viel
       richtig im abgegrasten Feld der Vampirnarrative und hat dennoch den ganz
       großen Wurf verfehlt.
       
       Zelda (Havana Joy) arbeitet als Profiboxerin gemeinsam mit ihrem Bruder
       und ihrem Vater (Stipe Erceg) auf dem Jahrmarkt, als sie Ben von
       Greifenstein (Damian Hardung) das erste Mal begegnet. Eine Liebe auf den
       ersten Blick, die ein kleines, nun ja, Problem beinhaltet: Ben kann nicht
       von Luft und Liebe leben, sondern braucht Blut. Ben ist ein echter Vampir,
       mitten in Frankfurt.
       
       Viel mehr passiert dann auch gar nicht – das unmögliche Paar kämpft gegen
       den Vampirhass ihrer und die Unerbittlichkeit seiner Familie, uralte Fragen
       nach der Entscheidung zwischen (im wahrsten Sinne des Wortes)
       Blutsverwandtschaft und Liebe kommen auf, am Ende gibt’s eine Tragödie.
       
       Ein paar originelle Twists gelingen Headautor Marc O. Seng durchaus: Die
       Liebesgeschichte wird wie jede gute unmögliche Liebe auch zum Klassendrama:
       Sie ist nicht nur sterblich, sondern auch arm, er nicht nur unsterblich,
       sondern aus gutem Hause.
       
       Die szenische Dichotomie zwischen edlen Gemäuern und alten Luxuskarossen
       der von Greifensteins – die ihr Blut originellerweise durch die
       Fake-Stiftung „New Dawn“ beziehen – auf der einen und den
       Jahrmarktwohnwägen von Zeldas Familie auf der anderen Seite strukturiert
       die Serie.
       
       ## Genderfluider Vampir
       
       Auch eine genderfluide Interpretation der männlichen Vampirästhetik ist
       eine wahre Freude: Ben lebt sein Vampirleben mit lackierten Fingernägeln,
       Ohrringen und Boots. Im Vergleich zum verklemmten „Twilight“-Universum mit
       seiner frauenfeindlichen Sexualmoral wird hier ein Sinnlichkeitsparadigma
       ins Vampiruniversum eingeflochten, das dem des amerikanischen Raums weit
       voraus ist; Blut, Techno und Lust werden auf ästhetisch anspruchsvolle
       Weise verflochten.
       
       Szenen, in denen Ben seine nun greisenhafte erste Ehefrau auf dem
       Sterbebett küsst, brechen auf ebenso überraschende wie logische Weise mit
       Gattungskonventionen der ewig jungen Weiblichkeit des menschlichen
       Liebesparts – wenn eine Seite einer Liebe unsterblich ist, bringt das eben
       ganz eigenen Probleme mit sich.
       
       Besonders die Besetzung der Brüder von Greifenstein ist ein Glück für die
       Serie: Damian Hardung, deutscher Jungstar der Serienlandschaft und zuletzt
       durch „Maxton Hall“ international bekannt geworden, und Rick Okon, bekannt
       als Kommissar des Dortmund Tatorts, glänzen mit blasshäutiger, rotlippiger
       Vampirmelancholie.
       
       Bei allem Lob über neue Ideen im mittlerweile völlig überstrapazierten
       Vampiruniversum wäre dennoch der jungen Zuschauerschaft das entscheidende
       bisschen Mehr zuzutrauen gewesen: Ein wenig zu glatt geht diese große Liebe
       über die Bühne, echte potenzielle Konfliktlinien wie die, dass Ben nebenbei
       erklärt, er könne nie eine Familie gründen, verschwinden im Nichts.
       
       Stattdessen wird ruckzuck geheiratet und so doch wieder ein bisschen zu
       sehr in die Twilight-Logik abgerutscht. Eine ambivalentere Betrachtung der
       Beziehung wäre ebenso lohnenswert gewesen wie ein Ende, das nicht auf
       Shakespeare-Art alle Angehörigen am Grab versöhnt. Originelle Ansätze
       hätten durch mehr Mut zu echter Mehrdeutigkeit funktionieren können – so
       bleibt „Love Sucks“ in vielversprechenden Kinderschuhen stecken.
       
       31 Oct 2024
       
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