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       # taz.de -- Sterbehilfe in Großbritannien: Tod auf eigenen Wunsch
       
       > Die Labour-Abgeordnete Kim Leadbeater hat einen Gesetzentwurf zur
       > Sterbehilfe vorgestellt. Die Mehrheit der Brit:innen spricht sich dafür
       > aus.
       
   IMG Bild: Befürwortet Gesetzentwurf zur Sterbehilfe: die Britin Sarah Fenton mit einem Porträt ihres verstorbenen Mannes, 16. Oktober
       
       London taz | Sarah Fenton steht mit weiteren Aktivist:innen der die
       Sterbehilfe unterstützenden Gruppe „Dignity in Dying“ vor dem britischen
       Parlament in London. In der Hand hält sie ein großes Porträt ihres Mannes
       Keith. „Auf diesen Tag habe ich sieben Jahre gewartet“, sagt sie und
       erzählt von ihrem Mann, der an der Huntington-Krankheit litt und vor sieben
       Jahren mit Hilfe des Sterbehilfeunternehmens Dignitas in der Schweiz starb.
       
       Den Suizid habe er gewählt, da bereits seine beiden Geschwister an der
       vererbbaren Erkrankung gestorben waren, so die 62-jährige Witwe. Sollte der
       am Mittwoch dem britischen Parlament vorgestellte Gesetzesentwurf [1][der
       Labour-Hinterbänklerin Kim Leadbeater] zur Sterbehilfe verabschiedet
       werden, müssten Menschen wie Keith Fenton nicht mehr über 15.000 Euro an
       Sterbehilfeorganisationen zahlen, argumentiert seine Witwe.
       
       Leadbeaters Gesetzesantrag soll nur Menschen, deren Lebenserwartung
       aufgrund einer Krankheit im Endstadium nicht mehr als ein halbes Jahr
       beträgt, die Sterbehilfe ermöglichen. Der taz erklärte Leadbeater, dass
       Absicherungen im Mittelpunkt ihres Antrags stünden.
       
       ## Nur für Menschen, deren Tod unmittelbar bevorsteht
       
       Die Sterbehilfe gelte nicht für Menschen mit Behinderung, psychischen
       Krankheiten oder hohem Alter. „Es geht um eine Option für Menschen, deren
       letzte Lebenswochen und -monate unmittelbar bevor stehen. Nur sie sollten
       ihren Todeszeitpunkt selbst wählen dürfen.“
       
       Vorgesehen ist derzeit, dass zwei Ärzt:innen, von denen ein/e die
       betroffene Person nicht kennen darf, und ein/e britische Hochrichter:in
       bei dem Antrag auf Sterbehilfe involviert sind. Außerdem müssten sich die
       Sterbewilligen die tödliche Dosis selbst verabreichen. Die beiden
       Ärzt:innen müssten die geistige Gesundheit der Antragsteller:innen
       und die Unabhängigkeit der Entscheidung bestätigen und den Betroffenen
       palliative Versorgungsmöglichkeiten erklärt und angeboten haben. Der
       Todeswunsch müsste jederzeit, auch mündlich, revidierbar sein.
       
       ## Auch Sterbehilfe-Gegner:innen werden aktiv
       
       Auch Aktivist:innen gegen Sterbehilfe versammelten sich am Mittwoch vor
       dem britischen Parlament hinter Pappmaché-Grabsteinen. Tim Dieppe von der
       Gruppe „Christians Concerned“ (Besorge Christen) erzählt der taz von seiner
       Frau, die an Krebs starb. Der 54-jährige Witwer hält Sterbehilfe für
       gefährlich und unnötig. „Es setzt Menschen im schwächsten Moment ihres
       Leben unter Druck, ihr Leben zu beenden. Das hat nichts mit Empathie zu
       tun.“ Dieppe plädiert stattdessen für [2][Schmerzlinderung, Fürsorge, Liebe
       und gute Hospize]. Starke Gesetze könnten, so wie auch beim
       Abtreibungsgesetz, über Jahre verwässert werden, warnt er.
       
       Neben Dieppe schildert Karen Kenward, 71, der taz, dass sie heute nicht
       mehr leben würde, hätte es Sterbehilfe gegeben, als sie mit
       Guillain-Barré-Syndrom auf der Intensivstation lag und sich nicht mehr
       bewegen konnte. „Heute weiß ich, dass man sich im Leben nie sicher sein
       kann, wie etwas ausgeht“, sagt die Rollstuhlfahrerin energisch. Es sei
       vielmehr wichtig, die Palliativpflege auszubauen. Auch Erzbischof Justin
       Welby, das Oberhaupt der anglikanischen Kirche, sprach sich diese Woche
       gegen die Sterbehilfe aus.
       
       ## Mehrheit der Britinnen und Briten für Sterbehilfe
       
       Am 29. November soll es eine Unterhausdebatte zu dem Gesetzesentwurf geben,
       bevor darüber abgestimmt wird. Der Entwurf gilt zunächst für England und
       Wales, ein paralleler Antrag läuft jedoch durch das schottische Parlament.
       Eine Meinungsumfrage vom 16. Oktober im Auftrag von Humanist UK ergab dass
       74 Prozent aller Brit:innen für ein Sterbehilfegesetz sind, eine weitere
       Umfrage kam auf 67 Prozent.
       
       18 Oct 2024
       
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