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       # taz.de -- Der Tod im Gaming: Endlich realistisch sterben mit Sims4
       
       > Das Thema Sterben blenden wir als Gesellschaft kollektiv aus. Bei
       > Videospielen gehört es dazu – aber erst mit Sims wird es nachfühlbar.
       
   IMG Bild: Die meisten echten Kapellen sind düster und unheimlich
       
       Die Luft in der Kapelle ist warm und riecht nach Kerzenwachs. Durch die
       Kirchenfenster dringt kaum Sonnenschein. Das Vogelgezwitscher von draußen
       verstummt, als die Tür hinter mir zufällt, nur noch das Schlurfen von
       Schuhsohlen auf Stein ist zu hören. Direkt vor mir: der Sarg meiner Oma.
       Mir steigen Tränen in die Augen, mehr aus Schock als aus Trauer. Ich bin
       elf Jahre alt, als ich zum ersten Mal auf einer Beerdigung bin. Und es
       fühlt sich an wie ein Albtraum.
       
       [1][Dem Tod begegnet man in unserer Gesellschaft] in der Regel in zwei
       Fällen: Im selteneren Fall arbeitet man mit ihm. Für die meisten schlägt er
       eines Tages wie ein Blitz ein. Ich könnte mir gut vorstellen, dass die
       meisten Menschen in Deutschland zum ersten Mal einen toten Menschen sehen,
       wenn ihre Eltern sterben. Aber als ich nach Zahlen dazu suche, finde ich
       nichts.
       
       Und das ist Teil des Problems: Sterben ist so ein anstrengendes Thema, dass
       wir es bereitwillig kollektiv ausblenden. Wir leben gesünder und länger als
       je zuvor. Das ist schön, bis man nicht mehr lange und gesund lebt. Je näher
       Menschen dem Tod kommen, desto mehr werden sie im kapitalistischen System
       abgewertet. [2][Das hat furchtbare Folgen für Betroffene]. Denn irgendwann
       kommt der Tod. Und dann steht man da, überfordert und allein, weil sich
       niemand damit beschäftigen will.
       
       ## Der Tod im Spiel ist unmenschlich
       
       In vielen Videospielen ist das anders. Da gehört das Sterben dazu, nicht
       nur bei Ego-Shootern. Auch Mario und Luigi killen Pilze und Schildkröten.
       Ich denke nicht, dass Gamer:innen deswegen entspannter mit dem Tod
       umgehen. Denn der Tod im Spiel ist unmenschlich: Die verlorenen Leben der
       Pilze sind wertlos, der eigene Tod fast egal, denn man kann es einfach
       nochmal versuchen. Zu einem empathischen Umgang mit sterbenden Menschen
       oder Angehörigen regt das nicht an.
       
       Selbst Indie-Spiele wie „Spiritfarer“ und „Cozy Grove“, die sich explizit
       um den Tod drehen, bleiben realitätsfern: Darin kümmert man sich um die
       Seelen Verstorbener und bereitet sie auf das Jenseits vor. Doch das Sterben
       selbst wird ausgeblendet.
       
       Einen neuen Vorstoß [3][wagt nun das Simulationsspiel „Sims 4“]. An
       Halloween erschien das Erweiterungspack „Leben & Tod“. Sowie ich es
       installiert habe, lasse ich meine Sims-Oma sterben. Fragt bitte nicht, wie.
       Ihre Tochter organisiert die Beerdigung. Die Kapelle auf dem Friedhof ist
       düster und unheimlich, wie die Kapelle, die mir mit elf Jahren Angst
       gemacht hat. Mit kleinen Gitterfenstern, dunklen Holzmöbeln und unzähligen
       Kerzen.
       
       Ich gehe in den Baumodus, tausche die Gitterfenster gegen eine hohe
       Fensterfront und reiße eine Wand ein, um Luft und Licht hereinzulassen.
       Dieser Raum soll sich nicht nach Gruft anfühlen, sondern nach Freiheit. Um
       den Sarg platziere ich Blumen und Zimmerpalmen, die den Raum lebendig
       machen. Es ist Herbst, die Sonne strahlt. Eine Musikanlage spielt leise
       Klassik, wie sie meine Oma zum Frühstück gehört hat. So könnte sich
       Abschied anfühlen.
       
       4 Nov 2024
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Alexandra Hilpert
       
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