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       # taz.de -- Prozess gegen Reichsbürger um Prinz Reuß: AfD-Politikerin versucht sich in Selbstverharmlosung
       
       > Im Frankfurter Reichsbürger-Prozess wird die Birgit Malsack-Winkemann
       > befragt. Sie spricht von Aliens, Geheimarmeen – und streitet die Vorwürfe
       > ab.
       
   IMG Bild: Birgit Malsack-Winkemann wird von einer Polizistin in den Gerichtssaal geführt, Frankfurt/Main, 4. Juli
       
       Frankfurt/Main taz | Birgit Malsack-Winkemann hatte keine Angst vor
       Außerirdischen. Und sie, die einmal für die AfD im Bundestag saß, Richterin
       war und jetzt als mutmaßliches Mitglied der [1][Reichsbürger-Verschwörung
       um Heinrich XIII. Prinz Reuß] vor Gericht steht, ist noch immer ziemlich
       stolz darauf. „Ich habe gesagt“, brüstet sich die 60-Jährige am Dienstag im
       Frankfurter Oberlandesgericht, „ich hätte kein Problem damit, wenn die
       herkommen. Weil wir hier alle eine reine Seele haben.“
       
       Das mit der reinen Seele sieht zumindest die Bundesanwaltschaft ganz
       anders. Sie hat Reuß, Malsack-Winkemann und 24 weitere Männer und Frauen
       wegen Terrorismus und Hochverrats angeklagt, [2][weil sie einen bewaffneten
       Umsturz in Deutschland vorbereitet haben sollen.] Seit rund einem halben
       Jahr wird parallel in Frankfurt, München und Stuttgart verhandelt.
       
       Geschlagene sechs Tage lang hat sich die AfD-Politikerin im Sommer [3][zu
       den Anklagevorwürfen geäußert] und alles als „Ammenmärchen“ zurückgewiesen.
       Jetzt beantwortete sie Nachfragen, noch einmal vier Tage lang. Die
       Widersprüche wurden dabei nicht weniger.
       
       Malsack-Winkemann beteuert, dass sie und ihre Mitangeklagten niemals selbst
       Gewalt hätten anwenden wollen. Das sei allein Aufgabe der „Allianz“ gewesen
       – einer vom antisemitischen QAnon-Verschwörungsglauben herbeifabulierten
       Geheimarmee unter russischer, amerikanischer oder auch außerirdischer
       Führung, deren Einmarsch die Angeklagten offenbar ernsthaft erwarteten. Und
       mit der sie deshalb Kontakt gesucht hätten. Aber ein Putsch? I wo.
       
       ## Desinformation und Verschwörungsgeraune
       
       Von den bewaffneten „Heimatschutzkompanien“, mit deren Aufbau die
       Vereinigung laut Anklage bereits begonnen hatte, will Malsack-Winkemann
       nichts gewusst haben. Für Reuß, sagt sie, habe alles streng „nach Recht und
       Gesetz“ ablaufen sollen. Senatsvorsitzender Jürgen Bonk will das genauer
       wissen: Von welchem Recht der Prinz denn ausgegangen sei? „Ich habe das
       nicht im Einzelnen hinterfragt“, antwortet die promovierte Juristin und
       wird plötzlich ungewöhnlich schmallippig.
       
       Es ist nicht die einzige Frage, die sie ins Schwimmen bringt. Auf welcher
       Faktengrundlage, die ihr als Richterin ja betontermaßen wichtig sei, sie
       denn die Existenz jener „Allianz“ für zumindest nicht ausgeschlossen
       gehalten habe? Und welche konkreten Hinweise sie dafür habe, dass pädophile
       Eliten in unterirdischen Tunnelsystemen Kinder misshandeln könnten? Mehr
       als die unzähligen Telegram-Kanäle, die diese QAnon-Erfindungen verbreiten,
       kann Malsack-Winkemann da nicht anführen.
       
       „Ich bin es gewohnt aus meinem Berufsstand, beide Seiten zu sehen“, erklärt
       sie. Soll heißen: Was bei Telegram stand, hielt die Richterin für nicht
       weniger glaubhaft als das, was sie in seriösen Medien las. Außerdem hätten
       diese Kanäle zum Teil ja Hunderttausende Follower gehabt. „Das war nicht
       nur eine Sache von zwei bis zehn esoterischen Spinnern.“
       
       Malsack-Winkemann gehörte dem von Prinz Reuß geführten „Rat“ an und war
       dort für den Bereich Justiz zuständig, das hat sie eingeräumt. Doch es habe
       sich dabei keineswegs, wie die Bundesanwaltschaft glaubt, um die
       designierte Putschregierung gehandelt. In ihrer tagelangen Einlassung hatte
       die Angeklagte von einem „intellektuellen Kreis“ gesprochen, in dem
       „Visionen“ für den Neuaufbau Deutschlands nach der Besetzung durch die
       globale Geheimarmee entwickelt werden sollten.
       
       Was sie nun auf Nachfragen schildert, ist ein Zirkel, der bereit war, alles
       für bare Münze zu nehmen, was bei Telegram an Desinformation und
       Verschwörungsgeraune zu lesen ist. Von Reichsbürger-Narrativen über die
       vermeintlich mangelnde Legitimität der Bundesrepublik bis zur Existenz
       quasi magischer „Medbetten“, in die man sich nur legen müsse, um selbst von
       schwersten Leiden sofort zu genesen. „Die Frauen haben sich dabei vor allem
       für das Schönheitsprogramm interessiert“, sagt Malsack-Winkemann.
       
       Die AfD-Frau ist eine Virtuosin der wortreichen Selbstverharmlosung. Sie
       spricht lieber über das Essen, das bei den Treffen der mutmaßlichen
       Verschwörer*innen gereicht wurde, als über die Inhalte. Doch dass sie
       wie alle Ratsmitglieder eine Verschwiegenheitserklärung unterzeichnet hat,
       bestreitet sie nicht. Das Schriftstück wird während ihrer Befragung auf den
       Bildschirmen im Frankfurter Gerichtssaal gezeigt. Es liest sich nicht gar
       so harmlos: „Verstöße werden als Hochverrat angesehen und auf Hochverrat
       steht die Todesstrafe“.
       
       5 Nov 2024
       
       ## LINKS
       
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