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       # taz.de -- Liberale radikalisieren sich: Die Hamburger FDP kämpft gegen den Staatssozialismus
       
       > Eine muss es ja tun: Katarina Blume, die neue Spitzenkandidatin der
       > Hamburger Liberalen, eilt den geknebelten Investoren zu Hilfe.
       
   IMG Bild: Der Investor baut nicht: Wo auf der Reeperbahn bis 2014 die Essohäuser standen, klafft jetzt eine leere Fläche
       
       Auf Katarina Blume ist einfach Verlass. Die FDP-Frau aus den Elbvororten,
       die als Spitzenkandidatin ihrer Partei bei der nächsten Hamburger
       Bürgerschaftswahl antreten will, ist immer dann zur Stelle, wenn die
       Hamburger Politik ausnahmsweise was gebacken kriegt.
       
       So war es im April, als die Bezirksversammlung Altona über eine
       [1][Flüchtlingsunterkunft auf dem Parkplatz des Botanischen Gartens]
       diskutierte – also direkt in den Elbvororten, mitten im schönsten
       Villenviertel! Natürlich brauche die Stadt Flüchtlingsunterkünfte, sagte
       Blume als Vorsitzende der FDP-Fraktion da, aber leider, leider sei der
       Standort ja gänzlich ungeeignet. Kein Supermarkt weit und breit, kein
       Spielplatz für die Kleinen, und erst der Schulweg! So weit!
       
       Da gebe es doch geeignetere Flächen, ein, zwei Kilometer weiter hinten,
       jenseits der Villengegend, sagte Blume und stieß damit ins selbe Horn wie
       die Anwohner*innen, die sich später zu einer Initiative gegen die
       Unterkunft zusammenschlossen, mit exakt diesen Argumenten.
       
       Vergangene Woche nun, ihre Beförderung zur Hamburger FDP-Spitzenfrau war da
       schon vollzogen, bekam sie die Krise, nachdem bekannt geworden war, dass
       der Senat weitere Flächen aufgekauft hatte, [2][um der Bodenspekulation
       entgegenzuwirken]. „Der Kaufrausch von Rot-Grün bei Grundstücken und
       Flächen ist zu einer gefährlichen Krankheit geworden“, schäumte Blume und
       erkannte „eine erschreckende Reise in den Grundstücks-Sozialismus“.
       
       Sozialismus. Lustig ist, dass der Hamburger rot-grüne Senat zu seiner
       Flächenkaufpolitik gezwungen werden musste. Keine städtischen Flächen mehr
       zu verkaufen und mehr Sozialwohnungen mit längerer Laufzeit zu bauen, war
       der [3][Kompromiss mit der Bürgerinitiative „Keine Profite für Boden und
       Miete“], die eigentlich gewollt hatte, dass auf städtischem Boden nur noch
       Sozialwohnungen gebaut werden.
       
       ## Nächste Bürgerinitiative steht schon bereit
       
       Der Senat versuchte so auch, ein wenig den Druck herauszunehmen, denn
       [4][die nächste Bürgerinitiative „Hamburg enteignet“] stand schon bereit.
       Für die so gar nicht enteignungswillige Politik können solche Forderungen
       sehr unangenehm werden, wie das Beispiel „Deutsche Wohnen & Co enteignen“
       in Berlin zeigt, wo wechselnde Senate alle Hände voll zu tun hatten, der
       erfolgreichen Abstimmung keine Konsequenzen folgen zu lassen.
       
       Für Katarina Blume sind solche Dinge Teufelswerk, sie setzt auf die Kräfte
       des freien Marktes. Schon im Sommer geißelte sie das Hamburger „Bündnis für
       das Wohnen“, bei dem die Mietervereine mit am Tisch sitzen, und forderte,
       es durch einen „Pakt“ zwischen Politik und Wohnungswirtschaft zu ersetzen.
       Es müsse endlich „auf Augenhöhe verhandelt“ werden, so die Hamburger
       Marktliberale. „Unsere Stadt ist für bauwillige Bürger, Investoren und
       Wohnungsbaugesellschaften unattraktiv geworden.“
       
       Wie gut es in einer Stadt wie Hamburg funktioniert, wenn man die
       Bautätigkeit Investoren überlässt, lässt sich an mehreren Stellen
       besichtigen. Bei den Elbbrücken steht der Torso des [5][„Elbtower“], den
       René Benko zu errichten versprach, bevor er vor einem Jahr pleite ging –
       das Grundstück überschrieb ihm die Stadt.
       
       In Altona, direkt neben dem „Mitte Altona“ getauften Neubauviertel, liegt
       seit fünf Jahren das Gelände der ehemaligen Holsten-Brauerei brach – die
       Stadt hatte auf ihr Vorkaufsrecht verzichtet [6][und es damit der
       Immobilienspekulation ausgeliefert]. Gebaut wurde bisher nicht.
       
       Und in St. Pauli, mitten auf der Reeperbahn, klafft dort, wo früher einmal
       die Esso-Häuser mit der berühmten Tankstelle standen, [7][seit zehn Jahren
       eine leere Fläche]. Der bayerische Investor hat die unter Beteiligung des
       Viertels ausgearbeiteten Baupläne fallengelassen und will inzwischen an die
       städtische Wohnungsgesellschaft Saga verkaufen. Die hüllte sich in
       Schweigen. Vielleicht ist der Preis zu hoch? Aber der Markt wird es schon
       richten.
       
       1 Nov 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Gefluechtete-ins-Hamburger-Nobelviertel/!6004861
   DIR [2] https://www.hamburg.de/politik-und-verwaltung/behoerden/finanzbehoerde/aktuelles/hamburg-auch-2023-mit-positiver-flaechenbilanz-982568
   DIR [3] /Kampf-gegen-hohe-Mieten/!5888918
   DIR [4] /Klage-gegen-Volksinitiative/!5969618
   DIR [5] /Elbtower-Ruine-in-Hamburg/!6020342
   DIR [6] /Immobilienkonzern-droht-Insolvenz/!5927634
   DIR [7] /Geplatztes-Bauprojekt-in-Hamburg/!5950046
       
       ## AUTOREN
       
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