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       # taz.de -- Berliner Landespolitik: Schnell wieder bei Sperlingskästen
       
       > Das Leben geht weiter im Abgeordnetenhaus, auch am Tag nach dem Scheitern
       > der Ampel-Koalition und dem Wahlsieg von Donald Trump.
       
   IMG Bild: Der spätere Minister Rainer Eppelmann erzählte in einer Feierstunde des Parlaments, wie er die Grenzöffnung vor 35 Jahren erlebte
       
       Berlin taz | Trump wieder US-Präsidenten. Die Bundesregierung am Ende. Und
       in Sachsen Gespräche über eine Koalition von CDU, SPD und BSW gescheitert –
       was einem vorherigen Treffen dort zwischen CDU und AfD eine ganz neue
       Bedeutung gibt. Wie würde sich das im Berliner Abgeordnetenhaus
       niederschlagen, das nach diesen Ereignissen an einem besonders grauen
       Morgen erstmals seit drei Wochen wieder tagt?
       
       Gemessen an den geballten schlechten Nachrichten ist die Stimmung im
       Plenarsaal gut – soweit sich das von der Pressetribüne oberhalb erfassen
       lässt. Auch in den Gängen oder im Parlamentsrestaurant sind nicht nur
       Trauermienen zu sehen. Vielleicht auch, weil es immer noch schlimmer ginge
       und bei den Älteren des Hauses „der Tag danach“ für einen Film aus den
       80ern über einen Atomschlag stehen könnte.
       
       Es sind dabei nicht nur die Ereignisse des Vortags, die dieser Sitzung
       etwas Besonderes verleihen. Das Parlament erinnert in einer vorangehenden
       Gedenkstunde zugleich an den Mauerfall vor 35 Jahren. Rainer Eppelmann,
       nach der ersten freien Volkskammerwahl DDR-Abrüstungs- und
       Verteidigungsminister, erzählt als Gastredner, wie er die Öffnung der
       Grenze an der Bornholmer Straße hautnah erlebte – „diese Stunde ist bis
       heute die bewegendste meines Lebens“.
       
       Von der AfD-Fraktion ist in der anschließenden Rederunde zum 9. November
       eine Verbindung zur US-Wahl zu hören: Es sei „eine Genugtuung für viele
       Ostdeutsche, dass Trump die Wahl gewonnen hat“. Der könne mehr für das
       Zusammenwachsen in Deutschland tun als viele Ost-Beauftragte. Mit dieser
       Sicht bleibt sie am Rednerpult allein.
       
       ## Von globalen Folgen zum Jahnstadion
       
       Das Ende der Ampelkoalition tauscht zum ersten Mal in der Fragestunde auf,
       als es um das Thema Musikschulen geht und ein jüngstes Gerichtsurteil dazu,
       das Honorartätigkeiten kritisch betrachtete. Ob das Ende der Ampel
       Konsequenzen bei diesem Thema habe, will ein CDU-Abgeordneter vom Senat
       wissen. Das klingt wie eine Vorlage für seinen Parteifreund und
       Regierungschef Kai Wegner, die Lage grundsätzlich zu beurteilen: „In dieser
       Zeit keine handlungsfähige Bundesregierung zu haben ist, vorsichtig gesagt,
       zumindest nicht gut.“
       
       Wer in den Reihen der Abgeordneten gerade noch über globale Folgen der
       Trump-Rückkehr ins Amt nachsinnt oder darüber, welche die Folgen das
       Ampel-Aus für das Vertrauen in die Demokratie hat, den holt eine der
       nächsten Fragen schnell in die Berliner Details zurück. Es geht um den
       Abrissstopp beim Jahn-Stadion. Und da ist dann ein Landesminister gefragt,
       Details zum Umgang mit Sperlingskästen darzulegen.
       
       Wäre es nicht der Tag nach den Großnachrichten, so würde etwas anderes weit
       mehr im Blick sein: wie sich nämlich die Linkspartei präsentiert. Es ist
       schließlich die erste Plenarsitzung nach den dortigen Verwerfungen zu
       Antisemitismus. Mehrere prominente Abgeordnete waren deswegen ausgetreten,
       darunter die in der letzten Reihe sitzenden Ex-Senatoren Lederer,
       Breitenbach und Scheel.
       
       ## Tippen statt applaudieren
       
       Drei Reihen vor ihnen hat die Landesvorsitzende Franziska Brychcy ihren
       Platz, die die drei am Dienstag mit dem Parteivorstand aufgefordert hatte,
       ihre Mandate abzugeben. Äußerlich sind keine Animositäten festzustellen.
       Der aufmerksame Blick auf Brychcy hält aber immerhin fest, dass sie anders
       als die Ex-Senatoren gleich zweimal nicht klatscht, sondern auf ihrem
       Computer tippt, als es um Solidarität mit der Ukraine geht.
       
       Auf der Besuchertribüne hatten am Morgen auch Ex-Regierungschefs und die
       SPD-Spitze die Feierstunde mitverfolgt. Wäre zudem ein mit drei Worten zu
       einer verpassten Meisterschaft berühmt gewordener früherer Frankfurter
       Fußballtrainer geladen gewesen, hätte er vielleicht auch in Sachen Politik
       gesagt: „Lebbe geht weider.“
       
       7 Nov 2024
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Stefan Alberti
       
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