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       # taz.de -- Kapitalismus und Klimakrise: Wie schön wäre es, wenn die FDP recht hätte!
       
       > Unser Autor musste einige Strapazen erleiden, weil er nicht in den Urlaub
       > fliegen will. So entdeckte er ungeahnte Sympathien für Christian Lindner.
       
   IMG Bild: Gleich neben dem Flughafen von Ajaccio liegt der Strand
       
       Warm schien die Sonne, blau und ruhig war das Meer, als wir am Sandstrand
       von Ajaccio ins Wasser sprangen. Und als ich auftauchte, da fühlte ich
       plötzlich einen irren Wunsch in mir aufsteigen: die Hoffnung, Christian
       Lindner und seine FDP hätten recht.
       
       Was war denn mit mir los?
       
       Ganz einfach: Wir hatten vier Tage Reise hinter uns, um den Sommer auf
       Korsika zu verlängern. Und weil wir nur in Notwehr fliegen, ging es mit dem
       Zug nach München, dann nach Florenz, nach Livorno, mit der Fähre nach
       Bastia und mit dem Zug quer über die Insel. Alles klappte gut, bis auf ein
       paar Buchungsfehler bei Sitz- und Schlafplätzen, das Kofferschleppen auf
       der Fähre, fehlendes [1][Klopapier] auf der Zugtoilette, ein
       Schwarzfahr-Skandal im Bus und einen knapp verpassten Streik auf der Fähre.
       
       Die Reise ähnelte also dem Zeitalter der Postkutsche, was nicht verkehrt
       ist. Man erlebt eine Menge und merkt, [2][wie weit weg das Mittelmeer
       eigentlich ist] und was es da zwischen Berlin und Korsika alles so gibt.
       
       ## Träumen wird man ja noch dürfen
       
       Aber als wir in Ajaccio am Strand baden gingen, wo der Flughafen gleich
       nebenan ist, wurde uns klar: In den vier Stunden, die wir mit dem
       Regionalzug gerade über die Insel geruckelt und gezuckelt waren, hätten wir
       auch aus Berlin herfliegen können. Und da dachte ich: „Ach, wäre doch
       schön, wenn wir klimaneutral fliegen könnten.“
       
       Können wir nicht, weiß ich. Und klar, Fliegen ist die klimapolitische
       Atombombe von Otto Normalverbraucher. Aber wenn es endlich so viel
       synthetisches Flugbenzin gäbe, wie es sich die FDP herbeifantasiert, dann
       wäre ein Problem gelöst. Wir würden auch noch die problematische
       Wolkenbildung der Airlines beseitigen und – hurra: Fliegen hätte eine
       Umweltbilanz wie S-Bahn-Fahren. Wir könnten mit grünem Gewissen nach
       Korsika schweben.
       
       Deshalb wünsche ich mir ab und zu, [3][all die Fantasten, Spinner und
       Realitätsverweigerer um mich herum] hätten recht. Wenn der Kapitalismus
       einfach für unendlich viel billigen synthetischen Kraftstoff sorgen könnte
       – wunderbar. Wenn wir sichere und bezahlbare AKWs bauen könnten, die
       Atommüll verbrauchen, statt zu produzieren – herrlich. Wenn sich die ganze
       Wissenschaft vom Klimawandel als Unsinn herausstellen könnte – fantastisch.
       Wenn das Artensterben nur eine Verschwörungstheorie wäre – wie
       erleichternd. Wenn es stimmte, dass alles immer besser würde und wir mit
       Überkonsum, blinder Technikgläubigkeit und idiotischer Ignoranz einfach
       weitermachen könnten – das wäre wie Weihnachten.
       
       Nichts wäre mir lieber, als denen nachträglich recht zu geben, die alle
       Warner und Mahner als fantasielose Pessimisten bezeichnen. Ich wäre der
       erste, der dem heiligen Orden der Technologieoffenheit beiträte und sich
       von der unsichtbaren Hand des Marktes streicheln ließe, wenn die uns
       Energie ohne CO2, Landwirtschaft mit gesunder Natur und einen gerechten
       Frieden mit der Umwelt bringen würden. Wie gern würde ich zugeben, dass ich
       mich in 30 Jahren als Öko-Meckerer grundlegend getäuscht habe.
       
       Und wenn Elon Musk dann auch noch endlich in seine Rakete zum Mars stiege –
       ach. Träumen wird man ja wohl noch dürfen. Zumindest im Urlaub.
       
       25 Oct 2024
       
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