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       # taz.de -- Kinotipp der Woche: Auf die Probe gestellt
       
       > Das Festival „Future Now“ zeigt Filme aus Kasachstan, Kirgisistan,
       > Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan. Es geht um Kindheiten und
       > Freundschaft.
       
   IMG Bild: Eine Freundschaft wird auf die Probe gestellt in Muhiddin Muzaffars „Fortune“ (Tadschikistan 2022)
       
       Skeptisch verfolgt der junge Shambala die Verhandlungen zwischen seinem
       Großvater und einem Geschäftsmann, der versucht, dem alten Mann einen Adler
       abzukaufen, den dieser in den Bergen Kirgisistans hält. Um sich die
       Beziehungen zu dem Geschäftsmann nicht zu verscherzen, weigert sich der
       Großvater zwar standhaft den Adler zu verkaufen, schenkt ihn dem Mann im
       edlen blauen Anzug aber anschließend – was seinen Enkel auf den Plan ruft.
       
       Shambala wartet bis die Erwachsenen wieder mit Erwachsenendingen
       beschäftigt sind und lässt dann den Adler frei und rennt ihm am Boden
       hinterher. „Shambala“ ist der dritte Spielfilm des kirgisischen Regisseurs
       Artykpai Suyundukov. Der Film stellt die Welt des Jungen, der sich für die
       Berglandschaft des Landes begeistert und die Legenden seines Großvaters
       liebt, der Welt der Erwachsenen gegenüber.
       
       Stellenweise zeigt sich das schon im Bild: als der Geschäftsmann, der den
       Adler kaufen will, aus dem Auto steigt, zeigt die Kamera seine Hüfte – ein
       Blick aus der Perspektive des jungen Shambalas. Der Film ist einer von fünf
       Filmen, mit denen die Filmreihe [1][„Future Now“] Zentralasien als
       Filmregion sichtbar machen möchte.
       
       Eröffnet wurde die Filmreihe mit einem Konzert in der Philharmonie, bei dem
       Trios aus Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Turkmenistan, Usbekistan
       und Deutschland aufgetreten sind. Diese Eröffnung macht – ebenso wie der
       Blick auf den Förderer (das Auswärtige Amt) und die Partner der
       Veranstaltung (die fünf Botschaften der beteiligten Länder) – klar, dass
       die Reihe in den Bereich der Kulturdiplomatie fällt.
       
       Juni 1993, Tadschikistan ist mitten im Bürgerkrieg, ein gutes halbes Jahr
       zuvor hat sich [2][der bis heute herrschende Emomalij Rahmon] dank der
       russischen Unterstützung als Präsident durchgesetzt. Die beiden Freunde
       Kahhor und Mannon schlagen sich in Muhiddin Muzaffars Film „Dov“
       („Fortune“, 2022) durch, so gut es geht. Doch dann hat Mannons Tochter
       einen Anfall und muss ins Krankenhaus zu Untersuchungen.
       
       Um kurzfristig an Geld zu kommen, überlässt er Kahhor ein Lotterielos und
       die Lebensmittel, die ihm statt des Lohns ausgezahlt wurden. Als das Los
       auch noch gewinnt, wird die Freundschaft der beiden auf die Probe gestellt.
       
       Muhiddin Muzaffars Film erzählt im Rückblick über fast 30 Jahren eine
       Geschichte aus der Frühzeit der tadschikischen Unabhängigkeit, deren Moral
       am Ende des Films sich auch auf die Verhältnisse der Transformationszeit
       beziehen lässt.
       
       Es ist erfreulich, dass „Future Now“ eine Filmregion auf Berliner
       Kinoleinwände holt, die dort selten zu sehen ist. Zugleich muss man
       feststellen, dass die Filme Gefahr laufen, aus dem Leben in den fünf
       autoritären Staaten Unterhaltungskino machen. Es steht also zu hoffen, dass
       neben dieser Auswahl in Zukunft auch offen kritischere Filme aus den
       Ländern Zentralasiens in Berlin zu sehen sind.
       
       13 Nov 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://futurenow.berlin/
   DIR [2] /Abschiebungen-nach-Tadschikistan/!6044193
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Fabian Tietke
       
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