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       # taz.de -- Gleichberechtigung in der Musikbranche: Erst die Fakten, dann die Forderungen
       
       > Frauen und queere Menschen sind in der Musikbranche unterrepräsentiert.
       > In Bremen will eine Initiative genaue Zahlen dazu erheben.
       
   IMG Bild: Die Breminale 2023: Weibliche Acts sind klar in der Minderheit
       
       Bremen taz | Die Initiative MusicHBwomen will Tatsachen: „Wir werden für
       das Jahr 2023 in einigen Bremer Clubs auszählen, wie viele männliche,
       weibliche und queere Personen auf der Bühne standen.“ Das sagt Anke
       Königschulte, Projektleitung der Clubstudie. Denn Zahlen sind mehr wert
       als nur so ein Gefühl: Mit ihnen lassen sich leichter Forderungen stellen,
       politische Akteure ansprechen, Fördermittel einwerben.
       
       Bis Mitte kommenden Jahres wollen die Projektbeteiligten mit Bremer Clubs
       sprechen und herausfinden: Welche Menschen standen bei ihnen im Jahr 2023
       auf der Bühne? Verschiedene Genres sollen abgedeckt, auch künstlerische DJs
       mit eingerechnet werden.
       
       [1][MusicHBwomen] gibt es seit vergangenem Jahr. Die Initiative soll nach
       eigenen Angaben eine „Stärkung der Präsenz, Qualifikation und Vernetzung
       von Frauen*, sich als weiblich identifizierenden und nicht-binären Personen
       in der lokalen Bremer Musikbranche“ vorantreiben.
       
       Organisiert im Dachverband [2][Music Women* Germany] findet sich in fast
       jedem Bundesland eine entsprechende Initiative. Träger in Bremen ist der
       Verein Musikszene Bremen, in deren Vorstand Königschulte sitzt. Sie leitet
       das Projekt der Clubstudie. Das Geld dafür bekommt MusicHBwomen von der
       Initiative Musik vom Bund, auch der Bremische Kultursenator fördert mit.
       
       Mit dem Anschauen der Konzertprogramme ist es bei der Clubstudie nicht
       getan. „Besetzungen von Bands ändern sich ja auch mal. Wir wollen wissen,
       wer wirklich auf der Bühne stand.“ Außerdem wolle man erheben, ob auch
       nicht binäre Personen dabei waren. „Wir schauen uns Fotos und Videos an und
       fragen im Zweifel einfach nach.“
       
       Der Initiative geht es um Vielfalt auf der Bühne. Königschulte spricht vom
       Recht auf Chancengleichheit. Dieses sei noch nicht verwirklicht, auch weil
       es an Vorbildern mangele. Es gehe nicht nur darum, dass Frauen auf Bühnen
       stehen – „sondern auch darum, dass andere das sehen und merken: Ich kann
       das auch.“
       
       Mit einer Förderung von Frauen auf der Bühne wirke man auch dem
       „Buddy-Business“ entgegen, wie Königschulte das nennt. „Aufträge werden
       gern von Männern an Männer vergeben.“ Das Ziel ist ein Verhältnis von 50:50
       auf der Bühne. „Es ist noch ein langer Weg“, sagt Königschulte. Aber mit
       der Studie lasse sich auf einer validen Datenbasis diskutieren. [3][„Fakten
       sind überzeugend.“]
       
       Das weiß auch Landesfrauenbeauftragte Bettina Wilhelm. „Von einer gefühlten
       oder nur vage belegten Unterrepräsentanz von Frauen lässt sich nur
       schwerlich jemand überzeugen“, wird sie bei Instagram von der Initiative
       zitiert. „Daher sind diese Daten entscheidend.“
       
       Laut Königschulte hat Hamburg die Daten schon erhoben: Erstmals für das
       Jahr 2022, inzwischen auch für 2023. Die Daten sollten sehr bald gemeinsam
       veröffentlicht werden, verspricht sie. Im kommenden Jahr wollen die
       Bremer*innen eine Studie anschließen, die Bremens Festivals wie
       [4][Breminale] und Überseefestival erfasst.
       
       ## Parität in weiter Ferne
       
       Das Überseefestival, organisiert vom Verein Musikszene, fand Ende August
       statt. Es habe sich selbst keine feste Quote gesetzt für die Auswahl der
       Künstler*innen, sagt Sabrina Bläß, die beim Booking mitgewirkt hatte. Aber
       einbezogen worden sei das Kriterium sehr wohl. „Es war uns auf jeden Fall
       ein Anliegen, auch FLINTA* Künstler*innen auf dem Überseefestival eine
       Bühne zu bieten.“
       
       [5][FLINTA*] steht für Frauen, Lesben, inter, nicht binäre, trans und
       agender Menschen. Das sei aber herausfordernd, so Bläß: „Von den 482
       Musiker*innen, die sich beworben haben, waren nur 78, also um die 16
       Prozent, FLINTA*s.“ Ein Großteil davon seien Solokünstler*innen aus
       den Bereichen Folk, Pop oder Elektro gewesen. „Wir hatten die Sorge, dass
       diese ruhigeren Spielarten auf den beiden Hauptbühnen eher untergehen und
       haben daher zwei weitere Bühnen geschaffen.“
       
       So gab es eine kleine Geheimbühne auf dem Festivalgelände und auf der
       Aftershow-Party am Freitag des Festivals traten ausschließlich FLINTA*-Acts
       auf. Daher sei man bei einer Quote von knapp 30 Prozent gelandet. Die
       Breminale, das große lokale Umsonst-und-draußen-Festival, das im Sommer an
       der Weser stattfindet, hat das 2023 getoppt. Von insgesamt 447 auftretenden
       Menschen waren nach Angaben der Organisator*innen 164 nicht männlich.
       Macht eine Quote von 37 Prozent. Bis zur Parität fehlt also noch ein
       ordentlicher Schritt.
       
       7 Nov 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://musichbwomen.de/
   DIR [2] https://musicwomengermany.de/
   DIR [3] https://www.musichhwomen.de/factsfigures/
   DIR [4] /Breminale-am-Osterdeich/!5864092
   DIR [5] /FLINTA/!t5860252
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Alina Götz
       
       ## TAGS
       
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