URI: 
       # taz.de -- Öffentliches Gelöbnis in Hannover: Kleine Schönheitsfehler in der komplexen Choreografie
       
       > In Hannover fand am Dienstag ein öffentliches Gelöbnis der Bundeswehr
       > statt. Nicht alle Erwartungen wurden da erfüllt, besonders nicht die der
       > Presse.
       
   IMG Bild: Sorgsam inszeniert: Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) beim Gelöbnis in Hannover
       
       Das muss sie jetzt wohl sein, diese Zeitenwende. Auf dem Platz vor dem
       Neuen Rathaus in Hannover, der bis vor kurzem noch Trammplatz hieß, dann
       aber in Platz der Menschenrechte umbenannt, weil der Herr Stadtdirektor als
       begeisterter Wegbereiter der Nazis irgendwie nicht mehr tragbar erschien,
       steht an diesem Dienstag ein grüner Oberbürgermeister und spricht
       [1][Rekruten der Bundeswehr] seinen Respekt, seinen Dank und seine
       Anerkennung aus, dafür, dass sie hier feierlich geloben, dieses Land und
       damit auch diese Gesellschaft und diese Demokratie zu verteidigen. Alles
       Dinge, die man noch vor ein paar Jahren für unmöglich gehalten hätte.
       
       Nun ist so ein öffentliches feierliches Gelöbnis ein seltsames, etwas
       antiquiertes Ritual, zu dem man so oder so stehen kann. Aber das gilt für
       den Karneval, dessen Eröffnung mancherorts am Tag zuvor gefeiert wurde, ja
       auch. Diejenigen, die dieses spezielle Ritual ganz schrecklich finden,
       sieht man nicht, weil die Tribünen so geschickt aufgebaut wurden, dass sie
       den Blick auf die Gegendemonstration verwehren. Man hört den üblichen Mix
       aus Trillerpfeifen, Sprechchören und Musik. Einzig gelungener Gag: Der
       Sound von „Spiel mir das Lied vom Tod“ dringt ganz gut durch.
       
       Die Rekruten und ihre Familien hätten sich das Ganze vielleicht ein
       bisschen erhabener gewünscht. Aber wenn man mal ganz ehrlich ist: So gut
       wie die Amis, mit ihrem unverkrampften Hang zu pathetischen Inszenierungen
       konnte die Bundeswehr das ja noch nie. Es gibt zwar eine komplexe
       Choreographie aus ganz viel Marschieren, Frieren, Stehen, Präsentieren,
       Augen links-rechts-geradeaus und so weiter.
       
       Aber auch immer wieder so kleine Schönheitsfehler: In der Ehrenformation
       kippt hinten einer um und muss diskret davon getragen werden. Kurze Zeit
       später gleitet seinem Kameraden in der ersten Reihe das Gewehr aus der
       Hand.
       
       ## Augen auf den Verteidigungsminister
       
       Und irgendwo dazwischen marschiert immer wieder die
       Öffentlichkeitsbeauftragte mit Pressefotografen von der Pressetribüne zum
       nächsten „Bildpunkt“. Es ist die mit Abstand chaotischste Formation von
       allen: Von der Tribüne sieht es aus, als versuchte ein Rudel junger Hunde
       folgsam zu sein, doch dabei eifrig übereinander zu stolpern.
       
       Von den rund 50 angemeldeten Pressevertretern sind die allermeisten
       natürlich hier, weil sie darauf lauern, ob dem Verteidigungsminister Boris
       Pistorius (SPD) nicht doch aus Versehen etwas Kanzlereskes entfährt. Der
       rächt sich, indem er die wahrscheinlich unpolitischste Rede seiner Laufbahn
       hält.
       
       Und die Presse beim interessantesten Programmpunkt gleich ganz
       rausschmeißt: Nach dem Gelöbnis diskutiert er im Rathaus mit Schülern
       darüber, wie seine [2][„Wehrpflicht light“] nun ins Werk gesetzt werden
       soll. Die Schüler kommen aus dem Jugendparlament und einem Politikkurs der
       Leonore-Goldschmidt-Schule und gehören genau in die Altersgruppe, die
       demnächst wohl Post aus dem Verteidigungsministerium bekommt. Man hätte ja
       gern gewusst, wie die diese Zeitenwende sehen.
       
       13 Nov 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Bundeswehr/!6028122
   DIR [2] /Plaene-zu-neuer-Wehrpflicht/!6016921
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Nadine Conti
       
       ## TAGS
       
   DIR Bundeswehr
   DIR Militär
   DIR Boris Pistorius
   DIR Hannover
   DIR Waffen
   DIR Bundeswehr
   DIR Verteidigungsministerium
   DIR Bundeswehr
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Soldaten beklauen Stützpunkt: Krim-inelle bei der Bundeswehr
       
       Vier ehemalige Bundeswehrsoldaten stehen vor Gericht, weil sie Ausrüstung
       geklaut haben sollen. Zwei Angeklagte planten, die Krimbrücke zu sprengen.
       
   DIR Bundeswehr: Traditionen im Geheimen
       
       Die zurückgezogenen Ergänzungen zum Traditionserlass hätten
       Bundeswehr-intern bleiben sollen. Die Opposition findet das höchst
       bedenklich.
       
   DIR Erweiterter Traditionserlass gekippt: Lieber weniger Wehrmacht wagen
       
       Die Bundeswehr wollte verstärkt Wehrmacht-Soldaten in ihr Traditionsgut
       aufnehmen. Nun reagiert das Verteidigungsministerium auf einen taz-Bericht.
       
   DIR Pläne zu neuer Wehrpflicht: Pistorius will Wehrerfassung
       
       Der SPD-Verteidigungsminister will erfassen, wer für den Dienst an der
       Waffe bereitstünde. Seine Partei war in der Frage bislang zurückhaltend.