# taz.de -- Das Ende der sozialen Medien: Enshittification
> Twitter, Facebook und Insta sind unbenutzbare Kloaken voller Werbung und
> KI-Müll. Dabei waren sie mal Werkzeuge der Vernetzung und Entdeckung.
IMG Bild: Hat den Begriff Enshittification erfunden: Cory Doctorow
Hass ist ein großes Wort. Aber wie sonst soll ich die Empfindung nennen,
die mich fast täglich überwältigt? Immer dann nämlich, wenn der Newsletter
von Cory Doctorow mit glockenhellem „Pling“ in meinem Posteingang landet.
Ich mein, täglich!! Das ist doch wider die Natur. Gewiss, der Mann ist
einer der wichtigsten Propheten des freien Internets, Bestsellerautor,
Aktivist, Speaker und Kritiker. Alles ganz toll, aber jeden Tag? Ich lese
verdammt nochmal langsamer, als der schreibt.
Dann ist da noch diese latente Plagiatsangst. Jeder Text, den ich je über
digitale Ökonomie und die Politik der vernetzten Sphäre geschrieben habe,
fühlt sich wie ein lauer Aufwasch von Doctorow an. Egal was, er hat’s schon
gesagt. Früher, klüger und besser: „[1][Nie wieder werde ich] Energien in
den Aufbau eines Publikums stecken auf einer Plattform, deren Management
meine Verbindung zu diesem Publikum nach Belieben kappen kann.“ Viel mehr
muss man nicht sagen zu Bluesky und Threads und anderen zentralisierten
kommerziellen Versuchen, den [2][Kurznazidienst Twitter/X] in nett
nachzubauen.
Aber es muss anscheinend doch immer wieder ausgesprochen werden: All die
Benefits und Connections in der initialen Wachstumsphase der Plattformen
sind dazu da, die Nutzer*innen und die Werbetreibenden erst anzulocken
und dann auf der Plattform in Geiselhaft zu nehmen. Dass so viele so
irritierend lange auf [3][Musks fescher Faschistenfete] verblieben, hat
genau den Grund, dass die dort aufgebauten Netzwerke so wertvoll für uns
sind. Nur unter großen Schmerzen können wir darauf verzichten.
## Fortschreitende Verschlechterung digitaler Dienste
Ich habe den Anschluss an wirklich viele spannende, sonst nicht oder kaum
publizierte Stimmen verloren. So einen Kahlschlag will ich nicht noch
einmal erleben und werde deshalb nie wieder Energien in den Aufbau und so
weiter. Neid? Wahrscheinlich ist Neid das bessere Wort. Streichen Sie den
Hass. Den halten wir in Reserve gegen diese Trampel, die für ein bisschen
Profit oder Diskurskontrolle jedes zart keimende Pflänzchen der Solidarität
und des zivilen Austauschs knallhart zerfetzen.
Okay, Twitter ist ein Extremfall, aber auch Facebook und Insta sind
unbenutzbare Kloaken voller Werbung und KI-generiertem Müll. Dabei waren
die mal ganz praktikable Werkzeuge der Vernetzung und Entdeckung. Oder
erinnert sich noch jemand daran, dass man mit Google tatsächlich
Informationen finden konnte? Oder bei Amazon günstige und gute Produkte?
Für diese fortschreitende Verschlechterung digitaler Dienste, nur um aus
marktbeherrschender Stellung heraus ohne weitere Innovation und Investition
noch mehr Profite generieren zu können, gibt es sogar einen, bislang leider
nicht überzeugend ins Deutsche übersetzten Begriff: Enshittification. Cory
Doctorow hat den erfunden – und viele andere schreiben drüber. Mithu
Sanyals Kali sagt: [4][„Stehle immer bei den Besten!“] Mach ich und sage
danke. Ah, jetzt hab ich’s! Die Empfindung heißt Dankbarkeit. Jeden Tag.
12 Nov 2024
## LINKS
DIR [1] https://pluralistic.net/2024/11/02/ulysses-pact/
DIR [2] /Boersenkurs-vom-einstmaligen-Twitter/!5970339
DIR [3] /Wahlen-in-den-USA/!6047508
DIR [4] https://de.wikipedia.org/wiki/Identitti
## AUTOREN
DIR Daniél Kretschmar
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