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       # taz.de -- Übergriffe durch Hertha-BSC-Fans im Zug: Fan fatal
       
       > Die Sängerin Mine berichtet von Sexismus und Rassismus durch Fußballfans
       > des Hertha BSC. Der Verein distanziert sich, aber das reicht noch nicht.
       
   IMG Bild: Was für eine Sauerei… und ein Hinweis darauf: Hier waren Fußballfans
       
       Nur mal eben Geld holen am Bahnhof, zur Arbeit pendeln oder am Stadion
       vorbeiradeln. Einfach existieren eben. Aber als Frau, als Mensch mit
       Migrationsgeschichte, als Queer? Nicht so leicht, wenn [1][Fußballmänner,
       oft alkoholisiert] und aufgeladen durch die Gruppendynamik, die
       öffentlichen Räume fluten. Ein Vorfall des vergangenen Wochenendes zeigt es
       wieder einmal.
       
       Die Sängerin Jasmin Stocker, bekannt als Mine, wollte einfach Bahn fahren.
       Sie befand sich aber in einem Zug mit Fans von Hertha BSC, die nach einer
       Niederlage in Darmstadt nach Berlin fuhren. Die Normalität, die wurde
       schnell zur Angstfahrt für die Sängerin und andere Fahrgäste. Denn sie
       wurden sexistisch und rassistisch beleidigt und angegriffen, so die
       Sängerin, die über die Vorfälle in einer Instagramstory berichtet hat.
       
       Wieder einmal ist es eine Frau, die sich zurückziehen und mit Angst durch
       die Straßen gehen muss.
       
       In Stockers Fall sei das Bahnpersonal nicht eingeschritten, [2][berichtete
       die Sängerin dem rbb]. Die Bundespolizei? Kam zwar und nahm auch die
       Personalien von einigen Fans auf. Ein 42-Jähriger wurde aufgrund des
       Tatbestands der Beleidigung von der Polizei aus dem Zug begleitet. Aber da
       war’s ja auch schon geschehen.
       
       ## Schutzkonzepte als Signal
       
       Hertha BSC verurteile und bedauere die beschämenden Vorkommnisse,
       [3][schrieb der Verein in einem Statement zu dem Vorfall]. Und weiter: „Der
       Appell an unsere Gemeinschaft lautet daher, sich in solchen Fällen
       entschieden dagegenzustellen, um derartige Geschehnisse sofort zu
       unterbinden. Rassistische und sexistische Beleidigungen dürfen nirgends
       einen Platz finden“. Er bot der Sängerin auch Unterstützung an.
       
       Das ist ein gutes Signal, das Hertha BSC auch in vorhandenen
       Schutzkonzepten wie [4][„Wo ist Lotte?“ zeigt. Es soll an Spieltagen
       Betroffenen von Sexismus, Rassismus und Queerfeindlichkeit helfen.] Dafür
       sind Helfer*innen in pinken Westen im Stadion unterwegs, die mit dem
       Codewort „Wo ist Lotte?“ angesprochen werden können. Bei Bedarf bringen sie
       Betroffene zu einem Schutzraum oder stellen etwa psychosoziale
       Notfallbetreuung bereit.
       
       Aber reicht das? Denn es geht ja nicht nur um ein paar Fans, sondern immer
       noch um ein gesellschaftliches Problem. Diese Beschneidung von Freiräumen
       sollten wir nicht länger hinnehmen.
       
       Es geht um Gewalt, die sich gerade dann zeigt, wenn Menschen denken,
       öffentliche Räume gehörten ihnen. Aber der Frust über ein verlorenes Spiel
       darf niemals in Aggression, Beleidigungen und Übergriffen enden. Wer das
       nicht akzeptiert, gehört nicht in den Zug und auch nicht ins Stadion – und
       es ist beschämend, dass sich daran noch nicht so viel geändert hat.
       
       ## Kritik von Fußballfans
       
       Das sieht übrigens auch ein sehr großer [5][Teil der Fußballszene] so.
       Nachdem Stocker den Vorfall öffentlich gemacht hatte, [6][äußerten sich
       auch Hertha-Fans und sprachen von Scham und Wut]. Das ist gut, aber auch
       nicht genug. Schamüberwindung wäre hier angebracht. Denn wer in der
       Mehrheit ist, kann auch einzelne Täter davon zurückhalten, übergriffig zu
       werden. Vielleicht sollte man da mal an eine Art Fanpatenschaft denken. Die
       friedlichen Fans könnten Risikofans zur Vernunft bringen.
       
       Oder man muss eine Art Fan-Führerschein einführen, mit dem sich Fans erst
       beweisen müssen, um mit auf Auswärtstermine oder generell ins Stadion
       kommen zu können. Dieser Schein sollte bei einem Scheißverhalten auch
       wieder aberkannt werden, versteht sich. Gegen den Frust nach einer
       Niederlage könnten die Fans ja mal eine Runde Boxen gehen oder
       Hau-den-Lukas spielen, bevor sie wieder mal die Bahn zertrümmern.
       
       Aber Schutzkonzepte weiter auszubauen und auch in anderen Stadien zu
       etablieren, ist möglicherweise realistischer. Warum gibt es die eigentlich
       nicht auch in Bahnen und Bahnhöfen? In Sicherheitsecken könnten sich
       Fahrgäste zurückziehen, wenn Fans sich danebenbenehmen. Und Vereine müssten
       besser mit dem Bahnpersonal zusammenarbeiten und Lösungen entwickeln, die
       sowohl das Personal als auch die Fahrgäste in den Zügen schützen.
       
       Gegen Zorn und andere unzähmbare Gefühle würde auch eine Therapie helfen.
       Im Übrigen nicht nur Menschen, die schon Täter geworden sind.
       
       Und es müsste mehr Aufklärung darüber stattfinden, was es bedeutet,
       respektvoll miteinander umzugehen. Die meisten Menschen möchten in einer
       Gesellschaft leben, in der alle sicher und ohne Angst sein können.
       
       12 Nov 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Alkoholkonsum-von-Fussball-Fans/!6019618
   DIR [2] https://www.rbb24.de/sport/beitrag/2024/11/fussball-hertha-bsc-zweite-liga-darmstadt-auswaertsfahrt-db-bahn-zug-mine-vorfall-fans-rassismus-sexismus.html
   DIR [3] https://www.herthabsc.com/de/nachrichten/2024/11/statement-vorfalle-zug-darmstadt-2425
   DIR [4] https://www.herthabsc.com/de/fans/spieltag/schutzkonzept-lotte
   DIR [5] /Queerfeindliche-Banner-im-Stadion/!5997655
   DIR [6] https://open.spotify.com/episode/24K6jJp2iHfRKLKqygL2Of?si=fMQYNdq5QHKXkCPO6sqjDw&nd=1&dlsi=e4afa475f98a4afd
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ann-Kathrin Leclere
       
       ## TAGS
       
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