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       # taz.de -- Trumps Wahlsieg und Minderheiten: So wie der Rest
       
       > Trump hat auch wegen Latinos triumphiert. Denn die wollen wie alle
       > anderen Wähler:innen auch: essen, wohnen, leben. Was bedeutet das für
       > Deutschland nach der Ampel?
       
   IMG Bild: Trump-Wahlkampfveranstaltung in der South Bronx am 23. Mai 2024
       
       Wenn Wahlen gewählt sind und das Ergebnis nicht das herbeigesehnte ist,
       dann geht die Suche los – nach den Wählergruppen, die den Ausschlag gegeben
       haben. Man könnte auch sagen: nach den Schuldigen.
       
       Immer wieder geht es dann um Minderheiten, über die sich vermeintlich
       eindeutige Aussagen treffen lassen. Wenn ein Recep Tayyip Erdoğan in der
       Türkei eine Wahl gewinnt, dann schauen seine Gegner verärgert auf die
       Deutschtürken, obwohl deren Stimmen nicht entscheidend sind. Wenn die AfD
       Erfolge feiert, tut der Westen so, als komme das Böse aus dem Osten. Und
       wenn Donald Trump gewinnt, dann geraten die Latinos in den Blick.
       
       Einerseits ist dieser Fokus plausibel. Es leben [1][über 60 Millionen
       Latinos], also Menschen mit Wurzeln in lateinamerikanischen Ländern, in den
       USA. Sie sind die größte Minderheit und machen knapp 15 Prozent der
       Wahlberechtigten aus. Auch der eindeutige Sieg von Trump und das Ergebnis
       scheinen den Fokus zu rechtfertigen. [2][Laut Nachwahlbefragungen] haben
       bei dieser Wahl 46 Prozent der Latinos Trump gewählt. 2020 waren es noch 32
       Prozent. Damit hat Trump das beste Ergebnis eines Republikaners bei Latinos
       erzielt. Er löst George W. Bush ab, der 2004 44 Prozent gewonnen hatte.
       Besonders zugenommen hat die Zustimmung unter Latino-Männern, von denen 55
       Prozent Trump gewählt haben, 2020 waren es noch 36 Prozent.
       
       [3][Rechtsruck in der Latino-Community], die traditionell mehrheitlich
       demokratisch wählt – vor der Wahl eines der großen Themen der
       Berichterstattung und Sorge der Demokraten. Jetzt bestätigt sich diese
       These also. So jedenfalls kann es sehen, wer die Zahlen isoliert
       betrachtet.
       
       ## Essen und wohnen müssen alle
       
       Wer ganzheitlicher auf die Dinge blickt, wird sehen, dass [4][zwei Drittel
       aller Wähler:innen in den USA die Wirtschaftslage] als schlecht
       bezeichnet haben, 2020 war es noch die Hälfte. Fast die Hälfte der
       Wähler:innen hat angegeben, dass die finanzielle Situation ihrer Familie
       schlechter sei als vor vier Jahren. 2020 hat das nur ein Fünftel so
       gesehen.
       
       Was verbindet alle Bevölkerungsgruppen, die sich verstärkt Trump zugewandt
       haben? Es ist [5][die soziale Herkunft]. Es sind [6][Stimmen aus der
       Arbeiter:innenklasse]. Und zu diesen gehören eben auch Stimmen von
       Latinos. 56 Prozent der Menschen ohne College-Abschluss haben Trump
       gewählt, 6 Prozent mehr als noch 2020, beim entsprechenden nicht-weißen
       Teil sogar 8 Prozent.
       
       Was bedeutet das nun – auch aus deutscher Perspektive?
       
       Die New York Times schreibt, dass Trump seine Dominanz in der weißen
       Arbeiterklasse behauptet hat – und dass er diese Basis erweitert hat durch
       Wähler:innen, die zu Minderheiten gehören. Er habe die republikanische
       Partei damit zwar noch nicht zu einer [7][„multiethnischen Allianz
       proletarischer Wähler:innen“] gewandelt – aber sie in diese Richtung
       gestoßen. Die Zeitung zitiert einen Berater der Trump-Kampagne: Latinos
       sehnten sich nach ökonomischer Sicherheit und sicheren Nachbarschaften –
       „wie alle anderen auch“.
       
       Wie alle anderen auch – in dieser Aussage steckt viel drin, wenn man die
       Rolle von Minderheiten bei Wahlen in Einwanderungsgesellschaften besser
       verstehen will. Man kann diese Aussage auch als Aufforderung verstehen. Ihr
       Gegenteil wäre es, eine sehr vielfältige Bevölkerungsgruppe wie die Latinos
       als eine einheitliche Gruppe von Menschen zu betrachten, die alle die
       gleichen Bedürfnisse, Probleme und Vorstellungen haben. Und zu denken, dass
       diese Menschen grundsätzlich andere Bedürfnisse, Probleme und Vorstellungen
       haben als alle anderen in der Mehrheitsgesellschaft.
       
       Dabei müssen alle Menschen essen und wohnen und irgendwie über den Monat
       kommen.
       
       ## Und in Deutschland?
       
       Daraus wiederum zu folgern, dass Fragen der Identität gar keine Rolle
       spielen, wie es manche nun tun, wäre genauso einfältig – die spanischen
       Werbespots der Trump-Kampagne haben ihren Teil zum Erfolg beigetragen,
       genauso Vereinigungen wie die Latino Americans for Trump. Anerkennung mag
       zwar ein ganz anderes Bedürfnis sein als Ernährung. Auf ihre Art ist sie
       aber ebenso existenziell für ein erfülltes Leben.
       
       In Deutschland hat sich gerade die Ampel-Regierung aufgelöst. Und damit hat
       der Wahlkampf begonnen. Eine ähnliche Aufmerksamkeit für Minderheiten wie
       in den USA scheint hierzulande unvorstellbar. Dabei wäre eine engagiertere
       Auseinandersetzung in einem Land, in dem [8][mehr als ein Viertel] der
       Menschen eine Migrationsgeschichte hat, auch im Interesse der Parteien.
       
       Manche haben das längst verstanden. Der AfD-Politiker Maximilian Krah zum
       Beispiel. Er hat zum 101. Jubiläum der türkischen Staatsgründung [9][ein
       Video] veröffentlicht, in dem er die deutschtürkische Freundschaft feiert.
       Das ist [10][nicht sein erster Versuch], die türkischstämmige Minderheit
       für sich und seine rechtsextreme Partei zu gewinnen.
       
       8 Nov 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Latino-Vote-im-US-Wahlkampf/!6043971
   DIR [2] https://www.nbcnews.com/politics/2024-elections/exit-polls
   DIR [3] /Latino-Vote-im-US-Wahlkampf/!6043971
   DIR [4] https://www.reuters.com/world/us/trumps-return-power-fueled-by-hispanic-working-class-voter-support-2024-11-06/
   DIR [5] /Irritationen-ueber-US-Wahl/!6044125
   DIR [6] https://www.nytimes.com/2024/11/06/us/politics/donald-trump-2024-campaign-coalition.html
   DIR [7] https://www.nytimes.com/2024/11/06/us/politics/donald-trump-2024-campaign-coalition.html
   DIR [8] /Abgeordnete-im-Bundestag/!6038895
   DIR [9] https://x.com/KrahMax/status/1850948600291082705
   DIR [10] https://www.zdf.de/nachrichten/politik/deutschland/afd-migranten-europawahl-krah-remigration-100.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Volkan Ağar
       
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