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       # taz.de -- Menschenrechte in der Lieferkette: Australien benennt ersten Anti-Sklaverei-Beauftragten
       
       > Menschenrechtsorganisationen fordern mehr Ressourcen für das Amt und eine
       > Sorgfaltspflicht für Unternehmen.
       
   IMG Bild: Besonders prekär: befristete migrantische Arbeitskräfte in Australien ernten Früchte
       
       Berlin taz | Australien hat erstmals einen Anti-Sklaverei-Beauftragten
       benannt. Chris Evans, der ehemalige Arbeitsminister und Geschäftsführer der
       Menschenrechtsorganisation Walk Free, soll gegen moderne Sklaverei im Land
       und in den Lieferketten australischer Unternehmen vorgehen.
       
       Der [1][Global Slavery Index], der jährlich von Walk Free veröffentlicht
       wird, schätzt, dass derzeit 41.000 Menschen in Australien in Verhältnissen
       moderner Sklaverei leben. Dazu gehören Zwangsarbeit, sexuelle Ausbeutung
       oder Schuldknechtschaft. Weltweit sind es fast 50 Millionen Menschen.
       
       Evans soll in der neuen Funktion nun Opfer und Überlebende unterstützen und
       „den Unternehmen helfen, das Risiko moderner Sklaverei in ihren Betrieben
       und Lieferketten zu verringern“, sagte Generalstaatsanwalt Mark Dreyfus bei
       der Ernennung.
       
       ## Regierung will beim Anti-Sklaverei Gesetz nachbessern
       
       Australien hat bereits seit 2018 ein Gesetz zur Bekämpfung moderner
       Sklaverei. Es verpflichtet Unternehmen, über Risiken zu berichten. Eine
       [2][Überprüfung im Auftrag der Regierung] 2023 befand jedoch, dass es
       „keine stichhaltigen Beweise“ dafür gibt, dass es „zu bedeutenden
       Veränderungen für Menschen geführt hat, die unter Bedingungen moderner
       Sklaverei leben“. Die Regierung hat daraufhin einen Reformprozess
       angekündigt, zu dem die Schaffung des Anti-Sklaverei-Amtes gehört.
       
       Auch ein [3][Bericht vom September des Bundesstaats New South Wales] legt
       nahe, dass Australien ein großes Problem mit moderner Sklaverei hat.
       Insbesondere befristete migrantische Arbeitskräfte in der Landwirtschaft
       und in der Fleischverarbeitung „sind der Gefahr von Schuldknechtschaft,
       betrügerischer Anwerbung, Zwangsarbeit und in extremen Fällen von
       Leibeigenschaft, sexueller Sklaverei oder sogar Menschenhandel ausgesetzt“,
       heißt es darin. Besonders betroffen sind Menschen, die im Rahmen des
       Pazifisch-Australischen Arbeitsprogramms (Palm) in Arbeitsverhätlnisse nach
       Australien vermittelt werden.
       
       Eine davon ist Kala. Ihren richtigen Namen hat der Bericht zu ihrem Schutz
       geändert. Kala ist über das Palm-Programm für die Obsternte nach Tasmanien
       gekommen. Um die erforderlichen Verwaltungs- und Arztkosten für das Progamm
       zu bezahlen, verschuldete sie sich. Ihr Arbeitgeber zog jedoch auch Kosten
       für Unterkunft und Transporte von ihrem Lohn ab, sodass Kala nur noch 100
       australische Dollar (etwa 62 Euro) pro Woche bekam. Sie geriet in eine
       Schuldenabhängigkeit, schaffte es aber schließlich, aus dem Programm
       auszusteigen.
       
       ## NGOs fordern eine gesetzliche Sorgfaltspflicht, wie im deutschen und
       europäischen Lieferkettengesetz
       
       Australische Menschenrechtsorganisationen begrüßten die Benennung Evans’ im
       neuen Amt, [4][kritisierten jedoch] sein „bescheidenes Budget“ von 8
       Millionen australischen Dollar. „Im Jahr 2018 haben wir uns damit
       gebrüstet, dass wir bei Maßnahmen gegen moderne Sklaverei weltweit führend
       sind, und das waren wir auch. Diesen Anspruch können wir nicht mehr
       erheben“, sagte Carolyn Kitto, Co-Direktorin der australischen
       Menschenrechtsorganisation Be Slavery Free. „Es ist eine Sache, ein Gesetz
       und einen neuen Beauftragten zu haben; es ist eine andere Sache, zu
       beschließen, diese Rolle und die Umsetzung des Gesetzes angemessen zu
       finanzieren.“
       
       Zivilorganisationen [5][fordern auch eine Reform], unter anderem die
       Einführung einer gesetzlichen Sorgfaltspflicht, wie sie [6][etwa im
       deutschen und europäischen Lieferkettengesetz] verankert ist – samt
       Sanktionen für Unternehmen, die keine oder falsche Angaben machen.
       
       Ramila Chanisheff, Präsidentin einer uigurischen Frauenorganistion, verwies
       auf Menschenrechtsverletzungen in den ausgelagerten Lieferketten
       australischer Unternehmen: Ohne „konkrete Maßnahmen, um die Industrie zur
       Rechenschaft zu ziehen, werden Uiguren weiterhin in Produkten versklavt,
       die von China hergestellt oder geliefert werden.“
       
       12 Nov 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Global-Slavery-Index/!5933535
   DIR [2] https://www.ag.gov.au/sites/default/files/2023-05/Report%20-%20Statutory%20Review%20of%20the%20Modern%20Slavery%20Act%202018.PDF
   DIR [3] https://dcj.nsw.gov.au/documents/legal-and-justice/anti-slavery-commissioner/plans-and-discussion-papers/Be_Our_Guests_-_Addressing_urgent_modern_slavery_risks_for_temporary_migrant_workers_in_rural_and_regional_New_South_Wales.pdf
   DIR [4] https://www.hrlc.org.au/news/2024/11/11/anti-slavery-commissioner
   DIR [5] https://static1.squarespace.com/static/580025f66b8f5b2dabbe4291/t/65f8d4762519962af97504c6/1710806136721/20240320+CivilSociety-Letter_AG_ModernSlaveryAct.pdf
   DIR [6] /Berichtspflichten-fuer-Unternehmen/!6045548
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Leila van Rinsum
       
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