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       # taz.de -- Abriss-Stopp wegen Artenschutz: Der Spatz in der Hand heißt „Abriss-Stopp“
       
       > Freude bei den einen, leichte Bestürzung bei Bausenator Christian Gaebler
       > (SPD): Der Sperling macht den Abbruch des Jahnstadions vorerst zunichte.
       
   IMG Bild: Süß, gesellig und in Gefahr: der Spatz
       
       Berlin taz | Der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom Montag, [1][die
       Abrissarbeiten am Jahnstadion in Prenzlauer Berg] wegen unzureichenden
       Artenschutzes zu stoppen, sorgt für Genugtuung bei Umweltverbänden,
       Bürgerinitiativen und PolitikerInnen. Die Entscheidung sende „eine klare
       Botschaft“, so die NaturFreunde Berlin, die den Eilantrag gestellt hatten,
       zusammen mit der BI Jahnsportpark: „Berlin muss sich stärker zum Schutz und
       zur Förderung der Artenvielfalt bekennen.“ Das ganze Projekt müsse nun auf
       den Prüfstand. „Nicht nur aus Arten-, Natur- und Klimaschutzgründen ist der
       Stadionabriss ein Irrweg, auch finanziell ist das Projekt aus dem Ruder
       gelaufen.“
       
       Dass jetzt die Bagger stillstehen, die bereits mit Abbrucharbeiten am
       Eingangsbereich der Haupttribüne angefangen hatten, gibt Schwarz-rot aus
       Sicht von Kristian Ronneburg (Linke) nun „Bedenkzeit, um sich selbst zu
       hinterfragen, ob die Entscheidung zum Abriss des Stadions tatsächlich die
       richtige war“. Die Machbarkeit eines inklusionsgerechten Umbaus anstelle
       von Abriss und Neubau müsse jetzt „ernsthaft und ergebnisoffen“ geprüft
       werden, meint der sportpolitische Fraktionssprecher.
       
       Ronneburg weist darauf hin, dass Bausenator Christian Gaebler (SPD) noch im
       September im Sportausschuss alle Bedenken von sich gewiesen habe. Ein
       „Skandal“ sei es, wie der Senator sich „über Verpflichtungen aus dem von
       seiner eigenen Verwaltung in Auftrag gegebenen Gutachten hinwegsetzen
       wollte, um mit der Brechstange das Jahnstadion abzureißen“.
       
       Die Senatsbauverwaltung, die das Stadion abreißen und als inklusiven
       Sportstandort neu errichten lassen will, hat der Beschluss kalt erwischt.
       Man habe „besten Gewissens“ gehandelt, so ein Sprecher zur taz, schließlich
       sei auch die Untere Naturschutzbehörde des Bezirks Pankow mit dem
       Ausgleichskonzept für den Artenschutz einverstanden gewesen. Am Dienstag
       beriet man in der Verwaltung über das weitere Vorgehen. Eine Entscheidung –
       etwa, Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht einzulegen – war bis
       Redaktionsschluss nicht bekannt.
       
       Das Verwaltungsgericht hatte am Montag weitere Abrissarbeiten bis Ende
       Februar 2025 untersagt. Betroffen sind die Haupt- und die Gegentribüne
       sowie kleine Nebengebäude. In der ausführlichen Begründung, die der taz
       vorliegt, schreiben die RichterInnen, bei Fortsetzung der Abrissarbeiten
       bestehe „die konkrete Gefahr eines Verstoßes gegen das
       artenschutzrechtliche Schädigungsverbot in Bezug auf Fortpflanzungsstätten
       des Haussperlings“.
       
       Die Kartierungen des von der Senatsverwaltung beauftragten Planungsbüros
       wiesen 94 Spatzen-Brutplätze nach, die verlorengingen, so das Gericht. Die
       Verwaltung habe nicht plausibel machen können, dass die geplanten
       Ausgleichsmaßnahmen deren ökologische Funktion ersetzen könne. Konkret geht
       es um „sogenannte Sperlingshäuser“, die vor jedem Teilabriss als
       Ersatz-Rückzugsort für die gesellig lebenden Spatzen dienen sollen.
       Angesichts fehlender Nachweise bezweifelte das Gericht sogar, dass diese
       Häuser zum vorgesehenen Zeitpunkt zur Verfügung stünden.
       
       ## Schlechte Erfahrungen
       
       Schwerer wiegen aber die richterlichen Zweifel, dass diese Maßnahmen
       überhaupt funktionierten. Dazu verweist die Kammer auf die Einschätzung,
       die die Senatsumweltverwaltung als oberste Naturschutzbehörde im
       Beteiligungsverfahren abgegeben hatte. Demzufolge habe man in anderen
       Bundesländern schlechte Erfahrungen damit gemacht.
       
       Uwe Hiksch von den NaturFreunden Berlin gibt sich gegenüber der taz „sehr
       optimistisch“, dass der Beschluss auch in zweiter Instanz Bestand haben
       würde: „Unser großer Trumpf ist das artenschutzrechtliche Gutachten, das
       der Senat selbst in Auftrag gegeben hat.“ Aus dem gehe hervor, dass man
       nach Aufstellung von Ausweichquartieren erst eine Brutperiode lang
       beobachten müsse, ob diese angenommen würden.
       
       Wenn die Untersagung am 28. Februar endet, beginnt die Brutperiode 2025,
       die bis Ende September dauert. Das Gericht erwartet, dass sich die
       Senatsverwaltung an ihre Ankündigung hält, in diesem Zeitraum keine
       Abrissarbeiten durchzuführen. Insofern könnte es nach derzeitigem Stand
       erst in einem knappen Jahr weitergehen.
       
       Korrektur 06.11.24: In der ersten Fassung dieses Textes hatten wir Kristian
       Ronneburg versehentlich mit einer Aussage zitiert, die nicht von ihm
       stammte. Wir bitten um Entschuldigung.
       
       5 Nov 2024
       
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