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       # taz.de -- Israels Militär tötet Hamas-Chef Sinwar: Ein möglicher Wendepunkt
       
       > Israelische Soldaten töten den Hamas-Chef Jahia Sinwar in Gaza. In dem
       > Krieg in Nahost könnte das vieles verändern.
       
   IMG Bild: Vom israelischen Militär getötet: Der Hamas-Chef Jahia Sinwar bei einer Veranstaltung im Jahr 2023
       
       Jerusalem taz | Hamas-Chef Jahia Sinwar ist tot. Der Drahtzieher hinter dem
       Überfall auf Israel am 7. Oktober wurde nach Angaben der israelischen Armee
       am Mittwoch von Soldaten einer Infanterieeinheit getötet. Seine Identität
       wurde mittels eines DNA-Tests bestätigt. Auch Quellen aus Hamas-Kreisen
       sagten gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, es gebe Hinweise auf
       Sinwars Tod bei einem israelischen Einsatz in Gaza.
       
       Online verbreitete sich am Donnerstag ein Foto, das mutmaßlich dessen
       Leiche zeigt. Zu sehen ist darauf ein halb unter Trümmern begrabener Mann
       mit dessen markanten Gesichtszügen, weißen Haaren und einer klaffenden
       Kopfverletzung an der Stirn. Vor ihm liegt eine Handgranate. Er trägt eine
       Kampfweste, eine Armbanduhr und einen Palästinenserschal, auch Kufiya
       genannt.
       
       [1][Laut der Mitteilung der Armee seien mit Sinwar zwei andere Terroristen
       getötet worden. Israelische Geiseln wurden demnach in der Nähe nicht
       gefunden.] Lange war davon ausgegangen worden, dass der Hamas-Anführer sich
       zu seinem Schutz in einem weitläufigen Tunnelnetzwerk unter dem
       Gazastreifen und in der Nähe von einigen der noch immer rund 100 dort
       gefangenen israelischen Geiseln aufhalten würde. Laut Geheimdienstberichten
       verzichtete er vollkommen auf elektronische Kommunikation und setzte
       stattdessen auf Kuriere für Nachrichten nach außen.
       
       ## Zufällige Tötung
       
       Der israelische Sender Kan berichtete, Sinwar sei nicht gezielt oder
       aufgrund von Geheimdienstinformationen, sondern „zufällig“ bei einem
       Armeeeinsatz in einem Haus in Rafah getötet worden. Bei den Leichen wurden
       demnach Bargeld und gefälschte Ausweise gefunden.
       
       Für Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu, der seit Kriegsbeginn vor
       mehr als einem Jahr auf einer Taktik der militärischen Stärke beharrt und
       den „absoluten Sieg“ über die Hamas als Kriegsziel festgeschrieben hat, ist
       die Nachricht ein großer Erfolg. In den vergangenen Monaten hatten die
       israelische Armee und der Auslandsgeheimdienst Mossad zahlreiche Anführer
       der Hamas und der proiranischen Hisbollah getötet. Sinwar selbst war erst
       im Juli an die Spitze der Terrororganisation aufgestiegen, [2][nachdem sein
       Vorgänger Ismail Hanije in Teheran ermordet worden war.]
       
       Sinwars Tod könnte Bewegung in die festgefahrenen Verhandlungen um ein Ende
       der Kämpfe und eine [3][Freilassung der noch gefangenen Geiseln bringen.]
       Die Angehörigen der Entführten forderten noch am Abend, dessen Tod zu
       nutzen, um zu einem sofortigen Abkommen mit der Hamas zu kommen. „Jetzt
       bleibt nur noch eines zu tun: Die 101 (Geiseln) zurückzubringen, und zwar
       sofort“, schrieb der Oppositionspolitiker Jair Golan bei X.
       Verteidigungsminister Joav Gallant rief die Hamas-Kämpfer zur Kapitulation
       und zur Freilassung der Geiseln auf. Ministerpräsident Netanjahu wollte
       sich am Abend äußern.
       
       Es wird weithin angenommen, dass Sinwar die vergangenen Jahre maßgeblich
       die Strategie der Hamas geprägt hat. 2017 stieg er zu deren Anführer im
       Gazastreifen auf. Er galt seit mehreren, insgesamt 23 Jahre währenden
       Gefängnissaufenthalten als Kenner der israelischen Gesellschaft und sprach
       fließend Hebräisch. 2011 kam er im Rahmen eines Gefangenenaustausches frei.
       Unter seiner Führung hatte die Hamas vor ihrem überraschenden Überfall, bei
       dem rund 1200 Israelis getötet und 251 nach Gaza verschleppt wurden,
       jahrelang vorgegeben, den bewaffneten Kampf gegen Israel zurückzuschrauben.
       
       ## „Der Schlächter von Chan Junis“
       
       Sinwar wurde 1962 im Gazastreifen in Chan Junis geboren. Seine Familie kam
       ursprünglich aus der Region um die heutige israelische Küstenstadt
       Aschkelon. Zur Hamas stieß er bereits in jungen Jahren und erhielt dort
       wegen seines gnadenlosen Vorgehens gegen mit Israel kollaborierende
       Palästinenser den Beinamen „Schlächter von Chan Junis“. Er hatte mehrere
       israelische Attentate überlebt.
       
       Im vergangenen Jahr soll er laut Geheimdienstberichten angesichts der
       unerbittlichen Angriffe der israelischen Armee auf den Gazastreifen und der
       nach palästinensischen Angaben mehr als 42.000 Toten davon ausgegangen
       sein, dass er sterben würde. Der 62-Jährige, der sein Leben lang
       kompromisslos für die Vernichtung Israels und einen palästinensischen Staat
       gekämpft hatte, soll aber gehofft haben, zuvor noch einen regionalen Krieg
       zwischen Israel sowie dem Iran und seinen Verbündeten in der Region
       anzufachen. Derzeit stehen Jerusalem und Teheran so kurz vor einem offenen
       Krieg wie nie zuvor.
       
       17 Oct 2024
       
       ## LINKS
       
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