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       # taz.de -- Neuer Kiel- „Tatort“: Ach wie gut, dass Borowski weiß
       
       > Der Kieler Kommissar bekommt es diesmal mit der Jugend zu tun. Eigentlich
       > geht es aber um die Frage, worüber die Menschen überhaupt noch bestimmen.
       
   IMG Bild: Die Kommissar:innen Klaus Borowskis (Axel Milberg) und Sila Sahins (Almila Bagriacik)
       
       Ach, wie lang ist das nun schon wieder her! Damals, als junge, sehr mutige,
       partiell auch verpeilte ([1][ich habe sie vor Gericht gesehen]) junge
       Menschen sich auf die Straßen klebten, um gegen die selbstzerstörerische
       Dummheit ihrer Gattung zu protestieren.
       
       In der Zwischenzeit haben wir ganz andere Action hereinbekommen! Und
       deswegen ist die erste halbe Stunde des neuen Kiel- „Tatorts –
       ‚[2][Borowski und das ewige Meer' “] auch wirklich schwer zum Einschlafen
       (ich bin eingenickt).
       
       [3][Schon wieder – so der Eindruck ins Sofakissen – soll die Jugend es und
       das Klima retten,] die Handlung bestimmen, die hirn- und herzlosen
       Boomer-Zombies vor sich hertreiben und wachrütteln. Und natürlich – weiß
       man – wird das dieser Jugend nicht gelingen. Nicht zuletzt deswegen, weil
       ihre perfiden Eltern (oder eben Nichteltern) dafür gesorgt haben, dass sie
       viel zu wenige sind.
       
       Als aber nach dieser Sekundenschlafphase die ohnehin besondere Johanna
       Götting in der Rolle der jugendlichen Aktivistin Leonie den Satz sagt: „Bin
       ich weg, gibt es eine CO2-Schleuder weniger“ – da dämmert dem nun hellwach
       gewordenen Publikum, dass etwas in diesem Sonntagabendkrimi doch die
       Erwartungen auf so kalte Art wie das Wasser der winterlichen Ostsee
       unterläuft (Buch: Katharina Adler und Rudi Gaul; Regie: Katharina
       Bischof).
       
       ## Und am Ende ein Märchen
       
       Denn die Klimakrise ist in diesem Film nur der Anlass, eine andere
       Bedrohung in den Mittelpunkt zu stellen – die Künstliche Intelligenz. Ob
       das den Ansprüchen von Menschen genügt, die über mehr als unterkomplexe
       Kenntnisse der Thematik verfügen, weiß ich nicht. Aber ich weiß, dass es
       als Story funktioniert; und das ist mehr, als sich von vielen anderen
       Tatorten sagen lässt.
       
       Dazu kommt, dass die Auflösung der Geschichte auf ein Märchenmotiv
       zurückgreift, ungefähr das vom Rumpelstilzchen, also einer provozierten
       Selbstzerstörung des feindlichen Gegenübers – mehr wird jetzt nicht
       verraten!
       
       Neben der wirklich tollen Johanna Götting geben Axel Milberg als Klaus
       Borowski und Almila Bagriacik als Mila Sahin das gewohnt stabile
       Ermittlerinnenpaar. Und was Regisseurin Katharina Bischof über einen
       Neuzugang sagt, lässt sich vorbehaltlos unterschreiben: „Wir hatten die
       schöne Möglichkeit, eine neue Figur – Paula Rinkh – in der Datenforensik
       des Kieler Ensembles zu etablieren. Da spielte die Überlegung eine Rolle,
       wen man Mila Sahin zur Seite stellen könnte. Wir wollten nicht den
       Stereotyp ‚Programmier-Nerd‘ erzählen, sondern eine moderne, kompetente
       junge Frau, die sagt, was sie denkt. Thea Ehre für diese Figur gewinnen zu
       können, war toll.“
       
       In der Tat. Und wo wir beim Loben sind: Endlich mal gibt es hier eine Musik
       (Jessica de Rooij und Hendrik Nölle) zu hören, die nicht alles gnadenlos
       zusülzt oder Spannung rauspressen möchte, wo keine ist; sondern die subtil
       wirkt, wirklich in Kohärenz zu Bildern und Text.
       
       Wenn noch irgendwer die Verantwortlichen davon hätte überzeugen können,
       dass ein durch Streamingserien nun weiß Gott genug geschultes Publikum
       keine das eben Geschehene und Gesehene zusammenfassenden Erklärbärdialoge
       braucht und auch keine Rolle eines öffentlich-rechtlichen
       Polizeireviervorstehers, der beständig auf den Dienstweg hinweist und dass
       der Polizei die Hände eben leider mal wieder gebunden sind – dann wäre
       „Borowski und das ewige Meer“ ein richtig guter Film geworden.
       
       10 Nov 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Klimaaktivistinnen-vor-Gericht/!5918021
   DIR [2] https://story.ndr.de/tatort-borowski-und-das-ewige-meer/index.html
   DIR [3] /Zukunftsaengste-von-Jugendlichen/!6013570
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ambros Waibel
       
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