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       # taz.de -- Krise beim FC Hansa Rostock: Kogge im Sturm
       
       > Beim Drittligisten Hansa Rostock geht’s drunter und drüber: Ein Ultra
       > übernimmt die Führung des Aufsichtsrates, und einen neuen Trainer gibt's
       > auch.
       
   IMG Bild: Zündeln auf den Rängen: die Rostocker „Suptras“ zünden Pyrotechnik im Stadion
       
       Rostock hat am Samstag einen wichtigen Sieg eingefahren. Der
       Fußball-Drittligist besiegte den VfL Osnabrück mit 2:0. Damit entfernten
       sich die Mecklenburger von den Abstiegsrängen. Eine Woche zuvor hatten sie
       Rot-Weiss Essen mit 4:0 bezwungen, doch für Schlagzeilen sorgte der Angriff
       vermummter Täter, die der Rostocker Fanszene zugeordnet werden, auf einen
       Sonderzug mit Anhängern von Essen. Es soll eine Verabredung zur Prügelei
       gewesen sein, der sich die RWE-Ultras nicht stellten.
       
       Kurz darauf erklärten fünf Hansa-Aufsichtsräte ihren Rücktritt. „Seit
       einiger Zeit beobachten wir eine Entwicklung, die uns mit Sorge erfüllt“,
       stand in einer Erklärung von Rainer Lemmer, Christian Stapel, Henryk
       Bogdanow, Frank Schollenberger und Immanuel Fuhrmann. [1][Für sie sei eine
       rote Linie überschritten worden].
       
       Es war ein beispielloser Vorgang in der an Skandalen reichen
       Hansa-Geschichte. Und er kam überraschend, denn dass den Räten die
       angeführten Werte wie „Fairness, Weltoffenheit und Respekt“ besonders
       wichtig gewesen wären, hatten Lemmer und seine Mitstreiter während ihrer
       Amtsführung selten erkennen lassen.
       
       Hansa ist ein emotionaler Verein – und mit rund 28.000 Mitgliedern einer
       der größten in Deutschland. Dennoch hat der Ruf stark gelitten. Aus
       verschiedenen Gründen: sportlicher Niedergang, ständiges Heuern und Feuern
       von Spielern, Trainern und Verantwortlichen sowie häufige Krawallen in der
       Fanszene.
       
       Im Zuge der Turbulenzen rückt nun ein Ultra an die Spitze des
       Aufsichtsrates: Fan-Vertreter Sebastian Eggert, ehemaliger „Vorsänger“ des
       harten Kerns und [2][Mitbegründer der „Suptras“,] Hansas größter
       Ultragruppe, ist der neue Vorsitzende. Der 43-Jährige ist eines der beiden
       verbliebenen Mitglieder des zuvor siebenköpfigen Kontrollgremiums.
       
       Seine Personalie polarisiert. Im Umfeld der Klubs gibt es einerseits die
       Sorge, dass der Einfluss der Ultras größer und unkontrollierter wird. Sie
       haben bereits viel zu sagen im Verein. Andere dagegen hoffen, dass es
       weniger Krawalle und mehr Ruhe geben wird. Wer, wenn nicht Eggert, könne
       dafür sorgen, heißt es. „Eggi“ habe Hansa im Blut und trage den Verein im
       Herzen. Doch bislang hat er sich von Gewaltexzessen der FCH-Anhänger nicht
       öffentlich distanziert.
       
       Seit 2003 ist Eggert Klubmitglied und seit 2016 im Aufsichtsrat. Nach
       eigener Aussage besucht er seit Anfang der neunziger Jahre Hansa-Spiele –
       und hat in dieser Zeit viele Höhen und Tiefen erlebt. Seine Motivation?
       „Tatsächlich ist es die Liebe zu diesem einzigartigen Verein, der für viele
       Menschen in Mecklenburg-Vorpommern und darüber hinaus im Privatleben den
       Lebensmittelpunkt darstellt“, lässt sich Eggert auf der Internetseite
       seines Arbeitgebers DNV zitieren.
       
       DNV ist ein weltweit führender Anbieter digitaler Lösungen für das
       Risikomanagement und die Verbesserung der Sicherheit und Anlagenleistung
       für Schiffe oder Stromnetze. Der Hauptsitz des Unternehmens ist im
       norwegischen Oslo. Eggert ist offensichtlich ein intelligenter Mann, der
       sehr erfolgreich von Dubai aus arbeitet, wo er als Global Head of Sales,
       Service und Head of Consulting für die Schiffsproduktlinie verantwortlich
       ist.
       
       Nicht nur beruflich reist er unzählige Kilometer durch die Welt, sondern
       auch für die Hansa-Kogge. Für ein Interview mit Hansa-TV kam Eggert
       vergangene Woche extra nach Rostock. Wie es heißt, auf eigene Kosten.
       Lässig in blauer Jeans und mit einem dunklen Hansa-T-Shirt bekleidet,
       ordnete er im Interview mit FCH-Mediateam-Mitarbeiter Oliver Schubert
       sachlich die Situation nach dem Aufsichtsratsbeben ein. Der Verein sei
       trotz der Rücktritte handlungs- und beschlussfähig.
       
       Zwei Ersatzmitglieder rücken demnächst ins Kontrollgremium nach. Am 24.
       November erfolgt auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung eine
       Nachwahl. Am selben Tag findet auch die ordentliche Jahresversammlung des
       höchsten Vereinsgremiums statt. Dort dürfte auch das Aus des langjährigen
       Vereinschefs Robert Marien diskutiert werden, der vom alten Aufsichtsrat
       entmachtet wurde.
       
       Sein Nachfolger Jürgen Wehlend, der Marien ursprünglich nur während einer
       krankheitsbedingten Auszeit vertreten sollte, ist nicht unumstritten. Der
       59-Jährige hatte im Sommer einen Neuanfang auf allen Ebenen ausgerufen.
       Trainer, Spieler und Manager wurden ausgetauscht, neue Strukturen
       geschaffen. Doch der Erfolg blieb zunächst aus.
       
       Vergangene Woche wurde HSV-Legende Bernd Hollerbach nach nur vier Monaten
       als Trainer wieder beurlaubt. Simon Pesch und Marcus Rabenhorst übernahmen
       als Interimstrainer. Nun rücken sie wieder zurück ins zweite Glied. Gut
       eine Stunde nach dem Spiel gegen Osnabrück gab Hansa bekannt, dass Ex-Profi
       Daniel Brinkmann als neuer Chefcoach übernimmt – mit Zustimmung des
       Aufsichtsrats, der die Entscheidung absegnen musste.
       
       Nun soll endlich wieder Ruhe einkehren bei Hansa. Dafür könnte wohl auch
       „Eggi“ sorgen.
       
       3 Nov 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.fc-hansa.de/news/information-des-aufsichtsrats.html
   DIR [2] https://www.suptras.de/
       
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   DIR Tommy Bastian
       
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